Flug der Titanic

Airbus-Krise Die Politik gibt lediglich den Background-Chor

Das Gute an der Luftfahrtindustrie ist, dass sie jeden Morgen wie aus dem Ei gepellt antritt, vor allem wenn sie Airbus heißt und den Bekundungen ihrer PR-Abteilung zufolge die Zukunft mit Löffeln frisst. Manager, die anderthalb Milliarden Menschen im Jahr von A nach B durch die Luft bewegen und den Globus sozusagen am Drehen halten, können keine Fehler machen. Oder? Können sie?

Airbus, dieses deutsch-französische Industriemärchen aus Aluminium, schickt sich an, ein Sechstel seiner Belegschaft vor die Tore zu setzen und mit Standortverkäufen auf dem Land gleich ganze Provinzstädtchen eingehen zu lassen. Was ein rechter Airbus-Manager ist, der ordnet seine Bügelfalten und geht im lockeren Flugkapitänsgang weiter, denn Flugzeuge bauen an sich ist sauber, chic und immer noch wahnsinnig heldenhaft. "Wenn Blut auf der Straße ist, dann ist es Zeit zu kaufen", empfiehlt John Leahy, der Verkaufschef bei Airbus, im Manager-Magazin Fortune und hat schon wieder Recht.

Ende März spätestens ist der ganze Sudel von Sanierungsopfern weggespritzt und die Mega-Flugmaschine A 380 endlich weltweit gefeiert auf dem "Jungfernflug". Bis dahin hat diese fliegende Titanic nur schon sechs Milliarden Dollar an Verlusten durch Produktionsrückstände verursacht, mögliche weitere Abbestellungen und Strafgelder wegen Vertragsverletzungen noch nicht eingerechnet.

Auch der Fall Airbus stellt die sattsam bekannte Frage nach der Verantwortung von Managergewalt und Versagen in den Führungsetagen von Konzernen. Engpässe bei der Fertigung von Teilen des A 380 am Airbus-Standort Hamburg wurden nicht vorhergesehen, bei der Weitergabe von Flugzeugstücken aus französischen in die deutschen Standorte kam und kommt es zu doppelter Arbeit, weil falsch montiert wurde, die Endproduktion in Toulouse läuft so mitunter auf nur 25 Prozent ihrer Kapazität. Doch die komplizierte Fertigung der Airbus-Flieger in vier Staaten - Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien - ist schließlich politisch gewollt.

Airbus würde es so nicht geben, hätten Paris und Bonn 1970 nicht mit öffentlichen Mitteln die gemeinsame Flugzeugproduktion aus dem Boden gestampft. Die Krise des Konzerns ist deshalb ebenso eine Frage der politischen Verantwortung. Doch die Regierungen von 2007 argumentieren anders als ihre Vorgänger von 1970, und dies nicht nur, weil sie gerade im Wahlkampf stehen wie die französische oder von ständigen inneren Gegenströmungen geplagt sind wie die deutsche große Koalition. Regierungen könnten keine unternehmerischen Entscheidungen treffen, erklärte Kanzlerin Angela Merkel gerade beim deutsch-französischen Gipfel in Meseberg am Huwenow-See. Bei Airbus werde es keine direkten Entlassungen ohne Sozialplan geben, versicherte treuherzig Jacques Chirac. Das Duo von Meseberg zeigte: Airbus ist ein blank poliertes Fossil aus der westeuropäischen Gründerzeit.

Der Konzern kam ins Trudeln, als er 2006 seinen Gründerauftrag, den USA Paroli zu bieten, erfüllt hatte: Airbus überholte Boeing. Ende der sechziger Jahre war die Produktion von Verkehrsflugzeugen in Westeuropa auf zehn Prozent gefallen. Rückeroberung des Luftraums lautete damals die Devise der Gaullisten in Frankreich. Eine Nation, die keine eigenen Flugzeuge auf den Weltmarkt bringen kann, habe auch keine Mittel für eine von den USA und der Sowjetunion unabhängige Politik. Die Bundesrepublik kam mit an Bord, teils weil ihr die strategischen Überlegungen in Paris einleuchteten und die Montanunion von 1950 ein erstes gelungenes Beispiel wirtschaftlicher Integration war, teils weil sie etwas suchte, um die Franzosen wegen der Ostpolitik von Willy Brandt zu beruhigen.

Was der europäische Rüstungskonzern EADS, dem Airbus angehört, nun unter der halbstarken Formel "Power 8" als Sanierungsplan angeboten hat, begleiten Politiker in Berlin und Paris national gefärbt als Background-Chor. Bundeswirtschaftsminister Glos interessieren weniger - was er wohl als reine Erbsenzählerei sieht - Zahlen über die zu vernichtenden Arbeitsplätze, sondern "Technik" und "Kompetenz" aus dem Filet des Luftfahrtunternehmens, die in Deutschland bleiben müssten. Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy sieht das noch gelassener. Die Frage sei nicht, wie viele Arbeitsplätze nun in Frankreich verloren gehen, sondern warum nicht anderswo im Land mehr geschaffen werden. Es ist der Abschied der Politik von Airbus. Für 15 Prozent Staatsanteil bekommt man wohl nicht mehr zu hören.


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