Das Maschinengewehr im Anschlag, dran hängt ein Mann in Kampfmontur. Mutter und Kind, die dem Soldaten zuwinken, er ist bereit für den Auslandseinsatz. Auf dem dritten Bild ist ein Sarg, bedeckt von der deutschen Flagge. So präsentiert der Offizier „das Berufsbild des Soldaten“ – willkommen im Karrierecenter der Deutschen Bundeswehr.
„Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“, steht auf einem Plakat der prämierten Kampagne „Mach, was wirklich zählt“ der Bundeswehr, die 2015 gestartet wurde. „Was sind schon 1.000 Freunde im Netz gegen einen Kameraden“, lautet ein anderer Slogan. Mit „Wie weit kannst du kommen, wenn du an dein Limit gehst?“ wird für eine Karriere als Pilotin geworben: Bis heute wechselt sich in Großstädten das Plakat mit der Hubschrauberpilotin mit Werbung für Bikinis von Modeketten ab. Könnte schon sein, dass so manche junge Frau beim Anblick wirklich weiter als bis zum nächsten Baggersee radelt, stattdessen die Berufsberatung der Bundeswehr aufsucht.
Für die Kampagne ist die Düsseldorfer Agentur Castenow verwantwortlich. Sie wirbt auch für MacDonalds und Rewe. Die Werber haben für die Bundeswehr ein neues Narrativ gestrickt, die grobe Story: Du kriegst Action, kannst Karriere machen, Verantwortung übernehmen – und Sinn im Leben finden. Neben Social-Media-Aktivitäten auf Facebook und Instagram gehören auch Reality-Dokus für YouTube zum Werbepaket. Die Rekruten zeigt die Grundausbildung junger Männer und Frauen. Bild am Sonntag titelte: „Das Krasseste, seit es Bundeswehr-Werbung gibt“.
Erzfeind: die Personalnot
Seit die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde, muss sich die Bundeswehr wie ein ziviler Arbeitgeber um Nachwuchs bemühen. Es gibt ein „gigantisches Personalproblem“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Frühjahr 2017. Um es zu lösen, müssten jährlich etwa 25.000 Soldaten und Soldatinnen eingestellt werden. Aber die Bundeswehr hat zusätzlich auch noch ein Imageproblem. Da sind die Fälle von sexuellen Übergriffen und Misshandlungen. Erst diese Woche berichtete die ARD-Sendung „Was Deutschland bewegt“ über die Vergewaltigung einer Soldatin durch einen Offizier. Um dem massiven Personalmangel entgegenzuwirken, muss sich die Bundeswehr reformieren und: neu erfinden. Die Zielgruppe ist jung und zunehmend weiblich. Ein Personalmanager betont die „geschlechterausgeglichene Darstellung“, wozu die Verwendung „einer gendersensiblen Sprache“ gehöre. Das funktioniert. Das neue Image zieht vor allem bei Jugendlichen. Die Zahl der Rekruten, die bei Dienstantritt unter 18 Jahre alt waren, hat sich seit 2011 verdreifacht, die der Rekrutinnen verachtfacht.
Das Logo der YouTube-Serie „Mali“ zeigt eine Soldatin neben zwei Männern. Sybille, die Frau aus dem Logo, tritt allerdings erst in Folge sechs in Erscheinung. Der Kameramann begleitet sie in ihr Zimmer und sagt: „Aber vorzüglich aufgeräumt, du.“ Sie sagt: „Frauen halt.“ Und lacht. Sibylle hat keine tragende Rolle in der Serie. Ihr Gesicht im Logo hat dagegen eine sehr wichtige Funktion. Das Bild der Frau verankert die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft. Der Sprecher des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr formuliert das so: „Ziel ist die Abbildung der realen Gesellschaftsverhältnisse, um in der Gesellschaft glaubhaft zu bleiben und von dieser akzeptiert zu sein.“ In der neuen Serie „Biwak“, die diesen Frühling auf YouTube lief, hat Hauptgefreiter Jessika mittlerweile eine Rolle mit mehr Sprechanteil. Die Dienstgrade bleiben männlich.
