Pirouetten in Beirut

Präsident Chirac und der Libanon Als Friedensbringer unterwegs

Im abgebrannten Laden der amerikanischen Nahostdiplomatie nimmt sich auch das museale Chirac-Frankreich noch elegant und neu aus. So dreht Außenminister Philippe Douste-Blazy nun seine Pirouetten in Beirut, ein politisches Leichtgewicht, das von der Mehrheit der Beamten im Ministerium am Quai d´Orsay nach wie vor belächelt wird, aber das unbeirrt die Leitsätze für eine Friedenslösung aufsagt: sofortige Waffenruhe, politisches Abkommen im Libanon, Entsendung einer großen UN-geführten Truppe. Es sind die Schwäche der Bush-Regierung, die Sturheit Israels und die weltweite Empörung über den neuen Libanon-Krieg, die Frankreich heute die Chance geben, eine Koalition für den Frieden aufzustellen.

Das Problem ist allerdings, dass die gallischen Krisendiplomaten auch nur auf dem Ruinenfeld rangieren können, dass die US-Regierung mit dem Irak-Krieg und durch die völlige Übernahme der israelischen Gewaltfriedensphilosophie des früheren Premiers Sharon hinterlassen hat. Im aufgeheizten, religiös überdrehten Klima in Nahost, wo der reichlich absurde Vergleich des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah mit dem einstigen ägyptischen Staatschef Gamal Abdel Nasser nun in Mode ist - einem Sozialisten und einer Galionsfigur der einstigen Idee eines säkularen Panarabismus - haben es selbst die Franzosen schwer.

Dazu kommt, dass sich Frankreich mit seinem Kopftuchverbot in der islamischen Welt exponiert hat und maßgeblich an der diplomatischen Offensive gegen den Iran und dessen Atomprogramm beteiligt ist. Weil Teheran nun aber, wenn nicht ein Drahtzieher, so doch mindestens eine fördernde Kraft des Libanon-Kriegs sein dürfte, wird die Aufgabe für Douste-Blazy und seinen Mentor Jacques Chirac erst recht kompliziert. Auf die alles entscheidende Frage, wie man mit der schiitischen Hisbollah-Miliz umgehen, und warum sie einer freundlichen Einladung zur Entwaffnung folgen sollte, hat Paris nämlich auch keine schlüssige Antwort. Bleibt also erst einmal nur die Zurschaustellung der Solidarität mit dem libanesischen Volk. Darin hat Frankreich Erfahrung - die Libanesen sind gewissermaßen Frankreichs "gute Araber". Jene, die nicht in der Banlieue wohnen und Autos anzünden, sondern die großen Geschäftsleute und die aussterbende, französisch sprechende Bourgeoisie, meist christliche Maroniten, die kulturell noch auf beiden Seiten des Mittelmeers verwurzelt sind. Den Schutzauftrag für die Christen des Orients hat sich Frankreich schon vor Jahrhunderten selbst erteilt. Als das Osmanische Reich zum Ende des I. Weltkriegs zusammenbrach, nutzte man die Gelegenheit, sich fast ein Vierteljahrhundert lang als Mandatsmacht im Libanon festzusetzen.

Einen Weltkrieg später war vom Schutzanspruch für die christlichen Libanesen nicht mehr viel übrig. Die gescheiterte Strafaktion am Suezkanal 1956 hat dann Frankreich endgültig auf das Maß einer Mittelmacht gestutzt. Und in den Jahren des libanesischen Bürgerkriegs nach 1975 hieß es oft: "Wenn das christliche Frankreich schon seine Christen verrät, was können wir Muslime dann schon erwarten?"

Den Verrat - das lange Getändel mit Syrien auf Kosten der Libanesen - hat erst Jacques Chirac wieder gut zu machen versucht. Zunehmend erbost über die hinhaltende Taktik des jungen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, der auch nach dem Ende des Bürgerkriegs weiter in den Libanon hineinregierte, war Chirac viel an jener UN-Resolution 1559 gelegen, die heute das Fundament eines Friedenskorps im Libanon sein soll - eine UN-geführte Formation, wie Paris wohl kalkuliert betont, denn die amerikanische Idee einer NATO-Truppe würde nicht nur als politisch einseitig erscheinen. Sie würde auch Israel näher an die Atlantische Allianz heranführen, als es zulässig erscheint.

Die Resolution 1559 vom September 2004 sollte den Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon erzwingen und in zweiter Linie auch die Auflösung und Entwaffnung aller Milizen im Land - vor allem der Hisbollah. Als Chiracs Duzfreund, der langjährige libanesische Premier und Milliardär Rafik Hariri, Anfang 2005 einem Mordanschlag zum Opfer fiel, sah Frankreich rot: Mit Syrien will man auch unter dem Druck des Libanon-Krieges bis auf weiteres nicht sprechen.

Deutlich anders wird seit kurzem mit Teheran verfahren - Jacques Chirac ließ seinen Außenminister die "stabilisierende Rolle des Iran in der Region" loben. Warum sollte ihm der Libanon-Konflikt nicht die Chance bieten, den Auszug aus dem Elysée-Palast mit einem außenpolitischen Achtungserfolg zu versüßen?


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