Verwandlung Im Wrestling dominieren muskelgestählte Körper und toxische Männlichkeit. Gabbi Taft war einst ein Star der Szene. Dann kam das Outing als trans Frau – wie reagierten die Fans?
Gabbi schaut verführerisch in die Kamera, an ihrem Körper trägt sie nichts als einen BH und einen Rock. Ihr blondes Haar hat sie zurückgebunden, so gibt sie den Blick frei auf ihren tätowierten Oberarm. Gabbi könnte ein ziemlich gewöhnliches Fitnessmodell sein, wie man es auf Instagram millionenfach sieht, aber der Schnappschuss ist Teil eines Vorher-nachher-Bildes, das ihre Geschichte offenbart: Sie war mal ein Mann. Ein wirklich muskulöser Mann. Gabbi Tuft war früher als Wrestler unter anderem bei World-Wrestling-Entertainment (WWE) aktiv und unter dem Ringnamen Tyler Reks bekannt.
Das Vorher-nachher-Bild ist das Ergebnis eines einjährigen Prozesses, an dessen Beginn Gabbi Tuft sich öffentlich als transgender outete, das war im Februa
im Februar dieses Jahres, danach begann sie eine Hormontherapie. Zwar hat sie sich in diesen elf Monaten seit ihrem Coming-out voll und ganz dem weiblichen Schönheitsideal unterworfen, aber vielleicht passt das ja zu der ansonsten so brachialen Wrestling-Szene? Auch wenn diese immer noch hadert mit trans Frauen in den eigenen Reihen.Jeden Schritt auf ihrem Weg – darunter eine Brust-OP, die schmerzhafte Barthaarentfernung und der Verlust von mehr als vierzig Kilo Muskelmasse – dokumentiert Tuft auf ihrem Instagram-Kanal. Das Vergleichsfoto offenbart auch einen Blick in ihre Vergangenheit, in der körperliche Stärke und extreme Muskelmasse zum Teil ihres Selbstbildes gehörten. Oder wie sie es in einem ihrer Postings beschreibt: Als Teenager wurde sie permanent in der Schule gemobbt, bis sie das Bodybuilding für sich entdeckte. Körperliche Kraft und ein furchteinflößendes muskulöses Äußeres dienten ihr als Selbstverteidigungsstrategie. Mit Beginn der Transition gab Gabbi Tuft ihr Selbst also im doppelten Sinne der Verwundbarkeit preis: durch den Abbau des Muskelpanzers und durch die Offenbarung ihres weiblichen Ichs.Motherfuckers im GymDieser mutige Schritt erscheint umso erstaunlicher, weil Tuft sich bis dato in einer hypermaskulinen Welt bewegte. Nach dem Ende ihrer Wrestling-Karriere fuhr sie Motorradrennen. Und die Welt des Wrestlings und Bodybuildings mit scheinbar übermenschlich muskulösen und starken Körpern wirkt auch nicht gerade wie der prädestinierte Ort für ein trans Outing und die damit verbundene Vulnerabilität. Kommentatorin und Podcasterin Renee Paquette wies dann auch im Kontext des Outings auf die noch immer dominante Kultur toxischer Männlichkeit insbesondere hinter den Kulissen der Wrestling-Welt hin.Einerseits erscheint es logisch, dass hier, wo Muskelmänner (aber eben auch -frauen) mit Gegenständen aufeinander einkloppen, keine gesteigerte Sensibilität in Fragen der Geschlechtsidentität zu erwarten ist. Andererseits herrscht im Wrestling fraglos eine Ästhetik bezüglich des Männerkörpers vor, die durchaus heterosexuelle Standards und Normen unterläuft. Zwar tragen viele (aber längst nicht alle) männlichen Wrestler enorme Muskelmassen mit sich herum. Aber sie brechen ansonsten mit der typischen Hetero-Ästhetik: Geölte, rasierte und gebräunte Männerkörper zeigen sich in knappen Höschen, man schwingt das lange, geölte Haar. Wrestling-Legende Shawn Michaels inszenierte