Da hat sie also den Salat: Annalena Baerbock ist eine Frau. Gut, Sie warten womöglich auf eine Zugabe. Ja, was denn für eine Frau? Tut nichts zur Sache! Gleichberechtigung kann bitte schön nicht bedeuten, dass immer nur die Frau gewinnt. Weswegen es selbst den Grünen nahestehende Kommentatoren für einen taktischen Fehler hielten, zur Ablöse Angela Merkels eine Kanzlerkandidatin aufzustellen.
Die Grünen hatten schließlich mit Robert Habeck auch einen Y-Chromosomen-Träger in petto, ihn aus dem Machtspiel genommen zu haben, heißt auch: die Flanke für Anwürfe von ganz rechts besonders weit zu öffnen. Schiefe Metapher? Egal! Der Habeck, das wäre doch ein Kompromiss gewesen! Männlich, aber nicht zu sehr. Männlich mit
nlich mit grünem Einschlag eben, so sanft und angenehm wie die grünen Hügel Irlands. Wenn Habeck eins ist, dann alternativ männlich. Nachdenklich, mit weichen Gesichtszügen. Klar, auch ein bisschen kernig, wie Vollkornbrot.Zu glauben, es würde konservative Männer mit einem möglichen grünen Kanzler versöhnen, dass Habeck immerhin als Mann triumphiert hätte, ist natürlich ein Irrtum. Gerade weil Habeck die wandelnde Antithese zur toxischen Männlichkeit ist. Nicht, dass Olaf Scholz oder Armin Laschet Inbegriffe letzterer wären. Aber sie sind insofern klassische Repräsentanten problematischer Männlichkeit, weil sie sich als unbelehrbar, unfehlbar, selbst im Angesicht der Katastrophe unfähig zu echten Gefühlen erweisen. Sie sind wie der Joker, der lacht und lacht, wobei das Lachen das glatte Gegenteil von Freude ist.Der Unterschied zu TrittinHabeck ist natürlich auch ein Sinnbild dafür, was Jahrzehnte der Grünen-Politik aus den Männern gemacht haben: Menschen zum Beispiel, die nicht auf Teufel komm raus ihren Dominanzanspruch ausleben. Menschen, die an einem Ort großen menschlichen Unglücks nicht von Lachattacken geschüttelt werden.Diese bewusst nicht-aggressive grüne Männlichkeit ist eine Provokation für sich. Übrigens unterscheidet sie sich deutlich von der älteren grünen Männlichkeit, jedenfalls wollte man Joschka Fischer oder Jürgen Trittin die Dominanz, politische Aggression, kurz: den Biss, nicht absprechen. Es ist eine historisch neuere Entwicklung, Produkt einer progressiveren Gesellschaft, die es ohne Mithilfe der Grünen nicht gäbe.Nein, auch Robert Habeck hätte den Hass konservativer bis rechter Milieus auf sich gezogen. Vermutlich hätten die Angriffe auf ihn schon im Moment der Verkündigung der Kanzlerkandidatur begonnen. Ich stelle mir folgendes Szenario vor: Der Robert tritt auf die Bühne, und weil er gar nicht glauben kann, wie das alles so gelaufen ist, und weil es ihm um die Annalena leidtut, verdrückt er womöglich eine kleine Träne. Vermutlich wären seine Augen mal ganz kurz feucht geworden, vielleicht auch in Erwartung der großen, kaum zu meisternden Zukunftsaufgaben. Leicht auszumalen, die Reaktionen darauf: Ein Mann, der heult, nicht weil ein wichtiges EM-Spiel verloren geht, sondern weil es für ihn endlich ums große Ganze gehen darf – was für eine politische Pussy! Selbst wenn es nicht so gekommen wäre: Der Habeck, der liefert doch reichlich Angriffspunkte für politische Gegner. Das glauben Sie nicht?Vergessen sind angesichts der „unverzeihlichen“ Fehltritte der jetzigen Kandidatin womöglich die Habeck-„Skandale“ – bei den Grünen braucht es grundsätzlich keine versenkten Steuermilliarden, kein Ausnutzen einer globalen Pandemie zur persönlichen Bereicherung – es reicht ja schon, wenn einer was twittert.Ja, genau. Wir erinnern uns, dass Habeck Twitter hinter sich lassen musste. Auch der politische Beobachter muss – nach all den Baerbock-„Skandalen“ – erst einmal nachschlagen, worum es damals eigentlich ging. Ach, richtig: Er hatte sich gewünscht, Thüringen möge ein offenes, freies, demokratisches Land werden. Dank grüner Mithilfe. Bisschen blöd formuliert, drei Jahrzehnte nach der deutschen Einheit. Aber die Ostdeutschen sind da ja doch auch resilient, hätten das routiniert unter dem „Besserwessi“-Vorwurf ablegen können. Erst Twitter mit seiner üblichen Empörungsmanie, die gleich zugunsten einer neuen und noch