Auch wer sich in der Geschichte des Metal-Genres nicht gut auskennt, kann es wahrscheinlich mitträllern: Nothing Else Matters, die Ballade der Band Metallica, die bis heute auf Radiosendern mit „dem Besten aus den 80ern und 90ern“ läuft. Demnächst könnte sich die Zahl der Metallica-Tracks, die im Radio laufen, noch einmal erhöhen, erscheint doch mit The Metallica Blacklist ein Album, das im Grunde gar nicht mehr Pop sein könnte. Insgesamt 53 Bands und Solokünstler, darunter so illustre Namen wie Miley Cyrus, Igor Levit (!) und Elton John, covern auf Blacklist die Songs des legendären Black Album (eigentlich Metallica), zu dessen Hits Nothing Else Matters gehört. Anlass ist der 30. Geburtstag des Albums – übrigens ein netter Reminder, dass die 1990er nicht erst zehn Jahre zurückliegen.
Heroen des Mainstreams
Dass ausgerechnet die Mitglieder von Metallica zu Heroen des Mainstreams avancierten, nachdem sie ihre Karriere als turnschuhtragende Thrash-Metaller begannen, ist kein Zufall. Tatsächlich verfolgt Metallica seit dem Black Album einen Pfad in Richtung Populärmusik. Eingefleischten Metal-Fans, die wirklich nur echten, also „true“ Metal hören, bereitete schon das Black Album Kummer, Schlimmeres sollte folgen. Die Load- und Reload-Ära stellte für nicht wenige Metaller den Höhepunkt einer langen Entfremdungsgeschichte dar, und das nicht nur aus musikalischen Gründen. Man wusste gar nicht, was man grässlicher finden sollte: die Kurzhaarfrisuren oder die Designer-Klamotten, visuell irgendwo zwischen Puffmutter und Prince angesiedelt. Unvergessen Promo-Bilder des Gitarristen Kirk Hammett, Meister des Wah-Wahs, mit dem Hosenbund unter seinem Schamhaaransatz und nackter Schmalbrust unter Felljacke. Und trotzdem, oder gerade deswegen, hat Metallica genreübergreifend Musiker beeinflusst, die ihre Helden nun auf Blacklist feiern können. Deren Fans wissen womöglich gar nicht, wer die tätowierten älteren Herren eigentlich sind. Fun Fact am Rande: Metallicas Drummer Lars Ulrich war einmal der Vorsitzende des amerikanischen Motörhead-Fanclubs. Motörhead, so Ulrich, sei es gelungen, die Kluft zwischen den Fans der unterschiedlichen musikalischen Genres zu überwinden. Motörhead war und ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Metalheads, Punks, Ois, eigentlich alle verständigen können, und das mit dem Minimalslogan: Everything louder than everyone else. Blacklist zeigt, dass auch Metallica auf dem besten Weg zu einer solchen Genregrenzen sprengenden musikalischen Macht ist.
Allerdings hat sich auch die Metal-Szene verändert. Als vor einigen Monaten auf den einschlägigen Fan-Seiten bei Facebook die Nothing-Else-Matters-Version von Miley Cyrus angekündigt wurde, waren die meisten Kommentare tatsächlich positiv, und keineswegs grenzchauvinistisch. Zahlreiche Kommentatoren erklärten, sie seien gespannt auf die Version – schließlich könne Cyrus ja singen. Und warum nicht mal etwas Neues wagen? Auch Metallicas Kooperation mit Lady Gaga im Rahmen der Grammys wurde durchaus goutiert.
„The minute you stop exploring, then just sit down and fucking die“, so Drummer Lars Ulrich im Kommentar zum Album Load. Ohnehin ist Blacklist nur ein weiterer Twist in der langen Beziehung der Band mit Cover-Musik. Mit Garage Inc. legte Metallica bereits ein komplettes Cover-Album vor, wobei die erste CD Cover fremder Songs beinhaltete, während die zweite CD Covers von eigenen Songs bot. Ein Jahr später folgte mit S&M ein weiteres Album, auf dem sich die Band selbst coverte, und zwar zusammen mit dem San Francisco Symphony Orchestra. Sich nun von anderen Bands covern zu lassen, stellt nur die letzte Stufe der vollständigen Cover-Band-Werdung dar – was nicht negativ gemeint ist. Obwohl man frotzeln könnte, dass die letzten Alben der Band nicht mehr wirklich reich an Krachern waren und auch ihre Live-Shows vor allem von den Klassikern, vor allem dem Black Album, lebten.
Hinreißende Trompeten
Dass aus zwölf Original-Songs auf The Metallica Blacklist 53 Titel werden, verwundert etwas. Wollte man böse sein, könnte man der Band hier Beliebigkeit unterstellen, oder den Versuch, eine maximale Menge von Käufern anzusprechen. Aber es handelt sich ja um ein Charity-Projekt, und der gute Zweck heiligt bekanntermaßen alle Mittel. Die Liste der vertretenen Musiker liest sich wie ein Who is Who der Genres Pop, Rock, Country und Hip-Hop. Kinder der 1980er dürften sich über Elton John und Dave Gahan freuen. Apropos Who: The Hu, eine mongolische Metalband, die zu den angesagtesten Entdeckungen des Genres der letzten Jahre zählt, durften auf The Metallica Blacklist auch nicht fehlen.
Hört man sich durch die bisher veröffentlichten Tracks, dann sind die interessantesten Versionen jene, die nicht von Rockbands stammen. Weezers Enter Sandman oder Volbeats Don’t Tread on Me sind nachgerade langweilig; aber das Latin-Pop-Duo Ha*Ash liefert mit seinem hinreißenden The-Unforgiven-Cover, das unter anderem einen spanischen Refrain und Mariachi-Trompeten zu bieten hat, einen Garanten für das Verdrücken des ein oder anderen Tränchens. Unerwartet interessant auch J Balvins Wherever I May Roam, das den Originaltrack sampelt und in einen Reggaeton-Track verwandelt.
Aber das Beste: Nach all den ungewohnten, mal langweiligen, mal überraschenden Neuerfindungen dieser Tracks will man vor allem eines – zum Original zurückkehren. Man wirft eben doch umgehend das Black Album in den guten alten CD-Player. Oder man spielt die Tracks ein paarmal auf Spotify hoch und runter und katapultiert die Metal-Opas so, wohl nicht ganz unbeabsichtigt von den Mainstream-Heroen, an die Spitze nicht nur der Metal-Playlists.
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The Metallica Blacklist Metallica Universal 2021
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