sich dezidiert als „Boytoy“ der erregten Damenwelt und auch „Bromances“ gehören zum Standarderzählmuster der Storylines, also der inszenierten Geschichten im Wrestling.Auch Frauenkörper unterlaufen im Wrestling immer schon die an sie herangetragenen Normen, beweisen sie doch im Ring, dass sie durchaus nicht so zart und verletzlich sind wie allgemein angenommen. Ausgerechnet das japanische Frauen-Wrestling gilt als besonders hart, obwohl zu dem Gender-Stereotyp über die weibliche Sanftheit hier das rassistische Stereotyp vermeintlich unterwürfiger asiatischer Weiblichkeit hinzutritt. Auch im Frauen-Wrestling gewann das Bodybuilding seit den späten 1980ern – wie bei den Männern – an Bedeutung. In den 90er Jahren war die US-Bodybuilderin Chyna, angekündigt als das „neunte Weltwunder“, die bekannteste Verkörperung eines neuen Wrestlerinnentypus, deren Muskelmasse sich mit Männern messen konnte. Chyna durchlief unter dem Auge der Öffentlichkeit eine Transition von einer knallharten Kämpferin, die mit den üblichen Beschimpfungen konfrontiert wurde, sie sehe nicht weiblich oder eben „wie ein Mann“ aus, zu einer Frau, die sich immer stärker den Erwartungen an Weiblichkeit beugte – auch mithilfe zahlreicher chirurgischer Eingriffe.Gewelltes seidiges Haar, angeklebte Wimpern, gemachte Nägel und Implantate sollten die Akzeptanz als – wenn auch muskulöse – Frau im Ring sichern. Nicht nur im Falle Chynas muss der Bruch mit dem Standardbild von Weiblichkeit mit der Übererfüllung der Normen von Weiblichkeit erkauft werden. Auch andere Wrestlerinnen verblüffen auf Instagram und im Ring mit erstaunlich aufwendigem Make-up und sexy Outfits.Gabbi Tuft arbeitet inzwischen hart daran, ihre Muskelmasse loszuwerden. Was ihr Äußeres anbelangt, übererfüllt auch sie gewissermaßen Normen von Weiblichkeit. Auch sie bedient die problematischen, Instagram-typischen Bildprogramme, die Frauen als Objekte eines „male gaze“ inszenieren – häufig von oben fotografiert, mit Duckface, freiem Blick auf den Ausschnitt oder den ganzen Körper. Tufts Körper soll als weiblich gelesen werden, und dazu scheint eben zu gehören, ihn als empfänglich und verfügbar darzustellen.Tuft bedient nun eine Ästhetik, wie sie sehr typisch für weibliche Wrestlerinnen, aber auch Fitnessmodells ist: eine eher übersexualisierte Darstellungsweise des eigenen Körpers, der buchstäblich ins rechte Licht gerückt und optimiert wird. Hier offenbart sich das zweischneidige Schwert der Anforderungen an Weiblichkeit ganz besonders: Denn trans Frauen verspüren womöglich einen besonders starken Druck, diesen Bildern von Weiblichkeit gerecht zu werden, auch auf Kosten der Beschneidung der Vorstellung dessen, was fernab von Klischees als weiblich gelten darf.So erscheint der Transitionsprozess auch als Einübung in weibliche Kommunikationsstrategien, sowohl auf der Ebene des Bildes als auch auf derjenigen der Sprache. Auch hier könnte der Vorher-nachher-Kontrast zwischen Gabbi und Tyler nicht größer sein: Fragte Tyler Reks vor mehr als einem Jahr noch seine Instagram-Follower: „mother fuckers. Who’s hitting the gym today????