Das System Mann: Schoßhund und Tyrann

Feminismus Unsere Kolumnistin stößt auf Widersprüche beim Reden übers Patriarchat. Haben wir sie nicht eigentlich doch ganz gern, die Männer?
Ausgabe 17/2021
Kleine Wadenbeißerinnen, die knurren und kläffen, interessieren das mächtige System Patriarchat nicht – oder?
Kleine Wadenbeißerinnen, die knurren und kläffen, interessieren das mächtige System Patriarchat nicht – oder?

Foto: Timothy A. Clary/AFP/Getty Images

Vor kurzem diskutierte ich gemeinsam mit den Autorinnen Jacinta Nandi und Anke Stelling im Rahmen der Reihe „Let’s talk about class“ zum Thema „Hausfrau und Mutter“. Es war eine muntere Runde, und doch beschlich mich noch während des Gesprächs ein Unbehagen, das ich nicht einordnen konnte. Ein oder zwei Tage später las ich auf Facebook den Kommentar einer Frau, die die Reaktion ihres Mannes auf die Sendung beschrieb. Er sei wütend gewesen, weil wir über Männer wie über Haustiere gesprochen hätten. Ich verstand seinen Ärger sofort. Mal mit offenem Sarkasmus, mal wütend, mal trotzig beschrieben wir die Ungerechtigkeiten, die das Leben mit Dem Mann produziert, und die Zumutungen. Aber dummerweise stünden wir eben auf Männer, bilanzierte Jacinta Nandi, täten es uns deshalb weiterhin an. Ich stimmte grinsend zu.

Wir fanden uns in der Rolle der betagten Dame wieder, die gerne eingesteht, dass ihr Hasso ein ziemlicher Schlawiner ist, gerne mal Hauslatschen zerkaut; wenn man ehrlich ist, auch schon das eine oder andere Mal in die Ferse zwickt; wenn man ganz ehrlich ist, dann deshalb, weil er ziemlich bösartig sein kann, nein, nein, es handelt sich nicht nur um Spieltrieb. Aber am Ende liebt man den kleinen Racker halt, was will man machen? Man hat ihn sich schließlich mal ausgesucht.

Der Racker, der Mann also, war Ziel des Spotts. Die Runde fühlte sich an wie ein Beisammensein mit Freundinnen, die über ihre Gatten klagen, auch mit bitterem Unterton, aber am Ende des Abends neben ihm auf dem Sofa sitzen und Rosamunde Pilcher gucken. Zugleich passten diese beiden Männerbilder nicht zusammen: Wie kann Der Mann das machtvoll potente Zentrum Des Systems sein und zugleich eine Witzfigur?

Wenn Das System, von dem ich nicht glaube, dass es mit „Patriarchat“ korrekt benannt ist, aber so machtvoll ist, warum dürfen wir, die Autorinnen, Frauen, dann öffentlich über die Männer lästern? Zwei Möglichkeiten, die einander nicht ausschließen, gibt es. Erstens: Das Lästern ist eine Form der Aggressionsabfuhr, nimmt Druck aus dem Kessel. Wahrscheinlichkeit der Systemveränderung – gleich null. Zweitens: Das System ist so mächtig, dass es gar nicht tangiert wird von kleinen Wadenbeißerinnen, die knurren und kläffen. Keine gute Aussicht in Fragen der Befreiung! Eine dritte Möglichkeit, an die wir noch gar nicht gedacht haben: Wir sind ja immer schon Teil des Systems, das ohne uns – wie wir doch immer wieder feststellen – nicht funktioniert. Aber warum spielen wir dann mit? Ich verzichte an dieser Stelle auf eine vulgäre Hegel-Exegese und einen lapidaren, raunenden Verweis auf das knechtische Bewusstsein.

Bleiben wir ein bisschen konkreter: Liebe ist der Köder, heißt es in den meisten feministischen Veröffentlichungen. Liebe ist der Grund, warum Frauen sich versklaven, individuell, gesellschaftlich. Liebe ist die Schwachstelle. Liebe bindet sie an den Falschen, idealisierte Mutterliebe lässt sie wider ihre eigenen Interessen handeln, die Angst vor Liebesverlust als schlimmste Strafe für weibliche Autonomie lässt sie kuschen. Wenn man aber diese ideologischen Merkmale benennen kann, wenn man doch die Kniffe Des Systems durchschaut, warum ist dann der Schleier der Ideologie weiterhin wirksam?

Es nützt ja nichts, jede Diskussion um Geschlechterungerechtigkeit muss dorthin gehen, wo es wehtut, wo wir uns fragen, was unser Interesse an der Reproduktion der so lautstark beklagten Ungerechtigkeiten ist. Sonst ist und bleibt man das Herrchen – Frauchen! –, das sich einen ungezogenen Kläffer hält, den es schilt, während es ihm zärtlich den Rücken streichelt.

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Geschrieben von

Marlen Hobrack

Was ich werden will, wenn ich groß bin: Hunter S. Thompson

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