45 Euro für die Kanzlerin

Netzgeschichten Twitter und andere Onlinedienste überziehen die moderne Welt mit mehr oder weniger sinnvoller Kommunikation

Lebst du noch oder twitterst du schon? Wehe dem, der noch nicht den Mikro-Blogging-Dienst nutzt. Dem könnte etwa entgangen sein, dass Twitter-Mitbegründer Evan Williams Vater geworden ist. Mit dem Einsetzen der ersten Wehen informierte seine Frau per Twitter-Feed über die bevorstehende Niederkunft. Ihr letzter Eintrag: „Periduralanästhesie – immer her damit“. Dann twitterte ihr Mann tapfer weiter und verkündete nach einigen Stunden die Geburt „eines perfekten, kleinen Jungen, 3,6 Kilo schwer und 53 Zentimeter lang“.

Seifenopern können wir auch, dachte sich da wohl das renommierte Londoner Royal Opera House und gab für Anfang September die Uraufführung der weltweit ersten Twitter-Oper bekannt. Das Libretto stammt von Bloggern, die ihre Erzählbausteine nach England schicken. Auf der Website des Opernhauses ist der aktuelle Stand des Plots nachzulesen. Demnach wird der Held William von einer Gruppe Vögel entführt, weil er einen der ihren umgebracht haben soll. Wohl ein Missverständnis. Gut, dass eine Frau einen Zaubertrank mixt, der Menschen die Sprache der Vögel sprechen lässt. Selbst die Opernleitung hält die Story für „etwas verrückt“. Die Demokratisierung der Kunst hat eben ihre Tücken.

Gibt es eigentlich noch Leute, die ihre Avatare in Paralleluniversen wie Second Life schicken und dort Sprachkurse bei virtuellen Außenposten des Goethe-Instituts belegen? Ja. Laut einer neuen Studie sind die Mitgliederzahlen in Online-Welten im zweiten Quartal des Jahres um 39 Prozent gestiegen.

Von solchen Zuwächsen kann My­space, Veteran unter den sozialen Netzwerken, nur träumen. Längst hat ihm Konkurrent Facebook den Rang abgelaufen. Auch bei der sozialen Zusammensetzung seiner Nutzer hat Myspace das Nachsehen. Eine US-amerikanische Ethnographin fand heraus, dass sich Myspace Schritt für Schritt zum Treff von Unterprivilegierten entwickle, während Facebook mehr wohlhabende Akademiker anziehe.

Immerhin hält sich Ebay, der andere Netz-Dinosaurier, wacker. Auch dank des einen oder anderen Skandälchens, welches das Auktionshaus regelmäßig ins Bewusstsein zurückruft. Jüngst bot das „Zentrum für Politische Schönheit“, ein Projekt des Aktionskünstlers Philipp Ruch, Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier zum Kauf an. Zustand: „gebraucht, visionslos, antriebslos und uninspirierend“. Inzwischen wurde die Auktion gestoppt – bei einem Höchstgebot von 45 Euro für die Kanzlerin und viereinhalb Euro für ihren Herausforderer.

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