Wir müssen über Babys sprechen

Debatte Babys im Parlament, Babys auf Arbeit, Babys überall: Warum es kein Fortschritt ist, die Trennung zwischen Berufs- und Babywelt aufzuheben. Eine (Still-)Glosse

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Wir müssen über Babys sprechen

Foto: Larissa Waters/ twitter

Babys sind eine feine Sache. Die meisten Exemplare sind drollig anzuschauen, und deswegen nimmt man ihnen im Allgemeinen auch gar nicht übel, dass sie ihre Ausscheidungsfunktionen nur mäßig kontrollieren können. Anders sieht es da schon mit der Schreifunktion aus, man würde bisweilen gerne aufs Knöpfchen drücken und Baby in die Ecke stellen. Geht aber nicht. Babys will be babys! Deswegen hat sich eine Art gesellschaftlicher Konsens etabliert: Bring das Baby besser nicht an Orte, an denen Stille, Einkehr, Kontemplation oder einfach nur Konzentration gefordert sind.

Die australische Parlamentarierin Larissa Waters hält offenkundig nichts von diesem Konsens. So stillte sie ihr Baby im Parlament und sendete einen Tweet, der ihr Glück über das parlamentarische Stillerlebnis zum Ausdruck brachte. Guckt her, sagt uns ihr Bild, ich kann ein Baby sogar im Parlament stillen, weil: It’s Fortschritt, stupid! Folgerichtig lautet die Aufgabe der internationalen Presse, das Kippen des Stillverbots im australischen Parlament zu bejubeln.

Natürlich ist das eine putzige Szene: Die hübsch frisierte Mutter und das stillgestellte, gestillte Kind. Aber was, wenn das Baby, gestillt oder nicht, nicht länger still sein will und sich geräuschvoll bemerkbar macht? So ein Plenum verträgt nur ein gewisses Maß an Krawall; es soll Parlamente auf diesem Globus geben, in denen viel geschrien und gekämpft wird, bisweilen fliegen auch Schuhe, aber im Allgemeinen halten wir diese Parlamente für wenig fortschrittlich.

Was also soll das Baby im Parlament? Was will uns das Baby sagen? Dass wir über Babys, i.e. die Belange von Müttern und Kindern, öffentlich sprechen müssen? Dass die besonders im angloamerikanischen Raum hysterisch vorgetragene Angst vor dem Nippel allgemein und der stillenden Mutter in particular albern ist? Dass die Trennung von privater und öffentlicher Sphäre zulasten der Mütter geht, die in Spielplatzghettos eingepfercht dem bunten Treiben der weiten Welt, die sich weiterdreht, weiter noch als das Spielplatzkarussell, nur zuschauen können, weil sie stehen oder eben sitzen bleiben müssen, weil das Baby noch immer nicht abgestillt ist? Ist das ein schönes Bild, ein bejahendes, oder muss es uns traurig stimmen? Fegt es die Staubschicht von Geschlechterungerechtigkeit aus den Parlamenten, und mit ihr die alten Säcke? Und setzt es an ihre Stelle die jungen Mütter, die eine zukunftsorientierte Politik verkörpern?

So viele Fragen! In diesem Sinne muss man dem Baby im Parlament gratulieren, das ganz ohne eigenes Wissen und Zutun einen Diskurs anstößt, und das im stillgestellten Modus.

„Das Baby war keine Geste, es war ein Baby“, schreibt Mithu Sanyal für die taz, und plädiert für mehr Babys in Parlamenten und im Arbeitsleben, weil ihnen eben nicht nur eine symbolische Rolle zukommen soll. Und für viele Alleinerziehende und/oder Freiberuflerinnen gehe es bisweilen auch gar nicht anders, weil es an flexiblen, bezahlbaren Betreuungsangeboten mangelt. Da hat Mithu Sanyal natürlich recht. Nur frage ich mich, ob das tatsächlich die Message des Babys ist.

Ist die Message nicht eher die, dass eine arbeitende Frau auch als Mutter stets abrufbar bleiben muss? Denn alles andere ließe ja Zweifel an ihrer Einsatzbereitschaft aufkommen. Obendrein muss sie auch noch ihr volles Engagement als Mutter unter Beweis stellen und das Baby nach Bedarf stillen. Milchabpumpen ist tabu, Fläschchennahrung sowieso.

Eine Mutter, die nicht nur die Bedürfnisse des Kindes erfüllt, sondern auch jene der Arbeitswelt, und das voll und ganz, ohne Pause - das klingt doch reichlich stressig, und ist vermutlich nicht das Wunschmodell der meisten Mütter/ Eltern. Wer nun sagt: "So ist es nun einmal", erhält von mir ein Nicken und ein Trotzdem. Denn das Bild idealisiert diesen Spagat zwischen Kind und Karriere, zeigt sogar, dass es ein fröhlicher Spagat ist, dass er eigentlich ziemlich mühelos gelingt. Und man dabei sogar noch ganz frisch aussieht (manch eine sieht ja ohne Baby nicht so frisch aus).

Also: Babys sind doch eine Geste. Und eine Botschaft haben sie ohnehin. Nur nicht immer eine frohe.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Marlen Hobrack

Was ich werden will, wenn ich groß bin: Hunter S. Thompson

Marlen Hobrack

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