Der Rittmeister und die Zofe

Krawallmacher Sarkozy Die Deutschen hatten früher mehr Glück mit ihren Präsidenten in Paris

Man kann es auch so sehen: Nicolas Sarkozy, dieser neue "Monsieur 100.000 Volt" von der Seine, bringt ein bisschen Leben in die großkoalitionäre Trübsal von Berlin. Gestern Steinbrück anstänkern und die Europäische Zentralbank, heute vom Krieg gegen den Iran schwafeln, morgen vielleicht europaweit Abschiebequoten für Ausländer ohne Papiere verordnen. Funktioniert schließlich auch in Frankreich, kann nur gut sein für die anderen.

Der Aktivismus des klein gewachsenen Staatspräsidenten lässt deutsche Christ- und Sozialdemokraten in außen- wie wirtschaftspolitischen Grundfragen wieder mehr zueinander rücken. So lässt sich das auch deuten, doch haben die Turbulenzen im deutsch-französischen Verhältnis, wie sie beim Tatsch-und-Küsschen-Gipfel von Meseberg an der Oberhavel offenbar wurden, eben auch einen politisch realen Kurswechsel in Paris als Hintergrund: Von einem am Ende freundlich belanglosen Jacques Chirac zu einem klar rechtspopulistischen Nachfolger.

Sarkozy ist von Merkel genervt und Merkel von Sarkozy. Das ist die Bilanz nach einem EU- und einem G 8-Gipfel, nach bilateralen Treffen mit dem hibbeligen Franzosen und diversen Regieanweisungen aus dem Elysée-Palast für die "Frau aus dem Osten mit all ihren Qualitäten" (will heißen: ein bisschen hausbacken, aber eine nicht uninteressante Neuerung). Die Rheinische Post, weiterhin Siegelbewahrerin der westdeutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg, meldete es als erste: In Meseburg habe es gekracht. Endgültig vorbei und passé die Zeiten der Altmänner-Verständigung des Rosenschneiders Adenauer und des Panzergenerals de Gaulle.

Nicolas Sarkozy, Duzfreund französischer Großindustrieller, der mit Attacken gegen die finanzpolitische Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank der Linken gefällt, aber von Wirtschaftslehrern belächelt wird; der angeblich den Deutschen eine Teilhabe an der französischen Atomstreitmacht anbot und sich von Außenminister Steinmeier erklären lassen musste, dass die Deutschen den einen oder anderen internationalen Vertrag unterschrieben haben, der den Besitz von Nuklearwaffen verbietet - dieser Mann ist ahnungslos, arrogant und zugleich mimosenhaft eitel. Die Deutschen hatten schon einmal mehr Glück mit ihren Präsidenten in Paris.

Andererseits sind die bilateralen Bande nicht mehr derart wichtige Stützpfeiler für die Konstruktion der EU wie noch in den achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre, aber sie bleiben vorerst entscheidend für deren Zusammenhalt. Bei mittlerweile 27 Mitgliedsstaaten - großen und schwierigen wie Polen, dazu kleinen, immer rebellischen wie Dänemark - ist die Toleranz für ein deutsch-französisches Prokonsulat à la Mitterrand und Kohl denkbar gering. Aber Deutschland und Frankreich können noch immer - auf den ersten Blick unabgesprochen und scheinbar unabhängig voneinander - Grundsatzentscheidungen der Union in ihrem Sinne beeinflussen. Freilich ist das mit Nicolas Sarkozy derzeit schwierig.

Die 100 Tage im Amt sind vorbei, und Frankreichs Staatspräsident kann vom Schwadronieren auf der internationalen Bühne nicht lassen. Wie ein Rittmeister im 19. Jahrhundert führt er seine kleine Kavallerie an "Jasagern und Hofschranzen" (Originalton Ex-Premier Dominique de Villepin) über die Felder und rühmt seine Entscheidungsfreude, prahlt mit seiner angeblichen Durchsetzungskraft.

In Berliner Regierungskreisen spricht man von der Sturm-und-Drang-Phase eines pubertierenden Staatschefs. Man konnte das schon öfter erleben. Jacques Chirac zum Beispiel wollte 1995, in seinem ersten Amtsjahr, gleichfalls den starken Mann markieren und auf die Pauke hauen, als französische Sfor-Soldaten in Bosnien mit Handschellen an Lampenmasten gekettet waren. Chirac ebnete damals mit seiner Entscheidung für eine "robuste Antwort" den Weg der EU in den Balkan-Krieg. Sarkozy schwebt heute gegen den Iran wohl Ähnliches vor.


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