Aus alt mach neu - deutsches Kino heute

Film und Kino Seit Jahren verarbeitet nicht nur Hollywood mehr oder weniger gute ausländische Filme zu neuen Machwerken. Auch die Deutschen sind da ganz fleißig. Eine Bestandsaufnahme.

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Etwas Besseres kommt eigentlich nie dabei heraus. Teil 1

Das Original: DAS LEBEN IST EIN LANGER RUHIGER FLUSS (La Vie est un long fleuve tranquille)

Frankreich 1988, von Étienne Chatiliez, mit Benoît Magimel, Valérie Lalande, Maurice Mons, Christine Pignet, André Wilms, Hélène Vincent, Abbes Zahmani, Catherine Hiegel, Patrick Bouchitey, Emmanuel Grendrier, Jean-Brice Van Keer

In den 70er Jahren vertauscht eine Krankenschwester zwei Säuglinge, um ein Erpressungsmittel gegen ihren geliebten Chefarzt zu haben, der seine Ehefrau nicht verlassen möchte. Als der Chefarzt nach zwölf Jahren immer noch nicht mit ihr zusammen leben möchte, schreibt die Krankenschwester Briefe an die beiden Familien. Es kommt zum Skandal und die beiden betroffenen Kinder wechseln vorübergehend die Familien. Da die eine Familie reich und gebildet und die andere arme Ghettobewohner sind, gibt es natürlich besondere Eingewöhnungsprobleme und Konflikte. Das ist mit leichter Hand und scharfer sozialpolitischer Analyse gefilmt und sehr unterhaltsam. An manchen Stellen stimmt das Tempo nicht ganz aber wir sehen einen Erstlingsfilm. Also alle Achtung. Den Sohn der reichen Familie, der bei den armen Schluckern aufwuchs, spielt Frankreichs Kinostar Benoit Magimel mit 13 Jahren in seiner ersten Rolle.
Wenn ich mich richtig erinnere, basiert der Film auf einer echten Geschichte, die in Frankreich viel Aufsehen erregte.

Die deutsche Neuverfilmung: HIGH SOCIETY

Deutschland 2016, von Anika Decker, mit Emilia Schüle, Jannis Niewöhner, Caro Cult, Iris Berben, Katja Riemann, Jannik Schümann

Die Industriellentochter Anabel von Schlacht führt ein Leben wie aus dem Bilderbuch: Der Alltag der verwöhnten High-Society-Göre besteht nur aus Luxus, Shopping und Party. Dann aber wird ihr Leben praktisch über Nacht vollkommen auf den Kopf gestellt, denn es stellt sich heraus, dass sie nach der Geburt in der Klinik vertauscht wurde. Und ehe Anabel sich versieht, muss sie bei der wenig begüterten Familie Schlonz einziehen, zu Mama Carmen, zwei Geschwistern und einem illegalen Untermieter. Auch sonst weht in der Plattenbauwohnung ein anderer Wind als in der Luxusvilla bei ihrer bisherigen Mutter Trixi. Als wäre das alles nicht Stress genug, gerät die zickige Anabel auch noch mit dem örtlichen Polizisten Yann in Konflikt – an dem sie in Wahrheit mehr Gefallen findet, als sie zugeben will. (Inhaltsangabe: Filmportal.de)

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Hier feiern zwei Jung-Krankenschwestern ein Sektfrühstück in der Entbindungsstation, spielen mit den Säuglingen und verursachen aus Versehen einen Tausch. Das erfahren die beiden vertauschten Töchter und ihre Familien nach 18 Jahren aus der Zeitung. Einfach so. Woher sie es bei der Zeitung wissen, wird nicht erklärt; logische Handlungsverläufe werden ja im deutschen Kino oft überschätzt. Die weiteren Entwicklungen werden äußerst einfallslos und dumm erzählt und auch rein filmisch wird äußerst schlampig gearbeitet. So will Anabel mit ihrem neuen Polizistenfreund Yann bizarre Fesselspielchen machen, verkleidet sich als Domina mit Latexkostüm und Reitgerte und fesselt sich mit einer Handschelle ans Bettgestell. Eigentlich kenne ich es aus besseren Filmen so, dass der Sklave gefesselt wird und nicht die Domina. In dieser Szene ist Anabel dann abwechselnd mit der linken und mit der rechten Hand an das Bettgestell gefesselt und hält in der jeweils anderen Hand die Reitgerte, bevor sie ihrem Freund Yann den Popo – angezogen und ganz jugendfrei - verhaut. Schlampiger geht es nicht. Einer der schlechtesten Filme des vergangenen Jahrzehnts!

Das Original: DER VORNAME (LE PRÉNOM)

Frankreich 2012, von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte, mit Charles Berling, Valérie Benguigui, Patrick Bruel, Judith El Zein, Guillaume de Tonquédec, Françoise Fabian

