Anfang dieser Woche gelang der Hamburger GAL-Abspaltung "Regenbogen" der Coup. Die ansonsten von den Medien der Stadt eher stiefmütterlich behandelte linke Bürgerschaftsgruppe schaffte es sogar auf die Titelseite der Hamburger Morgenpost. Der Grund: Gregor Gysi geht fremd. Der PDS-Spitzenkandidat in Berlin empfiehlt in Hamburg nicht die Wahl seiner eigenen Partei, sondern unterstützt die Wahl von "Regenbogen". Dem Hamburger Abendblatt gegenüber sagte Gysi: Das "ist eine moderne uns symphatische linke Alternative in Hamburg, die Perspektiven für die pluralistische Erneuerung der Linken in Deutschland aufzeigt. Das wird deutlich an ihrem unelitären Engagement für soziale und Umweltfragen."
Hintergrund für Gysis Untreue ist die Situation im Hamburger Landesverband der PDS. Dort gibt es seit Jahren eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen dem Vorstand (in Hamburg Landesarbeitsausschuss genannt), der von der studentischen Liste Links dominiert wird, und gemäßigten Reformern, die im Hamburger Regionalbüro der PDS-Bundestagsfraktion organisiert sind. Diese und "Regenbogen" treffen sich bereits seit vergangenem Jahr zu Gesprächen, um bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen am 23. September enger zusammenzuarbeiten. Unter "allen Umständen" müsse ausgeschlossen werden, dass "Regenbogen" und PDS gegeneinander anträten, so damals Meinhard Meuche-Mäker vom Regionalbüro der PDS-Bundestagsfraktion. Die wichtigste Voraussetzung für eine Zusammenarbeit fehlte allerdings immer: ein handlungsfähiger Landesverband, der dieses Ziel unterstützt. Und so kam, was angesichts des desolaten Zustands der Hamburger PDS wohl kommen musste.
Ende Mai diesen Jahres isolierte sich der Landesarbeitsausschuss politisch endgültig, als er beschloss, dass die PDS unter dem Motto "Dem Widerstand die Stimme geben" selbst zur Wahl antreten wird. Es gibt dafür auch in den eigenen Reihen fast keine Unterstützung, und nicht nur innerparteiliche Kritiker, die sich inzwischen faktisch abgespalten haben, riefen daraufhin zur Wahl von "Regenbogen" auf. Die Hamburger DKP beispielsweise musste sich entschieden dagegen verwehren, dass "durch eine missverständliche Formulierung in der Presseerklärung der PDS" der Eindruck hervorgerufen wurde, die "DKP würde die PDS-Eigenkandidatur unterstützen". Kein Wunder: Erst im April verkündete sie stolz, "wer Regenbogen wählt, wählt auch einen Kommunisten". Auf der Wahlliste von "Regenbogen" finden sich nun neben einem DKP-Mitglied auch ein Vertreter der Sozialistischen Alternative (SAV) und drei Mitglieder der PDS. Aber auch ein Mitglied des GEW-Landesvorstands oder Vertreter von Flüchtlings- oder Friedensgruppen kandidieren auf der Liste.
"Eine Vernetzung der verschiedenen linken Gruppen und Initiativen war und ist für uns ein wichtiges Ziel", so Heike Sudmann, die Spitzenkandidatin von "Regenbogen - Für eine neue Linke". Sudmann gehört zu den fünf GAL-Abgeordneten, die im Mai 1999 aus der Partei und der Fraktion ausgetreten sind und sich als Bürgerschaftsgruppe zusammentaten. Unmittelbarer Anlass für diesen Schritt war die Haltung der Grünen zum NATO-Krieg im Kosovo. Allerdings machten die Aussteiger eine "schleichende Auflösung grüner Grundsätze" und die "FDPisierung der Grünen" auch an der Wirtschafts-, Sozial- und Haushaltspolitik und nicht zuletzt an der Anti-AKW-Politik fest: "Wir werden uns an diesem Wettstreit um die neue Mitte zwischen FDP, grüner Partei sowie Hombachs und Schröders SPD nicht beteiligen. Dagegen setzen wir die Themen soziale Gerechtigkeit, Umverteilung von oben nach unten und die sozialen BürgerInnenrechte für alle Menschen."
Seit mehr als zwei Jahren profilieren sich die fünf Abgeordneten von "Regenbogen" als Oppositionsgruppe, die den rot-grünen Senat von links kritisiert - egal, ob es die Auseinandersetzungen um das Mühlenberger Loch sind, das für den Bau des Riesen-Airbus A 380 geopfert wird, oder die Hamburger Abschiebepolitik. Scharf kritisieren die fünf Abgeordneten die Politik der sozialen Ausgrenzung und das Setzen auf Law-and-order-Lösungen. Klar, dass sie sich damit keine Freunde gemacht haben. Als "hochgradig albern" beurteilte der SPD-Fraktionschef Holger Christier schon die Anfänge von "Regenbogen". Krista Sager, Frontfrau der GAL, hackt heute noch nach: "Ich habe den Eindruck, dass wir auf 90 Prozent dieser Truppe gut verzichten können", sagte sie zuletzt im April.
Die Reaktion von Sager ist nicht verwunderlich. Die Rolle der GAL in der rot-grünen Koalition ist alles andere als rühmlich. Vielen erscheint sie als "Wurmfortsatz der SPD", wie es selbst zwei GAL-Abgeordnete fünf Monate vor der Wahl bezeichneten. Das zeigt sich auch in der momentanen Phase des Wahlkampfs. Getrieben von der CDU und der Partei des als "Richter Gnadenlos" zu trauriger Berühmtheit gekommenen Rechtspopulisten Roland Schill, setzt der rot-grüne Senat im Bereich der so genannten Inneren Sicherheit nun mehr voll auf Repression. Anfang Juli legte der neue Hamburger Innensenator Olaf Scholz (SPD) ein Konzept vor, das zentrale Forderungen von CDU und Schill in diesem Bereich übernimmt.
Für "Regenbogen" eigentlich optimale Bedingungen. Allerdings steht die linke Wahlliste vor zwei Problemen. Angesichts einer öffentlichen Wahrnehmung, die die Hamburger Wahl als Richtungsentscheidung zwischen Rot-Grün und einem rechten "Bürgerblock" aus CDU, FDP und Schill-Partei interpretiert, droht "Regenbogen" überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Dabei ist völlig unklar, ob die FDP zu einer solchen Konstellation überhaupt zur Verfügung stünde. Nicht nur bundespolitische Erwägungen lassen es wenig wahrscheinlich erscheinen, dass die Liberalen ein Jahr vor der Bundestagswahl eine Koalition mit Schill eingehen würde. Das zweite Problem ist die PDS. Dass sie zur Wahl antritt, könnte entscheidende Stimmen kosten. "Regenbogen" kommt insofern das Engagement von Gregor Gysi sehr gelegen. Mit ihm, so die Hoffnung, könne man auch potenziellen PDS-Wähler das Hamburger Kuriosum klar machen, dass, "wer in Hamburg PDS will, Regenbogen wählen muss", sagt Heike Sudmann.
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