And the OSCAR 2020 goes to ... ?

Film und Kino Der letzte Hollywood-Schauspiel-Gigant Kirk Douglas starb diese Woche mit 103 Jahren. Er bekam nie einen OSCAR. Warum eigentlich nicht?

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Einen kurzen Blick auf die Karriere des bewunderswerten Künslters und Menschen verbinde ich mit einer subjektiven Analyse, wer wann warum wofür einen OSCAR bekommt, meiner Wunschliste der Preisträgerinnen und Preisträger sowie einer Prognose auf die kommende OSCAR-Show in der Nacht von Sonntag auf Montag.

Kirk Douglas – eigentlich Issur Danielovich Demsky, Sohn ukrainiser bzw. russischer Einwanderer (da gehen die Quellen auseinander) - war in seiner langen Karriere drei mal für den OSCAR nominiert: Für ZWISCHEN FRAUEN UND SEILEN, STADT DER ILLUSIONEN (in der Rolle eines Filmproduzenten), sowie in und als VINCENT VAN GOGH – EIN LEBEN IN LEIDENSCHAFT. Für einige seiner herausragensten Rollen war Douglas nicht nominiert: Als französischer Kommandant in Stanley Kubrick´s WEGE ZUM RUHM, als skrupelloser Zeitungsreporter in REPORTER DES SATANS, als rauhbeinig-gewalttätiger Wikingerhäuptling in DIE WIKINGER und als SPARTACUS. Warum nicht. Biografien haben für Schauspieler sehr gute Chancen, besonders, wenn die gespielten Charaktere mit Krankheit und Tod konfrontiert waren und gesellschaftliche Relevanz hatten. Beispiele sind Ben Kingsley als GHANDI, Sean Penn als homosexueller Politiker Harvey MILK, Daniel Day Lewis als LINCOLN, Mery Streep als EISERNE LADY Thatcher, Eddy Redmayne als Steven Hawking und letztes Jahr Rami Malek als Freddy Mercury.
Warum bekam Kirk Douglas nie den OSCAR als bester Schauspieler? Er war zu eigenwillig, individuell und zu unangepasst. Als Produzent von SPARTACUS feuerte er den ursprünglichen Regisseur Anthony Mann nach wenigen Tagen und engagierte er Stanley Kubrick, von dem er seit seiner Zusammenarbeit bei WEGE ZUM RUHM begeistert war. Für das Drehbuch engagierte Douglas den Autoren Dalton Trumbo, der wegen Kommunismusverdachts auf der Schwarzen Liste des berüchtigten Senators McCarthy gestanden hatte, was ein Quasi-Berufsverbot war. Auch Andere hatten Dalton Trumbo Aufträge gegeben, aber er arbeitete unter Pseudonym; Douglas engagierte Trumbo unter seinem echten Namen. Das kam nicht unbedingt gut an und SPARTACUS wurde für sechs OSCARS nominiert und vierfach ausgezeichnet. Film, Regisseur und Hauptdarsteller waren nicht einmal nominiert.
Die Hollywood-Juroren mögen lieber angepasste Preisträger. Besonders im Regiefach wurden einige der bedeutendsten, kreativsten und innovativsten und eben auch eigenwilligsten Regisseure der Filmgeschichte nie mit dem Regie-OSCAR ausgezeichnet. Charles Chaplin, Orson Welles, Alfred Hitchcock und Stanley Kubrick. Im Regie-Fach mögen die Juroren lieber angepasste Auftragsregisseure, die brav ihre Jobs erledigen und für Einnahmen sorgen, wie z.B. Ron Howard, den verstorbenen Anthony Minghella, oder vor einigen Jahren Damien Chazelle (LA LA LAND, falls sich an den überhaupt jemand erinnert ...). Das letzte mal, dass ein kreativer Individualist für seine wilde und innovative Film- und Bildsprache ausgezeichnet wurde, ging der Regie-OSCAR überraschend an den Briten Danny Boyle für das Indien-Drama SLUMDOG MILLIONAIRE und das war vor elf Jahren.

Interessant ist auch die Aufteilung in Haupt- und Nebenrollen (leading role bzw. supporting role). Dieses Jahr ist Brad Pitt als bester Nebendarsteller in ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD nominiert. Dabei hat er die zweite Hauptrolle und einen sehr umfangreichen Handlungsanteil ohne Leonardo di Caprio. Auch letztes Jahr hatten John David Washington und Adam Driver gleichberechtigte Hauptrollen in BLACKKKLANSMAN. John David Washington war gar nicht nominiert und Adam Driver war als Nebendarsteller nominiert. Schon vor 25 Jahren war Samuel L. Jacksen als Nebendarsteller in PULP FICTION nominiert, obwohl er einen genau so großen Rollenanteil hatte wie der nominierte Hauptdarsteller John Travolta und in der Koffer-Episode die leitende und entscheidende Hauptfigur ist. Dagegen ist Anthony Hopkins als Hannibal Lecter in SCHWEIGEN DER LÄMMER als Figur weniger als eine halbe Stunde zu sehen und bekam den Hauptrollen-OSCAR.

Meine Prognose und Meine Wünsche für die kommende OSCAR-Verleihung ...

Hierzu muss ich anmerken, dass ich viele der nominierten Filme aus Zeitgründen nicht sehen konnte und einige Filme gar nicht sehen wollte.