Zurück im Berliner Karrierecenter der Bundeswehr. Ich bin hier, weil ich herausfinden möchte, wie viel das neue Image der Bundeswehr mit dem wirklichen Militärdienst gemein hat. De facto habe ich Feindesland betreten, ich möchte weder für Deutschland sterben, noch kann ich gut mit Autoritäten. Jetzt sage ich aber trotzdem: „Infanterie klingt halt irgendwie cool. Ich habe auf YouTube Filme gesehen...“ Der Offizier funkt dazwischen: „Die Bundeswehr ist kein Abenteuerspielplatz.“ Später erläutert er: „Frauen haben in der Bundeswehr die gleichen Rechte, die gleichen Pflichten und die gleichen Chancen. Und sie verdienen auch das Gleiche. Das ist ja in der zivilen Welt mitunter nicht so.“
Bis 2001 konnten sich Frauen bei der Bundeswehr nur zwischen einer Tätigkeit im Sanitätsdienst oder im Militärmusikdienst entscheiden. Im Jahr 1996 bewarb sich Tanja Kreil aber als Waffenelektronikerin. Ihr Antrag wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass Frauen keinen Dienst an der Waffe leisten dürften. Sie klagte und bekam im Januar 2001 Recht. Heute stehen Frauen über 1.000 Berufe bei der Bundeswehr offen. Derzeit sind etwa zwölf Prozent der Soldaten weiblich. Im Jahr 2015 stammten 17 Prozent der Bewerbungen für Soldaten auf Zeit von Frauen.
Bitterer Beigeschmack
Man muss keinesfalls die Befreiung der Frau darin sehen, dass sie als Soldatin kämpft. Dass Frauen in den Militärdienst treten dürfen, ist schlicht selbstverständlich in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Es ist wie mit der Ehe für alle: Man muss kein Verfechter der Institution sein, um zu befürworten, dass jeder Mensch das Recht haben sollte, zu heiraten. Beim Kampf um einen höheren Anteil von Frauen in Männerdomänen geht es nicht ausschließlich um den Wert der Gleichberechtigung an sich. Frauen in Ministerposten und DAX-Vorständen bedeuten, dass Frauen Einfluss in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben. Wie viele Frauen dienen, ist dagegen unbedeutend. Für die Politik ist die Integration von Frauen in der Bundeswehr daher durchaus relevant. Die Bundeswehr hat viele Probleme, unter anderem eines mit Rechtsradikalismus. Das hat der Fall Franco A. eindrücklich gezeigt. Der rechtsradikale Offizier hatte sich erfolgreich als syrischer Bürgerkriegsflüchtling registriert. Er soll einen Terroranschlag auf Politiker vorbereitet haben. Die Hypothese der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe lautet, dass Franco A. geplant hat, den Verdacht nach dem Anschlag auf seine Falschidentität als Asylbewerber zu lenken, um den Hass auf Flüchtlinge zu schüren. Im Anschluss an diesen Fall kam es 2017 zu einer großen Debatte um die Gesinnung der Bundeswehr.
Treibender Faktor, stärker auf Frauen zuzugehen, ist vor allem der Personalnotstand. Frauen sollen die rückläufigen Zahlen der Männer zumindest ein Stück weit auffangen. Auch in der zivilen Welt schreiben sich seit einigen Jahren Arbeitgeberverbände die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf die Fahne, weil sie erkannt haben, dass Frauen eine wichtige Ressource darstellen. Frauen sind Humankapital. Noch lange nicht sind die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die freie Berufswahl Werte an sich. Es ist die Zweckrationalität, die einen bitteren Beigeschmack hinterlässt.
Eine Frau kann einen Abzug genauso drücken wie ein Mann. Sie kann ebenso durch den Schlamm robben, brüllen und angebrüllt werden, sie kann freilich auch als IT-Fachfrau bei der Luftwaffe in Köln-Wahn Karriere machen wie die 23jährige „Sarah Müller*“ – die Kampagne für eine digitale Bundeswehr wurde ebenfalls ausgezeichnet, mit dem in der Branche wichtigen HR Excellence Award.
Ob es allerdings sinnvoll ist, all diese Tätigkeiten auszüben, ist die eigentliche Frage. 2011 schrieb die Süddeutsche „Stell dir vor, die Bundeswehr sucht Freiwillige und keiner geht hin“. Wo keine Soldaten sind, ist auch kein Krieg. Zumindest war das so, bevor der Krieg technisiert wurde. Viele Länder haben Probleme mit der Berufsarmee. Wir leben in einem postheroischen Zeitalter. Ist es nicht ein gutes Zeichen, dass die Bürger kriegsmüde sind? „Wer ein schwaches Militär hat, braucht umso bessere Diplomaten“, sagt die Pazifistin in mir.
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