Die italienische Fluggesellschaft Alitalia hat vor Kurzem in einer Nacht- und Nebelaktion eines ihrer Flugzeuge umlackiert, das von der Landebahn abgekommen war. Sie wollte damit „negative Publicity“ vermeiden, wie ein Sprecher sagte, „ein normales Vorgehen“. Das stimmt natürlich. Wenn Fluggäste den Namen Alitalia mit dem verunglückten Flieger in Verbindung gebracht hätten, würden sie womöglich bei ihrer nächsten Reise nach Rom über einen Wechsel der Airline nachdenken.
Flugreisende mögen Punktlandung. Es musste gehandelt werden. Die Maler von Alitalia überpinselten die Propellermaschine mit weißer Farbe. Nicht einmal die Fenster ließen sie aus. Doch leider wurden sie nicht fertig. War es die Morgendämmerung? Konnten sie auf die Schnelle keinen anderen Farbton auftreiben? Komplett wäre ihr Werk nämlich erst gewesen, wenn den neutralen weißen Grund anschließend ein neuer Schriftzug geziert hätte. Der von der Lufthansa zum Beispiel, der von Carpatair oder von Real Madrid.
Warum nicht eine Ausgrabung
Trotzdem: Diese Aktion sollte Schule machen. Weniger Ehrlichkeit, mehr Etikettenschwindel! Wir könnten uns dann gegenseitig viel besser leiden. Nehmen wir Stuttgart 21, das Riesenloch mitten in einer Stadt, die von ihrer Topografie her sowieso schon ein einziger Krater ist. Alle streiten miteinander, alle hassen sich. Sogar die Bundesregierung hat keine Lust mehr auf den neuen Bahnhof. Die Lösung, bei der alle ihr Gesicht wahren könnten: Man etikettiert die Baustelle einfach um in eine archäologische Ausgrabungsstätte. Dann ist man bei der Buddelei eben auf etwas gestoßen. Natürlich nicht nur auf ein paar Knochen von einem verblichenen Hohenzollernprinzen, sondern auf etwas richtig Großes, eine unterirdische Stadt. Das schwäbische Pompeji! Und weil es ja vor allem der Ärger ist, der die Erinnerung wach hält, würde eines Tages Gras über die Grube wachsen. Park oder Pompeji, wen juckt das?
Das Alitalia-Verfahren hat das Zeug zum Erfolgsmodell. Auch die Kontroversen um andere Bauruinen der Gegenwart könnten auf diese Weise leichter befriedet werden. Aus der Elbphilharmonie in Hamburg wird dank umfänglicher Malerarbeiten über Nacht ein Containerterminal. Der Hafen boomt und braucht Platz, die Hamburger wissen und verstehen das. Wer zahlt, bestellt die Musik, so war das dort immer. Und in Berlin machen wir aus dem neuen Flughafen einfach (noch) einen alten. Der wird dann umgenutzt, da ist Berlin flexibel. Inzwischen könnte man dort verrückte Sachen veranstalten. Karneval à la Venedig. Dolce Vita.
Das Leben ist eine Baustelle.
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