Mr. Trump und Mrs. Khan

Patriotismus Für seine Beleidigung gegen die muslimische Mutter eines US-Soldaten wird Trump abgestraft: Die Umfragewerte sinken, Republikaner treten aus der Partei aus. Wie kommt's?
Bei den Khans dürfen alle reden - wenn sie denn wollen.
Bei den Khans dürfen alle reden - wenn sie denn wollen.

Foto: Joe Raedle/Getty Images

Eigentlich hat Donald Trump Narrenfreiheit. Und das weiß er auch. Anfang des Jahres freute er sich noch darüber, dass er mitten auf der Straße jemanden erschießen könnte, ohne damit Wählerstimmen zu verlieren. Denn die Analysen seiner Kritiker teilen die meisten seiner Fans: Er ist Rassist und Sexist. Die einen feiern ihn dafür, die anderen verabscheuen ihn. Dass ein Mord seinerseits – zumindest vom konservativen Wahlvolk – ungesühnt bliebe, ließ ihn wohl auch vermuten, dass er alles darf. Er hat die Grenze gesucht und sie tatsächlich gefunden: Donald Trump beleidigt die Eltern eines US-Amerikaners, der im Krieg gestorben ist.

Vergangene Woche kündigt Hillary Clinton auf dem Parteitag der Demokraten in Philadelphia das Ehepaar Ghazala und Khizr Khan an, die eine bewegende Rede hielten. Deren Sohn war 2004 im Alter von 27 Jahren im Irak durch eine Bombenexpolsion ums Leben gekommen und rettete mit dem Einsatz seinen Kameraden das Leben. „Hillary Clinton sagt zurecht, dass er das Beste von Amerika ist“, sagt Khizr Khan, der bereits mit stehenden Ovationen am Rednerpult empfangen wird. Seine Stimme bebt, Ghazala Khan steht sichtlich betroffen neben ihm.

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Der 68-Jährige war mit seiner Frau vor Jahrzehnten nach eigenen Worten mit „leeren Händen“ in die USA immigriert. Er lobt das Land, in dem er und seine Frau drei Söhne großzogen, die in „Freiheit“ ihre „Träume verfolgen“ konnten. Khan bezeichnet sich als „patriotischen amerikanischen Moslem“ und gibt zu bedenken, dass das „Beste von Amerika“ – Soldaten, die für ihr Land zu sterben bereit sind – nach den Vorstellungen von Trump gar nicht in den USA wären. Deswegen richtet Khan nun das Wort direkt an Trump: „Haben Sie überhaupt die Verfassung gelesen?“ Jubel bricht aus im Saal. „Waren Sie jemals auf dem Nationalfriedhof in Arlington?“ Dort seien Soldaten verschiedenster Glaubensrichtungen und Ethnien begraben. Trump hingegen habe „nichts und niemanden geopfert!“ Doch Khan will nach vorne schauen „Wir werden unsere Probleme nicht lösen, indem wir Mauern bauen“, gibt er zu bedenken.

Man hätte sich alle möglichen Reaktionen Trumps vorstellen können. Doch damit, dass er die Aufmerksamkeit auf Ghazala Khan lenkt, die schweigend neben ihrem Mann stand, hat wohl niemand gerechnet. Dieser sei es möglicherweise von ihrem Mann verboten gewesen, zu sprechen, mutmaßt der Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Ghazala Khan regierte später mit einem Gastbeitrag in der Washington Post, in dem sie klarstellte, dass ihr Schweigen ihrem Schmerz geschuldet sei, den ganz Amerika gesehen habe. Sie leide noch immer am Verlust ihres Sohnes, so Kahn.

Auch wenn es nicht unbedingt absehbar war, dass Trump die Muslimin beleidigt, hätte das wohl die Mehrheitsgesellschaft nicht mehr schockiert, wäre sie nicht die Mutter eines gefallenen US-Soldaten aus einer patriotischen Familie gewesen.

