Bis der Kaiser endlich Ja sagt

Eventkritik In Hechingen trafen sich Monarchisten zu einer Tagung, um der Demokratie die Krone aufzusetzen und eine konservative Revolution anzuzetteln. Besonders nobel ging es dabei nicht zu

So sehen also Monarchisten aus. Die Alten sind rüstige Rentner mit Pullunder und Krawatte, essen Schwarzbrot und stehen früh auf. Die Mittelalten haben Mittelstandsbäuche und rote Adern im Gesicht. Und die Jungen sind käsig vom vielen Bücherlesen. Verpickelte und verdruckste Stubenhocker die einen, nassforsche Burschenschaftler-Burschen die anderen. Die Monarchisten sehen aus wie viele, aber sie wollen nur das eine: ihren Kaiser zurück. Der soll Deutschland wieder Glanz verleihen in der Welt und die Nation nach innen einen. Bloß: Das will außer ihnen keiner – nicht einmal der Kaiser selbst. Die Monarchisten sind nicht zu beneiden.

Ihr Kandidat heißt Georg Friedrich Prinz von Preußen und ist 33 Jahre alt. Er ist der Ur-Urenkel von Wilhelm II. und seit dem Tod seines Vaters Louis Ferdinand von Preußen Chef des Hauses Hohenzollern. Er macht zur Zeit seinen Master an der Universität in Frankfurt/Oder und denkt überhaupt nicht daran, sich eine Krone aufzusetzen. Die Monarchisten nehmen das zähneknirschend zur Kenntnis. Die Monarchie, sagen sie, muss von unten kommen. Wenn das Volk will, wird der Kaiser schon auch wollen. Aber erst einmal müssen sie sich untereinander einig werden. Deswegen sind sie in Hechingen zusammengekommen, zum „2. Monarchieforum“. Das Motto: „Heute wiederentdecken und bewahren, was morgen gebraucht wird“.

Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Über dem kleinen süddeutschen Städtchen unweit von Tübingen thront die Burg Hohenzollern, Stammsitz der preußischen Linie des Fürstengeschlechts. Dessen schwäbischer Ast residiert in Sigmaringen, eine knappe Autostunde entfernt, in einem Schloss. Dorthin war Ende des Zweiten Weltkriegs das hitlertreue Vichy-Regime geflüchtet. Doch mit den Schwaben haben die Monarchisten nichts zu tun. Sie stehen im Burghof und recken die Köpfe hoch zu den vier Türmen. Wenn der Preußenadler gehisst ist, ist der Prinz da. Keine Fahne in Sicht – niemand zuhause. Der Prinz hätte seine Getreuen ohnehin nicht empfangen.

Wir haben nur den Beckenbauer

Dafür ist ein Team vom NDR gekommen. Die Augen von Thomas Gross flackern nervös. Gross, Mitte vierzig, ist Pressesprecher der Monarchisten. Er macht den Job mehr ehrenamtlich und kommt selbst aus einem christlichen Kontext. Die Presse stemple sie meistens als rechtsradikale und republikfeindliche Spinner ab, sagt er. Da sei Vorsicht geboten. Die Hamburger Fernsehmenschen wollen vor allem Freaks mit König-Ludwig-Bärten sehen – und sind sichtlich enttäuscht, als ihnen das versprengte Grüppchen von zwanzig, dreißig Durchschnittsgesichtern gegenübertritt. Der immergleichen Frage folgen die immergleichen Antworten. Warum ein Monarch? Weil er das Land besser repräsentieren kann als der Bundespräsident und billiger ist; weil er von Geburt an auf sein Amt vorbereitet wird; weil er von niemandem gewählt wird und über dem Parteiengezänk steht; weil er finanziell unabhängig ist und dadurch unbestechlich. Man hätte genauso gut „Monarchie in Germany“ von den Prinzen abspielen können: „Holland hat die Beatrix /Doch wir Deutschen haben nix / Selbst die Japaner sind da schlauer / Wir haben nur den Beckenbauer.“

Aber dann weicht doch einer von der verabredeten Rhetorik ab, ein Mediziner, einer von den Mittelalten. Er wettert gegen „Unpünktlichkeit“, „Sozialschmarotzer“ und „Abtreibungsbefürworter“. Die heutige Jugend habe nur noch Idole, aber keine Ideale mehr. Die NDR-Reporter schnalzen mit der Zunge, endlich mal eine klare Ansage. Pressesprecher Gross kriegt davon nichts mit. Er ist schon in der „Burgschänke“. Mittagspause.

