Am Gelde hängt, zum Gelde drängt … nun ja, Sie wissen schon. Aber warum ist das so? Und warum spricht man nicht über Geld, warum schämt sich, wer arm ist, warum bezeichnen sich die allermeisten Reichen als Vermögende, warum erwecken sie gar den Eindruck, unter ihrem Geld zu leiden? Die Antwort formuliert Zeit-Autorin Anna Mayr in ihrem Buch Geld spielt keine Rolle. Es ist eine humorvolle und – wie der doppelbödige Titel ahnen lässt – gleichsam nachdenkliche Erkundung unseres Verhältnisses zum Geld.
In erster Linie erforscht Mayr in ihrem Buch die eigene gespaltene Beziehung zum Geld. Die Autorin war als Kind und Jugendliche armutsbetroffen, lebte mit ihren Eltern von Hartz IV. Dieser Phase ihres Lebens widmete sich Mayr in ihrem Buch
mete sich Mayr in ihrem Buch Die Elenden, eine wütende Anklage gegen ein System, das Armut erzeugt, diese jedoch als individuelles Versagen adressiert. Nun überdenkt die Aufsteigerin Mayr ihr Verhältnis zum Geld.Scham und SchuldFür einkommensarme Menschen hat Geld eine existenzielle Dimension, zugleich erzeugt der Mangel Scham. Die tief sitzende Angst, irgendwann wieder in die Armut abzurutschen, steckt Mayr in den Knochen. Doch das Gleiche gilt für das Schuldgefühl angesichts des nun erreichten Konsumstandards. Die Autorin ergeht sich gar in der Selbstbezichtigung als „Salonlinke“: Sie sei zwar für höhere Steuern, allzu laut fordere sie diese jedoch nicht. Sie schäme sich zwar, mehr als 15 Euro für ein Gläschen mit Trüffeln auszugeben, tue es aber dennoch. Dieses individuelle Schuldgefühl hat zwei Ursachen: Erstens weiß sie, dass 15 Euro für Armutsbetroffene viel Geld sind. Zweitens durchschaut sie die Strategien des Marketings, die uns weismachen wollen, dass wir dieses neue Sofa oder jenen neuen Grill unbedingt benötigen.Es geht hier also um das Bewusstsein einer Linken, die die Logik des Warenfetischs durchschaut, sich aber dennoch nicht davon lösen kann. So sieht sie ihr Shopping-Glück selbstironisch als „Bestätigung dafür, dass ich alles richtig mache als kleine Soldatin im Spätkapitalismus“. Und doch kehren sie wieder, die Zweifel, ob man ein neues Bett tatsächlich braucht und ob man die vielleicht etwas uncoolen, doch funktionalen Ofenhandschuhe durch ein paar schickere ersetzen sollte. Mayr verquickt die Frage nach dem Konsum – der ja immer auch ethisch-moralische Fragen aufwirft, etwa nach Arbeitsbedingungen und Umweltstandards – mit jener nach der Leistungslogik unserer Gesellschaft. Warum sollen wir viel Geld verdienen? Damit wir uns viel kaufen können! Dieses Geld kurbelt die Wirtschaft an, so haben wir es gelernt, es fließt zurück in den ewigen Kreislauf; alle müssen hart arbeiten, damit alle hart konsumieren können. Selbst der Konsumstandard der ärmsten Bevölkerungsteile ist heute relativ hoch, gemessen an den Standards in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.Nur folgerichtig sind deshalb die Kapitel in Mayrs Buch nach warenförmigen Anschaffungen benannt. Dazu gehören ein Hochzeitskleid für 785 Euro und ein Babybadeanzug für 74,98 Euro. Bisweilen geht es auch um Dienstleistungen: etwa einen Ehevertragsentwurf für 266 Euro oder – Ausdruck spätrömischer Dekadenz – eine Katzentherapeutin für 225 Euro.Das Kapitel zur Katzenpsychologin ist das witzigste, denn es bringt die tragikomische Dimension von Konsum idealtypisch zum Ausdruck. Da holt man sich also zwei süße Katzen aus dem Tierheim und kommt obendrein auf die Idee, ein neues Sofa anzuschaffen. Schlechte Kombination. Das Katerchen liebt es, auf das Sofa zu pinkeln, vielleicht fühlt es sich von den Schreien seiner Besitzerin sogar angestachelt. Jeder, der einmal in der Situation war, von einem Kater herausfordernd angestarrt zu werden, während er fröhlich einen Liter Urin in einen Berg frisch gewaschener Wäsche entlässt, weiß, wie Mayr nun fühlt. Natürlich kann sie das Tier nicht loswerden, das Problem muss gelöst werden. So gerät eine Welle von Anschaffungen ins Rollen, die dem offensichtlich unglücklichen Kater das Leben erleichtern soll.Nicht weniger frustrierend sind die Beratungen zum Ehevertrag, der im Falle einer Scheidung schlimmen Streit und noch höhere Anwaltskosten ersparen soll. Das Problem ist nur, dass der engagierte Jurist seine etwas altbackenen Vorstellungen von Familie auf das heiratswillige Pärchen überträgt. Das Zukunftsmodell, das er Mayr vorstellt, passt überhaupt nicht zu ihrem Lebensentwurf. Mayr nimmt dies zum Anlass, einige Gedanken über die Geld- und Rollenverteilung in Beziehungen zu entwickeln. Übrigens quer zu feministischen Positionen.Mayrs Unterfangen der konsumkritischen Selbsterkundung ist durchaus risikoreich, denn es ließe sich einwenden, es handle sich um die schrillste Form des First World Problems: ein schlechtes Gewissen zu haben für den Konsum, den man sich trotz allem erlaubt. Doch so liest sich das Buch gerade nicht. Vielmehr fühlt man sich, insbesondere als Linke, ertappt in der Spannung von Konsumlust und Selbstkasteiung. Was tun? Vielleicht kauft uns hie und da eine kleine Spende vom schlechtenGewissen frei.Placeholder infobox-1Placeholder authorbio-1