Burkhard Mathiak ist ein gefragter Mann. Er gibt Interviews und Pressekonferenzen, klebt an seinem Handy und fährt viele Autobahnkilometer. Alle wollen von ihm wissen, was bei Fortuna Köln los ist. Der Fußballklub aus dem Süden Kölns spielte 26 Jahre lang in der Zweiten Liga. Doch das ist lange her. Von dem stolzen Traditionsverein ist nicht mehr viel übriggeblieben. Drei Insolvenzen stürzten ihn nach und nach in die Tiefebenen des Amateurfußballs. Und nun plötzlich so viel Aufregung um einen Oberligisten, der eigentlich schon mausetot war? „Wir haben den Nerv der Zeit getroffen“, sagt Mathiak stolz.
Der Nerv heißt: Mitbestimmung. Mathiak und sein Kompagnon Dirk Daniel Stoeveken haben dafür einen anderen Namen, der das gleic
das gleiche meint: Deinfußballclub.de. Auf dieser Internetplattform können sich User registrieren lassen, einloggen und Vereinspolitik betreiben. Die Idee und der Aufbau der Seite erinnert an populäre Fußballmanager-Spiele wie Comunio oder Hattrick, bei denen virtuelle Zocker Spieler kaufen, Mannschaften aufstellen und Taktiken festlegen können. Die Online-Community von Deinfußballclub.de macht das auch, nur mit einem entscheidenden Unterschied: sie macht das mit einem echten Club, mit Fortuna Köln, dem derzeitigen Tabellenzehnten der Oberliga Nordrhein-Westfalen. 39,90 Euro im Jahr kostet der Managerjob. Das ist billiger als eine Fortuna-Vereinsmitgliedschaft oder ein Fußball-Abo beim Bezahlsender Premiere.Die Herrenmannschaft wird zur KapitalgesellschaftDas Projekt wurde schon im Mai 2008 vorgestellt. Der Filmemacher Sönke Wortmann gab ihm sein Gesicht und sorgte für die nötige Medienöffentlichkeit. 30.000 Registrierungen innerhalb eines Jahres waren das Ziel, bis heute sind es knapp 11.000 geworden. Trotzdem entschlossen sich die Macher im Februar, die Sache durchzuziehen. Der Spielbetrieb der ersten Herrenmannschaft der Kölner wurde in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert, die Deinfussballclub.de DFC GmbH. Sie hält nun 49 Prozent am Verein, denn mehr lässt das Verbandsrecht des DFB nicht zu. Geschäftsführer des neuen Kicker-Konsortiums sind Fortuna-Präsident Klaus Ulonska und Mitinitiator Stoeveken. Sie teilen sich fortan die Macht mit einem Haufen von Hobbystrategen zuhause am Computer. „Die können nun beweisen, dass sie genauso gut sind oder sogar noch besser als die professionellen Manager anderer Vereine.““, sagt Pressesprecher Mathiak.Die rheinische Fußball-Demokratie ist allerdings nicht ganz neu. Sie kopiert ein Modell in England. Dort vereinnahmen seit längerem russische Oligarchen, arabische Ölmagnaten und amerikanische Finanzinvestoren den Klubfussball und entfremden ihn mehr und mehr von den Fans. Eine Antwort darauf ist Myfootballclub.co.uk. Die mittlerweile rund 29.000 Mitglieder starke Online-Community übernahm im Januar 2008 den Fünftligisten Ebbsfleet United im Nordosten Londons zu 75 Prozent. Sie war einer der ersten konkreten Ausläufer einer Fußballbewegung, die seit Anfang der neunziger Jahre mit der Parole „Reclaim the Game!