Ja, Trump darf ein Mordszenario zeichnen und konnte weiter in den Umfragewerten zulegen. Aber die Beleidigung einer patriotischen Familie ging zu weit. An diesem Punkt endet die Solidarität vieler Wähler und sogar von Parteifreunden. Umfragewerte fallen – je nach Quelle liegt Trump nach einer monatelangen Aufholjagd nun zwischen fünf und neun Prozentpunkten hinter seiner Konkurrentin Hillary Clinton. Der republikanische Senator John McCain äußert öffentlich seinen Unmut über die Aussagen Trumps, die „das Beste Amerikas“ – US-amerikanische Soldaten, die „ihr Land“ verteidigen – beleidigen. Und sowohl Sally Bradshaw, jahrzehntelange Mitarbeiterin der Republikaner, und George Will, ein prominenter US-amerikanischer Autor und ABC-Kommentator, treten wegen Trumps Aussagen sogar aus der Partei aus.

Neben diesen Reaktionen, sind es vor allem muslimische Frauen, die nun auf Twitter weltweit unter dem Hashtag #CanYouHereUsNow zeigen, wer sie sind, dass sie reden dürfen – und wollen. Und wenn sie es nicht täten, sei es ihre eigene Entscheidung, bekundet eine Twitter-Nutzerin. Einige Tweets richten sich auch direkt an Trump. Eine muslimischen Geschichtslehrerin erklärt ihm beispielsweise, dass sie die "Zunkunft unseres Landes" unterrichte.

Eingebetteter MedieninhaltFotos von arbeitenden und politisch aktiven Musliminnen mit und ohne Kopftuch werden geteilt.

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Und nicht zuletzt wird Trump, der kein Problem mit seinem chauvinistischen Image hat, aufgefordert, nicht von seiner auf andere Familien zu schließen.

Eingebetteter MedieninhaltDie Einträge werden massenhaft geteilt. Der Grund für die Solidarisierung mag in vielen Fällen dem Patriotismus der US-amerikanischen Bevölkerung geschuldet sein. Denn sonst hätte die Sammlung an Beispielen von muslimischen Frauen, die zeigen wer sie sind, sicherlich nicht eine solche Reichweite gehabt. Sei’s drum. Sie werden gehört. Man kann sie sehen. In ihrer ganzen Vielfalt. Wie bei Nicht-Muslimen, gibt es hier unterschiedliche Stimmen und nicht die muslimische Frau. Es versammeln sich patriotische Stimmen, Frauen, die auf ihre Berufe stolz sind, feministische Frauen, die sich nicht von atheistischen Feministinnen vorschreiben lassen wollen, wie ihr Emanzipationsweg auszusehen hat. Aus den USA etwa teilte Dalia Mogahed, eine US-amerikanische muslimische Wissenschaftlerin, ihre Rede, die auf „ted talks“ ausgestrahlt wurde, erneut unter dem Hashtag #CanYouHearUsNow.

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In diesem Video sagt sie über sich, dass sie als US-Amerikanerin am 11. September 2001 geschockt war, da „ihr Land“ angegriffen wurde. Doch nun leide sie unter dem Generalverdacht, unter dem Muslime seither stehen. Das Video wäre ohne Trump nicht untergegangen. Es hatte bereits über eine Millionen Klicks. Doch unter dem neuen Hashtag „CanYouHearUsNow“ erreichte es innerhalb weniger Stunden Zehntausende Klicks mehr – und sicherlich auch ein neues Publikum.

Es ist deutlich zu sehen, dass es schon lange eine muslimische Community gibt, darunter auch viele Feministinnen, die nicht nur nicht schweigen sondern besonders laut reden, weil ihnen die Mehrheitsgesellschaft oftmals kein Gehör schenkt.

Um es mit den Worten von Yasemin Shooman zu sagen: Wenn eine Putzfrau ein Kopftuch trägt, kümmert sich niemand um sie. Steigen diese Frauen jedoch in akademische Berufe auf, wird das Kopftuch als anti-feministisch von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt.

Dagegen wehren sich auch viele muslimische Frauen in Deutschland. Sie sehen die ablehnende Haltung als Grund, weswegen die gesellschaftliche Vielfalt nicht in den Führungsebenen repräsentiert ist. Es läge nicht daran, dass ihre Männer – sollten sie sich in einer (heterosexuellen) Beziehung befinden – es ihnen verbieten. Das sagen sie selbst. Man muss ihnen nur zuhören.

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Geschrieben von

Marisa Janson

Ökonomin, Anti-Rassistin, Feministin & Journalistin. @asiramsa

Marisa Janson

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