And the OSCAR goes to …

Film + Kino Harmose Trump-Witzchen, ein paar nette Gag-Einlagen und ein peinliches Ende. Und der deutsche Film bekam nicht den OSCAR. Eine Zusammenfassung nach Schlafdefizit …

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Die positive Überraschung war zunächst einmal, dass der Beginn der OSCAR-Verleihung nach einigen Jahren erstmals in der Fernsehzeitschrift und auf allen Internetseiten korrekt angegeben war. Ich wurde nicht zu früh aus dem Schlaf gerissen, um mir noch eine halbe Stunde oder eine ganze Stunde das Geplapper über die OSCAR-Chancen oder die Festgarderoben der Stars auf dem roten Teppich anzuhören.

Viele Leute schienen die Erwartung zu haben, dass es bei den OSCARs zur großen Abrechnung mit Präsident Trump kommen werde. Da es unter konservativen Hollywood-Filmleuten auch einige Trump-Freunde gibt, fielen die Anspielungen eher zurückhaltend aus. Meryl Streep, die in den vergangenen Monaten einige höhnische Trump-Parodien lieferte, wurde vom Moderator gefragt, ob ihr Kostüm von Ivanka sei – oder wie die Tochter auch immer heißt. Zwischenzeitlich wurde die Twitter-Seite von Trump auf der Leinwand eingeblendet und es wurde bedauert, dass der Präsident noch keinen einzigen Kommentar zur OSCAR-Show gezwitschert hatte. Linus Sandgren, gebürtiger Schwede, wurde als bester Director of photography (Chefkameramann) für „LA LA LAND“ ausgezeichnet; der Moderator sprach im sein Bedauern dafür aus, was in Schweden passiert sei – eine Anspielung auf manipulative alternative Wahrheiten Marke Trump. Sonst kommentierten nur diverse Kommentatoren/innen und OSCAR-prämierte mit Spurenelementen von Migrationshintergrund mehr oder weniger nervös, dass die Filmindustrie auf Fachkräfte und Einwanderung angewiesen sei.

Zwischenzeitlich wurden ein paar Autogramm- und Selfie-Jäger in die Halle geholt und durften die Bekanntschaft ihrer Idole machen. Von der Hallendecke wurden Süßigkeiten und Gebäck mit Fallschirmchen von der Decke fallen gelassen. Und in Anspielung an die präsidiale Twitter-Manie durften diverse Schauspieler/innen die schlimmsten Beleidigungen vorlesen, die sie auf Twitter bekommen. So war jemand der Meinung, die spätere Oscar-Gewinnerin Emma Stone (für LA LA LAND) sähe in jeder Rolle aus wie eine Crack-süchtige Nutte.

Den OSCAR für den besten nicht-englisch-sprachigen Film bekam der iranische Beitrag, dessen Regisseur aus Protest gegen die aktuellen Einreisebeschränkungen nicht kommen wollte. Der deutsche Film TONI ERDMANN war nominiert und wurde wider Erwarten vieler deutscher Kommentatoren nicht ausgezeichnet. Das ist eigentlich keine Nachricht wert. Bloß weil ein oder zwei mal im Jahr ein deutscher Film wahrscheinlich über dem Durchschnitt sehenswert und originell ist und sich filmisch und erzählerisch über dem Niveau des üblichen Schweighöferischen und Til-Schweigerschen Abfalls bewegt, denken gleich alle Landsleute, es würde Golden Globes und OSCARs geben. Ich kenne TONI ERDMANN noch nicht und werde mich später überraschen lassen; gesehene Ausschnitte und Trailer animierten nicht zum Kauf einer Kinokarte. Bitte weiter träumen.

Der eigentliche Höhepunkt war das Ende mit einer denkwürdigen Panne. Bei der Präsentation des OSCARs für den besten Films des Jahres wurde den beiden Präsentatoren Faye Dunaway und Warren Beaty – zwei Brillianten unter lauter Briketts – ein falscher Umschlag untergejubelt und zunächst wurde das hübsch fotogrfierte und ausgestatte, aber – was man so liest – flache Musical LA LA LAND als bester Film angesagt. Der Fehler wurde noch während des Jubels bemerkt und aufgeklärt. Der echte Gewinner ist der Film über einen farbigen schwulen Jugendlichen.

Mit dem Regie-OSCAR für den Regisseur von LA LA LAND – es ist sein vierter Film und er ist der jüngste OSCAR-Regisseur aller Zeiten – disqualifiziert die Akademie sich und den OSCAR als Filmpreis von Qualität. Ein schnuckeliges Liebes-Musical in LA, das ganz LA liebt, bekommt den Regie-Oscar. Charlie Chaplin, Alfred Hitchcock, Orson Welles und Stanley Kubrick – vier der bedeutendsten Filmemacher aller Zeiten, nur vier Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit – bekamen nie den Regie-Oscar. Leonardo di Caprio ist sicher ein sehr guter Schauspieler mit vielen schwachen Rollen in seiner Karriere und einem nicht unverdienten OSCAR für seinen letztjährigen Abenteurfilm. Wahre Schauspiel-Giganten wie Kirk Douglas, der im letzten Dezember 100 Jahre alt wurde, oder Burt Lancaster bekamen den Schauspiel-Oscar nie, was im Fall Douglas politische Gründe hatte; für SPARTACUS hatte der den Kommunismus-verdächtigen Dalton Trumbo als Drehbuchautoren unter echtem Namen engagiert; mir fallen auf Anhieb drei Rollen von Douglas ein, die einen OSCAR verdient hätten. Samuel L. Jackson, der an diesem Abend Präsentator war und der alleine mit der Bewegung seiner Augen einen Ryan Goslin (Nominierung für die Hauptrolle) in den Keller spielen kann, war in den 90ern in PULP FICTION nicht einmal für einen Hauptrollen-OSCAR nominiert. Eminem bekam 2002 einen OSCAR für den besten Filmsong. Ennio Morricone, der legendäre italienische Komponist mit einer Karriere von über 60 Jahren wurde erst letztes Jahr für sein Spätwerk in THE HATEFUL EIGHT ausgezeichnet, dessen Original-Filmmusik genialerweise nur aus einem Stück in verschiedenen Variationen besteht.

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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