Es soll das größte Projekt in der Geschichte der militärischen Luftfahrt werden: Die Baronesse Symons of Vernham Dean, Staatssekretärin im britischen Verteidigungsministerium, und ihr US-Kollege Rudy de Leon unterschrieben wenige Tage vor dem Ende der Clinton-Ära noch ein Rüstungsabkommen, das den Bau des Kampfflugzeugs Joint Strike Fighter (JSF) besiegelt. 6.000 Stück davon wollen die Rüstungsmanager auf beiden Seiten des Atlantiks einmal weltweit verkaufen. Geschätzter Auftragswert: 400 Milliarden Dollar. Dass das JSF-Programm den US-Kongress und die neue Bush-Administration passieren wird, steht außer Zweifel.
Die Zeichen stehen auf Rüstung - in den USA wie in Europa. Aufträge über 34 Milliarden Francs hat allein Frankreichs Regierung vergangenen Dezember an Rüstungsunternehmen verteilt. Angetrieben von der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU, deren Fortschritte der Hohe Beauftragte Javier Solana nach außen rühmt (wie jüngst gerade in Wien), aber intern kritisiert (wie vergangene Woche in Brüssel), haben sich in Europa innerhalb nur eines halben Jahres drei große Luft- und Raumfahrtkonzerne gebildet: die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) im Juli 2000, Thales (vormals Thomson-CSF) vergangenen Dezember und zuvor bereits BAe Systems, die British Aerospace. Die Konzentration der Rüstungsindustrie erlaubt, was den einschlägigen Unternehmen bisher nicht so wie erwünscht garantiert war: Sie können in erheblichem Umfang staatliche Aufträge akquirieren und bleiben bei Stornierungen ohne größeren Schaden, denn mit einem Mal ist die Produktskala äußerst breit. EADS - ein Zusammenschluss der deutschen DASA, von Aerospatiale-Matra und der spanischen CASA - bestreitet den wesentlichen Teil ihres Umsatzes mit den Airbus-Maschinen, wird aber nun auch mit dem Bau des Eurofighters beginnen (Stückpreis bislang 135 Millionen DM). Thales ist einer der weltgrößten Hersteller von Raketen, Gefechtselektronik und Satelliten, BAe wiederum produziert alles - Flugzeuge wie Verteidigungssysteme.
"Die Kosovo-Erfahrung hat sicher eine wichtige Rolle gespielt", resümiert EADS-Sprecher Rainer Ohler, "erstmals entsteht nun ein europäischer Verteidigungsmarkt". Die Mängel beim Transport, der Kommunikation und der Aufklärung während des NATO-Luftkrieges gegen Jugoslawien waren dabei der eine Faktor, der heute die Auftragsbücher der Luftfahrtkonzerne anschwellen lässt. Die Entscheidung der EU, bis 2002 mit 60.000 Soldaten interventionsfähig zu sein, der andere.
Organisation Conjointe de Coopération en Matière d'Armement - OCAAR
Dieser Verbund entstand am 12. November 1996 mit der Unterzeichnung einer Vereinbarung über "quadrilaterale Rüstungskooperation" durch die Verteidigungsminister Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Großbritanniens. Nach dem Ratifizierungsverfahren trat der Vertrag am 28. Januar 2001 in Kraft. Vordem bereits hatte sich die OCAAR-Zentrale in Bonn etabliert (sog. "OCAAR-Programmbüros" werden außerdem in Paris, Koblenz und ebenfalls in Bonn betrieben) und koordiniert eine Reihe von Kooperationsprogrammen - bezogen auf die Panzerabwehrsysteme HOT/MILAN, das Flugabwehrsystem ROLAND, den Unterstützungshubschrauber TIGER und das Artillerieortungsradargerät COBRA. Das Vorhaben des künftigen Transportflugzeuges A400M soll zu gegebener Zeit auch unter OCAAR-Patronat gestellt werden. OCAAR ist offen für den Beitritt anderer EU-Staaten. Während ein Beitrittsgesuch der Niederlande bereits vorliegt, haben Belgien und Spanien deutliches Interesse signalisiert.
So beteiligen sich beispielsweise acht EU-Staaten an den Kosten für die Herstellung des neuen Transportflugzeugs A400M (s. OCAAR) der Airbus Military Company, einer Airbus-Tochter der EADS. 300 dieser Luftfrachter sollen ab 2007 geliefert werden. Sie sind erheblich schneller als die derzeit noch in Europa in Dienst stehenden Maschinen und transportieren dabei nahezu doppelt so viel Gewicht - 30 Tonnen. Bestimmt sind die neuen Lufttransporter für das künftige Eingreifkorps der EU.
Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union wirkt als Katalysator eines Konjunkturprogramms für Europas Spitzenunternehmen in der Rüstungsbranche, auch wenn die Konzerne eine solche Beschreibung überhaupt nicht mögen. "Wir haben bisher keine Budgetauswirkungen festgestellt", meint der EADS-Sprecher. "Aber es ist zweifellos ein langfristiger Trend zur Harmonisierung von Beschaffung und Planung erkennbar." Tatsächlich steigen die Verteidigungsausgaben in den EU-Staaten kaum, denn Europa rüstet auf, indem es seine Armee umrüstet und völlig andere Prioritäten setzt als zu Zeiten des Ost-West-Konflikts. In Deutschland beispielsweise ist der Verteidigungshaushalt 2001 gleichbleibend mit 45,5 Milliarden veranschlagt, Frankreichs Budget ist nur um ein halbes Prozent gewachsen auf umgerechnet 62,5 Milliarden DM, wobei Paris im Übergang zur Freiwilligenarmee noch fast ebenso viel für den Sold seiner Soldaten ausgibt wie für die Anschaffung neuer Ausrüstung.
Weitaus deutlicher aber als bei den anderen EU-Partnern lassen sich an Frankreichs neuen Rüstungsvorhaben - ein zweiter Flugzeugträger, zwei Kreuzer für Amphibieneinheiten - politische Motive ablesen: das Streben nach Führung innerhalb der neuen EU-Eingreiftruppe und die Suche nach Unabhängigkeit von den USA mit den Rivalen Boeing und Lockheed Martin. "Frankreich kehrt auf die Bühne zurück", freut sich Elie Cohen, Wirtschaftswissenschafter in Paris und langjähriger Beobachter der europäischen Rüstungsindustrie. Noch vor einem Jahr beklagte Cohen die "skandalösen Bedingungen", unter denen sich Aerospatiale mit der deutschen DASA zusammenschließen musste. Heute sind beide Unternehmen in der EADS, "und die Franzosen können nun selbst beim Eurofighter mitbestimmen, obwohl sie ihn nicht produzieren", meint Cohen.
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