Ab und zu erhalte ich beim Surfen im Netz Werbung von Jobsuchmaschinen. Weil Google mich gut kennt, schlägt es mir Home-Office-Jobs vor. Dazu muss man wissen: Ich habe noch nie woanders als zu Hause gearbeitet. Antisoziale Tendenzen und Introversion mögen ein Grund dafür sein, aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls bewerben Jobsuchmaschinen die Jobs, die sie mir vorschlagen, typischerweise so: Eine frisch frisierte Blondine in Bluse sitzt an ihrem Küchentisch und tippt an einem Laptop. Sie hält ein Baby auf dem Schoß, das freudig auf die Tastatur einhämmert oder nach ihrer Kaffeetasse grabscht. Die Frau lächelt verbissen-fröhlich, sorgt sich weder um die schöne Bluse noch um die Arbeit. So stellen es sich wohl auch jene vor, die Eltern raten, doch „einfach“ von zu Hause aus zu arbeiten, während Schulen und Kitas wegen des Coronavirus geschlossen haben.
Dieses Bild vom Home Office ist die Mutter aller Probleme! Nicht nur negiert es den größten Vorzug des heimischen Arbeitsplatzes, dass man nämlich unfrisiert und im Bademantel vom Frühstückstisch direkt an den Schreibtisch fallen kann. Auch die Vorstellung, dass das Home Office eine tolle Sache für junge Mütter sei, weil es die zermürbende, zeitraubende Kita-Platzsuche erspart, ist falsch. Glauben Sie’s mir, oft genug tippe ich Texte mit meinem Säugling auf dem Arm. Das ist natürlich eine vorübergehende Lösung, bis das Kind eine Krippe besucht.
Das Home Office jedenfalls bricht die für die kapitalistischen postindustrialisierten Gesellschaften so typische Trennung der Sphären Arbeit und Haushalt zwar auf, das heißt aber noch lange nicht, dass es die damit verbundenen strukturellen Probleme beseitigt. Die bestehen beispielsweise darin, dass Mütter einen überproportional großen Anteil der anfallenden Hausarbeit übernehmen. Das Problem wird gewiss nicht gelöst, indem Mütter im ewigen Limbo aus gleichzeitiger Haus-, Sorge- und Erwerbsarbeit gefangen werden und fortan von morgens bis abends alles irgendwie gleichzeitig erledigen.
Daher gilt: Home Office ist toll, wenn man Kinder oder herumwuselnde Partner aus dem Haus schafft! Home Office ist super, aber nur, wenn klar ist, dass Arbeitszeit nicht für Tätigkeiten im Haushalt genutzt wird. Home Office ist auch deswegen klasse, weil es den Weg zur Arbeit durch Stau und kontaminierte U-Bahnen erspart. Als Gleichstellungsinstrument taugt es nur bedingt. Die konsequente neue Werbestrategie für Home-Office-Jobs wäre daher, auf die zwei ultimativen Vorteile des Zu-Hause-Bleibens zu verweisen: Weniger Menschenkontakt heißt weniger Virenkontakt! Und: So ein CO₂-Abdruck verringert sich erheblich, wenn man den ganzen Tag Hauspantoffeln trägt.
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