Ist es nicht seltsam, dass „Empowerment“ als zentrale Vokabel des zeitgenössischen Feminismus gelten muss, aber trotzdem kaum eine Feministin freimütig über feministische Macht oder gar Dominanz spricht? Damit meine ich gleich zwei Ebenen von Macht: Zum einen jene der individuellen Handlungsmacht, über die eine Frau, trotz des Systems, der Strukturen oder gar, oh Schreck!, der alten weißen Männer doch verfügt. Autorinnen wie Svenja Flaßpöhler oder Mirna Funk können ein Lied davon singen, was passiert, wenn man Feministinnen an weibliche Potenz erinnert, noch dazu – falsches Bild hier vielleicht – im Modus der manspreadenden Breitbeinigkeit.
Hauen und Stechen
Aus feministischer Sicht noch schmerzlicher wirken Machtf
r wirken Machtfülle und Deutungshoheit einzelner Gruppen. Nicht nur, weil beide Begriffe männlich konnotiert sind; frau will sich schlicht nicht eingestehen, dass es beim Sprechen über die Wahrheit etwa des Geschlechts natürlich auch ums Rechthaben geht. Wer hat als Frau zu gelten, und was ist Geschlecht wirklich – biologisch, sozial, neuronal verankert? Es gibt eine Art Bekenntniszwang („Wie hältst du’s mit dem biologischen Geschlecht?“); der führt nicht selten zur Feindschaft und dem Ausschluss aus dem eigenen Kreis des Guten. Da herrscht ein Hauen und Stechen, das definitiv den Mythos von der friedfertigen Frau (ob cis oder trans) widerlegt.Dass eine feministische Autorin heute parallel im Missy Magazine und der Emma publiziert, scheint beinahe undenkbar, macht sie sich doch hier wie da gemein mit der Gegnerin. Nirgends wird in Gender-Fragen härter gekämpft als an den feministischen Fronten. Man könnte meinen, ein gemeinsamer Gegner – etwa der in vielen Büchern beschworene rechte Backlash – könne die kampfeslustigen Frauen oder eben FLINTAs einen. Aber schon angesichts der Begriffe kollabieren alle Gemeinsamkeiten.Keine ZwischentöneNun hat jede feministische Strömung ihre Gefolgschaft, eine publizistische Basis und breite Leserschaft, auch wenn sich die Kanäle unterscheiden, und mit ihnen die adressierten Massen. So geht es beim feministischen Filz weniger um Publikationsmöglichkeiten als vielmehr den unbedingten Willen zur Wahrheit. Da wirken schon Zwischentöne und leise Zweifel störend. Wo Wahrheit im Singular existiert, wo Vielschichtigkeit und Komplexität von Subjekt, Gesellschaft, Evolution, Psyche und Familie zusammenschrumpfen auf Slogans, kann es keinen Austausch geben. Etwas anders, unangenehm filzig sozusagen, sieht es an den Universitäten aus, wo sehr lukrative und schwer zu ergatternde Posten auf Basis von Stimmungs- und Meinungsmache „umbesetzt“ werden können. Wo einer Professorin nicht kurzerhand gekündigt werden kann, weil dummerweise Forschungs- und Meinungsfreiheit existiert, da muss eben unerbittlich gemobbt werden, bis die Person sich „freiwillig“ zurückzieht.Der Fall der Philosophin Kathleen Stock ist in diesem Kontext vielleicht der bekannteste. Stock trat von ihrer Stelle an der Universität von Sussex im Jahr 2021 zurück, nachdem eine Gruppe von Studierenden gegen sie und ihre vermeintlich transphoben Aussagen mobilgemacht hatte. 600 Professor*innen schlossen sich dem Verdikt der Studierenden an. Mobbing im Dienst des Guten? Weibliche Solidarität und die viel beschworene Sisterhood enden schon einmal, wo Glaubenssätze infrage gestellt werden. Wenn man neben der Wahrheit obendrein eine Professur gewinnt, darf man sich so richtig „empowert“ fühlen. Bleibt nur die Frage, wie man die unerbittliche Härte gegen andersdenkende Geschlechtsgenossinnen nennen mag. Schwesternkrieg? Oder Cister-Zwist? Hauptsache, es knallt!