“, erzählt Gabbi heute in langen emotionalen Postings von den Herausforderungen der Transition, von Selbstliebe und der Liebe für ihre Familie. Auch in dieser Hinsicht erfüllt sie also die Gender-Normen, was nur beweist, dass auch eine trans Person das Rollenkorsett, das Weiblichkeit oder Männlichkeit bedeutet, anlegen kann, will oder muss.Der Teufel trägt BodysuitsDavon erzählt auch trans Mann Thomas Page McBee in seinem Buch Amateur. Ausgerechnet als Amateurboxer will McBee am Ende seines Transitionsprozesses in den Ring steigen – männlicher geht es eben kaum. Aber schon vorher bemerkt er an sich, wie er unhinterfragt bestimmte Normen der Männlichkeit adaptiert: etwa, wenn er Frauen unterbricht oder sich als Verteidiger und Retter seiner Freundin aufspielt. McBee begreift, dass auch die Auseinandersetzung mit der Gender-Performance, mit dem aktiven Ausleben der Rolle als Mann, zum Prozess der Mannwerdung gehört. Das steht Gabbi Tuft, in umgekehrter Form, womöglich noch bevor.In jedem Fall bewahrheitet sich in diesem Kontext, was Judith Butler in Das Unbehagen der Geschlechter mit Blick auf Simone de Beauvoirs berühmten Satz, wonach man nicht einfach Frau sei, sondern Frau werde, schreibt: „Wenn die Geschlechtsidentität etwas ist, was man wird – aber nie sein kann –, ist die Geschlechtsidentität selbst eine Art Werden oder Tätigkeit, die nicht als Substanz oder als substanzielles Ding oder als statische kulturelle Markierung aufgefasst werden darf, sondern eher als eine Art unablässig wiederholte Handlung.“ Gabbi Tuft offenbart auch eine erstaunliche Kontinuität von ihrer Zeit als Bodybuilder und Wrestler bis zur Gegenwart: Die Arbeit am Körper erscheint als Desiderat zur Stabilisierung eines unsicheren Selbst, oder anders gesagt: Das stabile Selbstbild setzt die harte Arbeit am Körper voraus. In der Welt von Instagram ist das durchaus eine gängige Praxis, längst nicht nur für trans Personen. Instagrammer verkaufen Selbstliebe und Akzeptanz des Ichs in ungezählten Postings als Ergebnis der körperbasierten Arbeit an sich, gerne auch mit Unterstützung von Duftkerzen, Hüftformern oder anderen Gadgets, die „self care“ in Warenform versprechen. Nicht nur Gabbi Tuft hat bisher einen erstaunlichen Wandlungsprozess durchlaufen, sondern auch ihre Instagram-Followerschaft. Ihr Outing wurde von unzähligen Menschen dort mit Hass und Häme kommentiert. Ein Follower las ihre Transition sogar als Beweis, dass Satan auf die Erde zurückgekehrt sei. Inzwischen aber wird jeder ihrer Beiträge von zahllosen Bekundungen der Freude, der Liebe und des Stolzes begleitet. Ihre neuen Follower wollen eben keinen muskelbepackten, harten Kerl sehen, sondern Gabbis Botschaft von Selbstliebe mit ebenso viel Liebe kommentieren. Immer wieder thematisieren auch Follower ihren eigenen Weg der Selbstfindung.Während Tuft die Standards von Social Media und positiver Transitionserzählungen erfüllt, stellt sich die Frage, wie die Wrestling-Welt selbst auf ihr Outing reagiert. Man liest praktisch keine Kommentare anderer aktiver Wrestler. Obwohl das Wrestling-Business einige Outings homosexueller Wrestler erlebt hat, steht bisher keine trans Person unter Vertrag. Kann man sich eine trans Frau im Ring vorstellen? Immerhin wäre hier das häufig vorgebrachte Argument, trans Frauen hätten Wettbewerbsvorteile gegenüber cis Frauen, von vornherein obsolet. Wrestling kennt Kämpfe von Männern gegen Frauen, von Leichtgewichten gegen Schwergewichte. Wrestling hat immer den Mythos geformt, dass es nicht der Körper allein ist, der über Sieg oder Niederlage entscheidet – sondern nur ein eiserner Wille.