Nachhilfeunterricht in Geschichte

Von einer monarchistischen Bewegung zu sprechen, wäre eine Übertreibung Ein paar hundert aktive Anhänger werden es wohl bundesweit sein. Sie sind in viele kleine Gruppierungen zersplittert. Die Hardcore-Traditionalisten, die seit der Abdankung Kaiser Wilhelms 1917 keine Zeitung mehr gelesen haben, sind im Verein „Tradition und Leben“ alt und grau geworden. Henning von Normann, Initiator des Forums und einer der wenigen echten Blaublüter, hat sich vor zwei Jahren davon abgespalten und die „Deutsche Monarchistische Gesellschaft“ gegründet. Sie versteht sich als Dachverband und Wegbereiter einer künftigen konstitutionellen Monarchie in Deutschland. Die „Kaisertreue Jugend“ ist ihr schon beigetreten. In ihr hat sich der Nachwuchs organisiert. Als „Kronjuwel“ oder „Hofmeister“ geben sie sich im Webforum gegenseitig Geschichtsunterricht. Aus dem Militaristen Wilhelm II. wird der Friedensstifter und mögliche Hitler-Verhinderer, aus dem Stauffenberg-Attentat eine moralische Handlung des Monarchismus.

Wie tief der Zweifel der Monarchisten an Wertepluralismus und sitzt, zeigt der theoretische Teil der Veranstaltung. Runter vom Berg, rein in die Stadthalle von Hechingen. Das Fernsehen sei weg, sagt Herr Gross, nun sei man wieder ganz unter sich. Zumindest fast, signalisiert sein Zwinkern in Richtung des Reporters. Den Freitag kennt hier keiner. Es wird ungemütlich.

Keime einer konservativen Revolution

Prof. Julius Schoeps, Vorsitzender der „Gesellschaft für Geistesgeschichte“ in Potsdam, referiert über das Preußentum, das innere wie das äußere. Er ist der Sohn von Hans-Joachim Schoeps, einer Ikone der Anti-68er. Die 68er sind für die Anwesenden ein rotes Tuch, Sinnbild für einen rapiden Werte-Niedergang, der bei der Französischen Revolution seinen Ausgang nahm. Schoeps jun. preist die preußischen Tugenden als Universalwerte, die preußische Verwaltung als unbestechlich und perfekt im Gegensatz zur heutigen Bürokratie mit ihrer „Selbstbedienungsmentalität“. Immerhin räumt er ein, dass die Militarisierung des zivilen Lebens in Preußen dem Weltkrieg und den Nazis den Boden bereitet habe. Das sehen hier nicht alle so.

Dann tritt Günther G.A. Märklein auf, Direktor des Bismarck-Museums in Jever. Er fordert eine „Regeneration der Geschichtskenntnis“ und eine „Rückkehr zu einem Menschenbild, wie es ist und nicht wie es sein soll“. Märklein ist gegen vieles: Gegen die Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen, gegen eine „staatenlose Weltgemeinschaft“, gegen die Ostpolitik der SPD, gegen den „Einheitsbrei eines Coca-Cola- und-McDonald‘s-Paradieses“. Die Stimmung im Saal wird schwitzig und johlend, aus überwiegend freundlichen und friedlichen Zeitgenossen sind polternde Eiferer einer neuen konservativen Revolution geworden. An die jungen Monarchisten gerichtet, sagt Märklein: „Das sind Keime, die ich hier reinschmeiße, auf dass sie irgendwann aufgehen.“ Thomas Gross schaut noch einmal rüber, fast entschuldigend, dann beginnt auch er zu klatschen, laut und lärmend, als hätte der Kaiser endlich Ja gesagt.

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