Beste Hauptdarstellerin:

Renée Zellweger in JUDY. Wie oben schon beschrieben, haben Biografien besten Chancen. Die Darstellung des früheren Kinderstars Judy Garland (WIZARD OF OZ) in ihren späten Lebensjahren mit Karrieroproblemen und Suchtkrankheit gehört in die Kateghorie OSCAR´s Lieblinge.

Bester Hauptdarsteller:

Ich wünsche den OSCAR Leonardo di Caprio in ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD. Es ist seine beste Rolle seit Jahren und die beiden Szenen mit dem achtjährigen Mädchen sowie den Tobsuchtsanfall dazwischen im Wohnwagen halte ich für die besten Szenen seiner Karriere. Leo hat bereits einen OSCAR als REVENANT. Diesen Film mochte ich trotz di Caprio´s Leistung nicht. Es ist ein unangenehmer und hässlicher Film, in dem alles und jeder und besonders Leonardo di Caprio mit jedem Laut und jeder Bewegung schreien „Ich will den OSCAR!“, was ja auch funktionierte.
Allerdings befürchte ich, dass Joaquen Phoenix den OSCAR als JOKER bekommen wird. Den Film sah ich trotz einiger Empfehlungen - auch aus dem Freundeskreis nicht. MARVEL- und andere Comic-Filme sind in fast allen Filmen nicht das Geld wert und nach einigen Expertenmeinungen soll Joaquin Phoenix davor in zahlreichen Rollen in zahlreichen Filmen besser gewesen sein. Auch soll der Film ein wenig inspirierter Abklatsch von TAXI DRIVER sein. Ich werde mich bei Gelegenheit auf einem Streamingprogramm meiner Wahl überraschen lassen – oder auch nicht.

Beste weibliche Nebenrolle:

Hier tippe ich auf Scarlet Johansson in JOJO RABBIT. Viele tippen auf Laura Dern in MARRIAGE STORY, der allerdings eine NETFLIX-Produktion ist. Ich wundere mich sehr, dass Margot Robie zwar nominiert ist, aber nicht in ONCE UPON A TIME; als Sharon Tate ist sie brilliant.

Beste männliche Nebenrolle:

Hier tippe ich auf den eigentlichen zweiten Hauptdarsteller Brad Pitt in ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD. Hier sind seine großartigen Qualitäten zu sehen. Vorstellbar halte ich auch Al Pacino in THE IRISHMAN; immerhin spielt er den umstrittenen früheren Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa.

Bester internationaler Film:

PARASYTE aus Südkorea.

Beste Bildgestaltung:

Roger Deakins für 1917. Den Film kenne ich noch nicht. Er sieht aus, als sei er in einer einzigen Einstellung gedreht und muss eine filmische, organisatorische und logistische Meisterleistung sein, allerdings inhaltlich auch nicht ganz unproblematisch. Solche Leistungen liebt die OSCAR-Jury. Ebenfalls verdient wäre der OSCAR für Robert Richardson bei ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD. Richardson hat allerdings schon drei OSCARs.

Beste Filmmontage:

Interessanterweise sind weder ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD noch 1917 nominiert, der aussieht wie in einer Einstellung gedreht. Hier tippe ich realistisch auf FORD VS FERRARI. Verdient hätte es aber der Koreaner PARASYTE, dessen Szenen über weite Strecken einfach genial geschnitten sind.

Beste Filmmusik:

Als einzigen nominierten Film in dieser Kategorie kenne ich STAR WARS – EPISODE IX, dessen Komponist John Williams bereits fünf OSCARs hat und der vermutlich hier seine letzte Filmmusik komponierte. Heute wird John Williams 88 Jahre alt und tourt in seiner verbleibenden Zeit lieber über die Konzertbühnen der Welt. Ich tippe allerdings realistisch gesehen auf Hildur Guðnadóttir für JOKER; bereits letztes Jahr wurde ein Skandinavier für die MARVEL-Action-Gülle BLACK PANTHER ausgezeichnet.

Bester Filmsong:

Keine Ahnung. Vermutlich ein Song aus einem computer-animierten Bildschirmschoner von Diesney.

Beste Drehbücher:

Beim besten Drehbuch nach einer Vorlage tippe ich auf Steven Zaillian für IRISHMAN – sozusagen als Bonbon – sowie auf Quentin Tarantino für das Originaldrehbuch von ONCE UPON A TIME.

Beste Regie:

Einer der wenigen innovativen und kreativen Reggiseure dieser Zeit ist Quentin Tarantino. ONCE UPON A TIME ist nicht sein bester Film. Trotzdem verdient er den OSCAR. Er zelebriert und feiert Hollywoods Unterhaltungsindustrie und gibt eine Liebeserklärung an die Filmindustrie des gesamten Planeten ab. Außerdem bringt er seine Darstellerriege zu Top-Leistungen. Das sollte der OSCAR-Jury den Regie-OSCAR wert sein.
Ebenfalls verdient wäre der Regie-OSCAR für Bong Joon-ho (PARASYTE) aus Spüdkorea. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass nach dem Oscar für Alfonso Cuaron (ROMA aus Mexico) zum zweiten mal in Folge der Regie-OSCAR an einen fremdsprachigen Film geht.
Realistisch gesehen tippe ich allerdings auf Sam Mendes (1917), schließe aber auch nicht Todd Philips (HANGOVER-Trilogie) für seine mutmaßliche brave Auftragsarbeit bei JOKER nicht aus.

Bester Film:

Ich wünsche mir ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD. Begründung – s. beste Regie. Realistisch gesehen tippe ich aber auch hier auf 1917 bzw. auf JOKER.

Die ausführliche Liste der Nominierungen gibt es hier und hier.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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