„Ich bin DU!“ von Doris Ziegler: Das Ich im Wartesaal

Provokant Die Malerin Doris Ziegler gehört zur Leipziger Schule – und ist doch für manche noch zu entdecken. Vor allem ihre Selbstporträts begeistern in der Einzelschau im Kunstmuseum Moritzburg in Halle
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 14/2023
Inspiriert von Elisabeth Badinters gleichnamigem Buch: „Ich bin Du“ (1988)
Inspiriert von Elisabeth Badinters gleichnamigem Buch: „Ich bin Du“ (1988)

Foto: Andreas Kämper/DIK/VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Es ist ein Selbstbildnis mit Potenzial für Skandal: Da sitzt sie, die Mutter, nackt ins karge Nichts des Raums blickend, den Arm spannungslos um den Stuhl gelegt, auf dem der ebenso nackte Sohn sitzt. Über beiden baumelt eine nackte Glühbirne, links hinter der Malerin ein Gemälde, das an die Selbstbildnisse Max Beckmanns erinnert: ein selbstbewusst zum Betrachter gewandter Mann. Ganz anders die Malerin, die sich hier verewigt. Doris Zieglers Alter Ego auf der Leinwand wirkt müde. Es ist gewiss nicht das Bild von sozialistischer Mutter- und Künstlerschaft, das der Verband Bildender Künstler der DDR erwartete. So wurde dieses Bildnis zwischen Zweifel und Selbstermächtigung zur Provokation und zum letzten Kunstskandal der untergehenden DDR. Zugleich set