Die Frage nach dem Zinn

Korrekt Wie sauber ist das neue Fairphone? Und was machen Konkurrenten wie das deutsche Shiftphone?
Ausgabe 48/2015

Wie schon beim Vorgängermodell wollte man bei Fairphone ein Mobiltelefon auf sozial- und umweltverträgliche Weise produzieren. Die erste Baureihe des niederländischen Unternehmens überzeugte 60.000 Kunden, etwa die Hälfte allein aus Deutschland. Sie bekamen zwar kein absolut faires, aber ein „faireres“ Smartphone. Mit Zinn und Tantal waren zwei der vier Mineralien, deren Abbau und Handel indirekt Bürgerkriege finanzieren – die beiden anderen sind Wolfram und Gold –, aus konfliktfreiem Abbau. Zudem installierte man in der Fertigungsanlage des chinesischen Herstellers A’Hong einen sogenannten Worker Welfare Fund, einen Fonds für die Arbeiter. Wofür die Gelder ausgegeben werden, für Bonuszahlungen, Weiterbildungsmaßnahmen oder finanzielle Absicherung, konnten die Arbeiter selbst entscheiden.

Was kann das Fairphone 2, das nun auf dem Markt erhältlich ist, und ist es tatsächlich fairer als sein Vorgänger? Mangels Kapital kaufte Fairphone für das erste Telefon ein lizenziertes Design, den Nachfolger entwickelte man komplett selbst. Fairphone konnte die verbauten Bestandteile und die dahinterstehenden Lieferketten auswählen. Mit dem modularen Aufbau will Fairphone außerdem das Reparieren erleichtern. Geht zum Beispiel der Bildschirm oder die Kamera kaputt, lassen sich die Bestandteile einfach mittels eines kleinen Schraubenziehers austauschen. Das allerdings ist nicht einzigartig. Auch die Entwickler von Seeed wollen mit ihrem RePhone ein modulares Smartphone herausbringen – sogar Open Source. Ähnliches planen die Macher von Phonebloks, und Google mischt mit Project Ara mit.

Die Produktionsbedingungen des Fairphone 2 ähneln denen des Vorgängers. Von den vier Konfliktmaterialien werden auch bei der neuen Generation Gold und Wolfram aus nicht gesicherter Herkunft bezogen (Gold nur zum Teil schon aus akzeptablen Quellen). Zu schwierig sei es, die komplexen Lieferketten zu überblicken. Zwar könne man die kritischen Mineralien auch einfach aus Australien beziehen, aber Fairphone will eine saubere Lieferkette etablieren. Während das erste Smartphone knapp über 300 Euro kostete, sind es beim Nachfolger mehr als 500. Dennoch haben schon rund 20.000 Menschen das Handy bestellt. Damit konnten sich die Niederländer in einer Nische etablieren. Und dort bekamen sie kürzlich Konkurrenz aus Deutschland: das Shiftphone.

Das kleine Unternehmen Shift aus der Nähe von Frankfurt am Main war Eingeweihten bereits bekannt für seine günstigen Preise bei fairer Elektronik. Je nach technischer Ausstattung variieren sie beim Shiftphone, sie liegen in etwa bei der Hälfte der Kosten für ein neues Fairphone. Trotzdem sollen die Shiftphones fair sein, auf Konfliktmineralien verzichtet Shift nach eigenen Angaben komplett. Das ist auch durchaus möglich. Kondensatoren zum Beispiel, die üblicherweise Tantal enthalten, lassen sich auch mit Alternativmaterialien herstellen. Allerdings haben Mineralien materialtechnische Vorteile. Die Rohstoffe einfach zu ersetzen oder aus anderen Ländern zu importieren, ändere langfristig nichts, heißt es bei Fairphone. Bei Shift bekommen die Fabrikarbeiter höheren Lohn, es mangelt aber an Transparenz. Da Shift erst kürzlich seine zweite Crowdfundingkampagne beendet hat und mit der Herstellung von Nachfolgemodellen beschäftigt ist, ließe sich das zurzeit noch mit mangelnden Ressourcen entschuldigen.

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Geschrieben von

Marius Hasenheit

Arbeitet für Ecologic Institute & seebohm.berlin. Schreibt hauptsächlich für transform Magazin. @MariusHasenheit

Marius Hasenheit

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