neueren Empörungswelle wieder verebbt, machte daraus eine ziemlich große Sache. Rückschauend wundert man sich gar, wie kritisch die Medien Habecks Twitter-Rückzug deuteten. Es sei fast oberlehrerhaft, wie Habeck die Republik jetzt auch noch über die Schattenseiten von Social Media aufkläre. Typisch grün!Mit gekonnt gesetzter Häme wusste man aber zu berichten, dass Habeck seinen Instagram-Account behalten wolle. Man beachte die interessante geschlechterpolitische Konnotation: Twitter, das Wenige-Worte-Medium, auf dem gerade auch eher männliche User mit smarten Puns und zynisch-distanzierten Kommentaren reüssieren, wird zugunsten von Instagram aufgegeben, das als Bild-und-heile-Welt-Medium wenn, ja wenn, dann eigentlich Hort der Frauen ist. Bisschen stricken hier, bisschen kochen – und dann auch noch Nagelpflege. Ist das der richtige Ort für einen politischen Haudegen, einen potenziellen Kanzlerkandidaten? Obendrein sieht er ja immer so verträumt aus; wenn einer wie Markus Söder einen Baum umarmt, dann wirkt das fast bedrohlich, bisschen wie wenn man als Frau an der Bar einer Kneipe bedrängt wird. Man möchte ja wahrlich nicht in die Haut, Rinde!, des Baumes schlüpfen. Bei Habeck denkt man aber irgendwie sofort an sehr weiche Hände. Und Instagram macht Habeck so richtig gut, immerzu gibt er sich nachdenklich, wenn’s ums Tierwohllabel geht, kuschelt er auch Ferkel und denkt im Gegensatz zum zynischen Leser nicht gleich an Kotelett.Ganz sicher hätte es auch keine Wahlkampfbilder mit erhobenem Ein-Liter-Bierhumpen und deftig-fettig glänzender Bratwurst in der Hand gegeben. Oder es hätte sie gegeben, sie wären aber als grundsätzlich „nicht authentisch“ verlacht worden. Ich male mir lang anhaltende Debatten über „den Philosophen“ aus, der in Fragen der Volkstümlichkeit halt doch nicht mit einer wie der Annalena mithalten kann – Roberts „entgleister Kampagnenzug“ hätte doch im Umkehrschluss ihre bessere Eignung belegt.Bildwelten führen uns auch zum nächsten Skandal – nein, Moment, diesmal war es einfach Häme und Spott. Sie erinnern sich an das „Pferdeflüsterer“-Gemetzel, an die Wanderung Habecks in Schleswig-Holstein? Bei Instagram (sic!) schrieb er: „Wenn man eine Herde Koniks trifft und sich still auf den Boden legt, dann kommen sie manchmal und schnuppern an einem – das ist so dicht an Magie, wie man kommen kann.“Das „Pferdeflüsterer“-GemetzelGemetzel deshalb, weil hier auf ziemlich durchschaubare Art eine politische Figur der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, weil Pferde diese anziehend finden. Der Spiegel mutmaßte gar, es müsse an Habecks Eau de Toilette gelegen haben. Gut, vielleicht ist er einfach ein netter Kerl, vielleicht spüren Pferde so was (Nein, das sind dann doch eher Hunde). Oder umgekehrt: Katzen suchen bekannterweise immer die Leute auf, die keine Katzen mögen. Sie laben sich am Hass der anderen. Wie sich das mit den Koniks, die ich bis dato gar nicht kannte, verhält, weiß ich nun auch nicht. Sie wirken aber doch recht kontaktfreudig. Den Spiegel beschäftigte die Bildreihe so massiv, dass er nachlegte und auf die bittere, natürlich auf das Versagen von grüner Politik verweisende Vorgeschichte der Koniks verwies: Die stammten aus einem gescheiterten Naturschutzprojekt, das die Auswilderung der Tiere beinhaltete. Offenbar waren die Tiere nicht in der Lage gewesen, Futter zu finden. Ersparen Sie sich jetzt jeden Kommentar über das Überleben der Stärksten. Zurück zum Wahlkampf.Denn es gibt noch mehr „unverzeihliche“ Habeck-Schwächen. Ich nehme stark an, Friedrich Merz hätte als Erster darauf hingewiesen, dass da die unangenehme Pendlerpauschalen-Sache war. Einer, der nicht weiß, wie die funktioniert, will Kanzler werden! Der soll erst mal eine Ausbildung zum Steuerberater machen!Ansonsten hat der Robert womöglich alles richtig gemacht: Bis die Zeit reif ist für einen grünen Kanzler, werden noch ein paar Jahre vergehen. Dass er der Annalena diesmal den Vorzug gelassen hat, war nicht nur taktisch klug; es unterstreicht seine Vorzüge als Kandidat der Zukunft. Womöglich mit einer Konservativen als Gegnerin.