“ gegen den kommerziellen Ausverkauf des Volkssports und für mehr Demokratie kämpft. Der Fußball soll wieder dahin zurückkehren, wo er ihrer Meinung nach hingehört: zu den Fans. Weg von den Logen, hin zu den Stehplätzen.Ausgerechnet Fortuna KölnDass die Wahl in Deutschland ausgerechnet auf Fortuna Köln fiel, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Wie kaum ein anderer Club wurden die Domstädter 34 Jahre lang streng patriarchalisch geführt. Jean „Schäng“ Löring, bis 2001 Präsident, war der Verein - und er war vergöttert und verhasst. Er feuerte Trainer in der Halbzeitpause und setzte sich selbst auf die Trainerbank. Er zahlte Fans nach schlechten Spielen persönlich das Eintrittsgeld zurück und steckte sein gesamtes Vermögen in die Fortuna. Als seine Firma pleite war, war es der Verein auch. Heute geht Ulonska, sein Nachfolger, vor jeder Partie mit dem Klingelbeutel durch die Zuschauerreihen und bittet um Spenden für die Jugendabteilung.Geschätzte 300.000 Euro fließen durch die freundliche Übernahme der Fans in die Klubkasse. Davon soll das marode Stadion saniert und neues Personal für die Rückkehr ins Profigeschäft angeheuert werden. Denn: „Die Leute wollen lieber einen Drittligisten managen als einen Verein aus der Oberliga“, sagt Mathiak. Ausbleibender Erfolg vergrätzt auf Dauer die Aktionäre. Das ist auf dem Fußballplatz nicht anders als bei den Dax-Unternehmen.Als die Fortuna zu Beginn der Saison im Pokal gegen einen Landesligisten ausschied und im nächsten Pflichtspiel einen Drei-Tore-Vorsprung verspielte, bekam der Trainer das neue Selbstbewusstsein der Fans zu spüren. Seither diskutiert er immer zwei Stunden vor dem Spiel im Live-Cat mit seinen „Co-Trainern“ über die Aufstellung. Wer letztlich auf dem Platz steht, bestimmt er aber selbst.Das basisdemokratische Modell scheint bisher zu funktionieren. Die Online-Manager erwiesen sich bislang meist als seriöse Vereinslenker. Zwei Spielerverpflichtungen wurden abgesegnet, über ein spezielles Scouting-Modul auf der Webseite können neue Akteure vorgeschlagen werden – für Mathiak „ein Riesenwettbewerbsvorteil gegenüber den Amateurkonkurrenten“.Der Ersatzkeeper darf auch mal ins TorAls es um die Frage ging, ob die Spieler Autogrammkarten bekommen sollten, winkte die Community ab: Frühestens ab der Regionalliga. Auch das Maskottchen-Problem wurde im Netzwerk gelöst. Ein User aus Mexiko stellte den Kontakt zu Studenten der Kölner Hochschule für Kunstdesign her, die nun eine stilisierte Glücksgöttin Fortuna entwerfen und zur Abstimmung stellen. Beim letzten Spiel der Saison – am 1. Juni gegen Germania Dattenfeld – steht auf kollektiven Wunsch der Ersatzkeeper im Tor. Der Trainer gab schon sein Einverständnis. Es geht um nichts mehr, der Klassenerhalt ist längst geschafft.Dass es aber auch bei der Kölner Fußballutopie ums Geldverdienen geht, bestreitet Pressesprecher Mathiak nicht. 9,95 Euro von jedem Jahresbeitrag fließen in die Deinfussballclub.de DFC GmbH. Die Webseite ist ein blinkendes Meer aus Werbebannern und Sponsorenlogos, auf Sport1.de, dem größten deutschen Online-Sportportal, hat die Manager-Gemeinschaft einen eigenen Channel. Und die Verhandlungen mit einem Hamburger Trikotausrüster, der für einen gewissen Coolness-Faktor steht, sind kurz vor dem Abschluss. Ein bisschen viel Kommerz und Medienhype für eine anvisierte Rückkehr zu den Wurzeln des Spiels? „Ich sehe darin bisher nur Vorteile für unser Projekt“, sagt Mathiak. Aber: „Wir suchen noch unseren Weg.“