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Alltagskommentar Am Mount Everest war dieser Tage Stau: 39 Expeditionen mit 600 Abenteurern strebten zum Gipfel – obwohl man dabei sterben kann. Aber was kommt nach dem obersten Oben?
Im Mai 2010 sammelte ein Sherpa auf 8.000 Metern Müll auf. 2012 hat er besonders viel zu tun
Im Mai 2010 sammelte ein Sherpa auf 8.000 Metern Müll auf. 2012 hat er besonders viel zu tun

Foto: Namgyal Sherpa/ AFP

Vor knapp zwei Wochen endete die Expeditionssaison auf dem Mount Everest. 150 Bergsteiger erreichten am letzten Tag den Gipfel. Und was macht man, wenn man auf dem höchsten Berg der Welt in 8.848 Metern Höhe steht? Man holt sein Handy raus und ruft zu Hause an. Fast scheint es, der Mount Everest sei ein­gereiht in domestizierte Erhebungen wie das Matterhorn, der Pfänder oder der Kreuzberg. Aber auf dem Everest kann man sterben. Das finden immer mehr Leute extrem gut.

Mitte Mai, als Ralf Dujmovits ein paar Hundert Meter unterhalb des Gipfels das schneebedeckte Massiv überblickte, traute er seinen Augen nicht. 39 Expeditionen mit rund 600 Abenteurern drängelten sich den Anstieg hoch. Stau. Die Bilder, die er davon machte, gingen um die Welt. Er, der als erster Deutscher alle 14 Achttausender bezwungen hat, wollte den Everest erstmals "oben ohne", wie er in sein Blog schreibt, also ohne Sauerstoffmaske besteigen. Doch dann, auf rund 7.900 Metern, fühlte er sich zu erschöpft für das Gipfelfinale.

Beim Abstieg begegnete er Hobbykletterern, die weder das Können noch den Körper für eine solche Tour mitbrachten. Die meisten Everest-Touristen, erzählte Dujmovits dem Guardian, würden schon vom Basislager weg mit Sauerstoff versorgt, weil sie es anders nicht schafften. Jahrzehntelang habe die Bergsteigerregel gegolten, Sauerstoff erst ab 8.000 Metern. Ein solchermaßen Gedopter schleppte sogar sein Fahrrad zum Gipfel hoch, denn das sei schon immer sein Traum gewesen.

Natürlich sind wieder etliche Menschen gestorben in den letzten Tagen der Saison: an den Folgen der Höhenkrankheit oder weil sie allein durch das lange Im-Stau-Stehen völlig ausgekühlt waren. Einer der Toten ist ein 61-jähriger Arzt aus Aachen. Er war mit der "Eco Everest Expedition" unterwegs, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Müll der anderen einzusammeln. Ein seltenes soziales Projekt unter den unzähligen Egotrips, bei denen die einheimischen Sherpas den europäischen "Sahibs" das Gepäck schleppen.

Mehr als 30.000 Euro lassen sich die Ex­tremtouristen diese Lektion in Lebensgefahr kosten. Der Reiseforscher Hasso Spode hat dafür einen Fach­begriff erfunden: "Narko-Kapitalismus". Dieser beschreibt das drogenähnliche Adrenalingewitter, das Gutverdiener beim Kraxeln auf den Mount Everest suchen. Doch den Entgrenzungs­hungrigen gehen die Superlative aus. Es gibt U-Boot-Expeditionen zum Wrack der Titanic und Shuttle-Ausflüge ins Weltall. Was kommt nach dem obersten Oben und dem untersten Unten?

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