Als ich mir gegen Ende meines Studiums die Frage stellte, wie es denn so weitergeht mit mir und meiner Karriere, da konfrontierte mich ein Hochschullehrer mit einem Satz, der das Funktionieren von Netzwerken in Wissenschaft und Universität auf den Punkt brachte: „Studienstiftler berufen Studienstiftler. Man kennt sich.“
An einer Universität gibt es viele Organisationen der Elitenreproduktion. Früher waren das Verbindungen und Burschenschaften. Dieser Ort mag verschwunden sein, der Modus aber existiert noch, auch in der „Studienstiftung“. Die Aktivitäten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung oder der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung funktionieren nach gleichem Muster. Das weiß jeder, der zu den Alumni eines Begabtenf
egabtenförderungswerks gehört. Der Zugang zu Netzwerken an der Universität und in der Wissenschaft ist die Schwelle, auf der sich entscheidet, wer oder was man wird. Das ist bekannt und wäre nicht weiter schlimm.Informell miteinander sprechenDie Verteilung von Machtpositionen in Universität und Wissenschaft kennzeichnet aber eine zunehmende Informalisierung und Moralisierung der Macht innerhalb der Universität und innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen. Unter informaler Ordnung verstand der Soziologe Niklas Luhmann eine Ordnung mit „eigenen Rollen“, die in der Hierarchie nicht abbildbar ist, mit „kleineren Gruppen und Cliquen“. Die Bereiche expandieren derzeit und unterwandern die Formen akademischer Selbstverwaltung. So gibt es an vielen Universitäten Dekaninnenrunden und ein sogenanntes Professorium an den Instituten.Der Dekan, die Dekanin leitet die Fakultät, ist also innerhalb der Universität mächtig; über die Macht von Professorinnen muss ich nicht viel sagen. Jenseits der Abläufe in Senat und Fakultätsrat treffen sich die Dekane regelmäßig mit der Hochschulleitung, um informell miteinander zu sprechen. Dekaninnenrunden und Professorenrunde sind Cliquen. Sie agieren wie Clans im Klandestinen der Uni. Das erklärt ihre Effektivität.Aktivistische MoralZur Moralisierung: Sach- und Forschungsthemen werden instrumentalisiert. Sie schaffen das Terrain der Netzwerke des Guten. Sie haben unmittelbar mit der Informalisierung zu tun. Man kann sich, mit Luhmann, den Konflikt der Kolleginnen und Kollegen in gewissen Fächern als Konflikt von „Cliquen“ vorstellen, der „personal orientiert“ ist. Insbesondere in umkämpften Bereichen wie der Gender- und der Migrationsforschung wird das deutlich. Eine „Clique“ von Genderforscher*innen und Migrationsforscher*innen will ihre Vorstellung von Gender- bzw. Migrationsforschung hegemonial werden lassen.Das ist eine durchaus legitime Machtstrategie, die effektiv ist, weil sie Posten und Positionen verteilt, Zugänge zu Drittmitteln ermöglicht und die Konkurrenz, die es ja immer gibt, zumindest schwächt. Man kann an diesem Gebaren sehr gut beobachten, dass der Rückzug auf Moral letztlich nur die Frage der Macht verschleiert. Personen der anderen Fraktionen werden nämlich diskreditiert. Die Moralisierung besteht dann im Einsatz von Narrativen, wie zum Beispiel dem des Rechtspopulismus.Im Tagesspiegel war jüngst zu lesen, dass die „Einwürfe gegen Geschlechter- und Rassismusforschung den parlamentarischen Aktivitäten der AfD wenig nachstehen“. Die Kritik richtete sich gegen das umstrittene „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“. Wer Kritik aber nur als rechts politisiert, damit aber moralisiert, der diskreditiert sich selbst: als Wissenschaftler*in. Aktivistische Moral teilt die Welt eben nicht mit, sondern ein – in die Guten und in die Bösen. In dieser Selektionsfähigkeit besteht die Macht der Moral.Placeholder authorbio-1