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Babou und Literaturwissenschaftler Pierre laden Babou´s Bruder, seine hochschwangere Frau und einen Freund zum Essen ein. Zur Einleitung sehen wir zum Vorspann, der nur die Vornamen der Beteiligten aufführt, einen Pizzaboten mit dem Motorroller durch Pariser Straßen fahren, die nach berühmten Dichtern und Denkern benannt sind, die einst an schrecklichen Krankheiten oder durch grausame Hinrichtungen starben; er irrt sich in der Hausnummer und prallt an Pierre und seinen Pizza-Preisvorstellungen ab. Während der Vorbereitung eröffnet Bruder Vincent den bereits Anwesenden, dass sie ihren Sohn Adolph oder Adolf nennen wollen, was einen turbulenten Streit verursacht und später auch die äußerst ungewöhnlichen Vornamen der Kinder unserer Gastgeber zum Thema macht. Die werdende Mutter Anna kommt später, da sie als Unternehmensberaterin / Geschäftsfrau noch mit koreanischen Kunden zu tun hat, von denen ihr Mann denkt sie seien Japaner. Als vorläufigen Höhepunkt erleben wir das Geständnis von Orchestermusiker Claude, den die Anderen für homosexuell halten, ein Verhältnis mit einer nicht anwesenden Verwandten der Gastgeber zu haben, wozu ich nicht weiter spoilern möchte. Schließlich hat Gastgeberin und Köchin (marrokanisch) Babou einen Gefühlsausbruch, in dem sie sich über mangelnde Wertschätzung und Dankbarkeit beklagt. Die seelischen und körperlichen Verletzungen heilen und die Familie und Freunde wachsen noch mehr zusammen.
Die Regisseure adaptieren hier ihr eigenes erfolgreiches Theaterstück für die Leinwand und bringen die komplette Original-Theaterbesetzung vor die Kamera. Das ist auf jeden Fall ein enormer Vorteil, da alle Beteiligten extrem vertraut mit der Handlung sind und natürlich und hingebungsvoll spielen. Der Film ist spannend, temporeich und voller Komik inszeniert und spielt doch bis auf wenige Rückblenden verweisende Szenen nur in der Wohnung spielt.

Die Kopie: DER VORNAME

Deutschland 2018, von Sönke Wortmann, mit Christoph Maria Herbst, Caroline Peters, Florian David Fitz, Justus von Dohnányi, Janina Uhse und Iris Berben

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Wir sehen die identische Handlung mit wenigen Änderungen bei den Namen der Beteiligten und Dialogen. Hier fährt der Pizzabote mit dem Moped durch die Straßen der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn, die nach deutschen Dichtern, Denkern und Komponisten benannt sind. Auch hier werden zum Vorspann nur die Vornamen der Schauspieler eingeblendet; originell geht anders. Dabei hören wir zur Untermalung Paolo Conte´s kassischen Romantiktitel „Via con me – It´s wonderful“, was ein wirklich sehr schönes Lied ist, aber hier als musikalische Untermalung nicht einfallsloser sein könnte.
Was ist anders bzw. neu bzw. was fehlt: Das Essen ist indisch und die Kinder der Gastgeber werden ebenfalls im Rahmen des Streits erwähnt, aber sie sind nicht zu sehen. Die werdende Mutter ist keine Geschäftsfrau, die von einem Treffen mit Japanern kommt, die eigentlich Koreaner sind, sondern eine Schauspielerin, die von einem Vorsprechen für eine Theaterrolle kommt, während alle denken, sie würde für eine Fernsehserien-Rolle vorsprechen – also ganz wie im richtigen Leben bzw. was deutsche Drehbuchautoren dafür halten. Der Hund, der in Kinderzeiten aus Versehen getötet wurde, ist in einer Rückblende zu sehen. Und der Verdacht der mutmaßlichen Homosexualität ist im Original lässig und locker erzählt und in der Neuverfilmung nervig, spießig und verklemmt – wie fast immer im deutschen Kino.
Während die Franzosen mit natürlichem Charme naturidentische Dialoge aufsagen, wirkt in der deutschen Neuverfilmung alles gestellt und konstruiert und wird affektiert gespielt und aufgesagt. Schauspielerisch kann mich nur Caroline Peters (bekannt als Fernsehkommissarin aus Hengasch in der Serie „MORD MIT AUSSICHT“) als Gastgeberin überzeugen. Christoph Maria Herbst („STROMBERG“) ist ein sehr vielseitiger Schauspieler, spielt seine Rolle hier aber auf Autopilot als enttäuschendes Klischee des streitbaren Akademikers, weil scheinbar nichts Anderes von ihm erwartet wird; das ist schade. Justus von Dohnányi als Musiker finde ich hier nicht weiter erwähnenswert und besonders Florian David Fitz, einer der am meisten überschätzten Schauspieler in diesem Land, spielt jede Rolle gleich; er wirkt sowohl als Schauspieler als auch als Charakter von der ersten Minute an unsympathisch. Die werdende Mutter wird von Janina Uhse gespielt, der Tochter der Erotik-Unternehmerin Beate Uhse, was kein Vorwurf sein soll; sie kommt in ihrer selbstbewussten Rolle noch sehr vorteilhaft zur Geltung.
Der Film ist mit ca. 90 Minuten eine knappe viertel Stunde kürzer als das Original, ist aber deutlich zähflüssiger und abgesehen von einigen Schmunzelmomenten wirklich öde.
Etwas später schaue ich noch mal das filmische Original in der französischen Version mit Untertiteln und werde wieder sehr gut unterhalten und über manche Szenen erneut überrascht.

Das Original: KLASSEFESTEN

Dänemark 2011, von Niels Nørløv Hansen, mit Anders Berthelsen, Nicolaj Kopernikus, Troels Lyby, Mira Wanting, Camilla Soeberg

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Den ehemaligen Schulfreunden und immer noch Freunden Andreas, Niels und Thomas steht ein Klassentreffen bevor. Sie beschließen, etwas früher anzureisen und sich noch mal richtig zu amüsieren. Alle drei haben ihre Probleme. Andreas´ Ehe steht vor dem Aus. Niels leidet unter Hämorrhoiden und bekam seine Frau ausgerechnet vom jungen Eheberater ausgespannt und der sexuell aufgeschlossene Musiker Thomas beschließt, monogam zu werden, da seine Freundin endlich die Richtige für´s Leben ist. Bei Freizeitaktivitäten in Fitnessstudio und Sauna kommt es zu absurden Szenen. Eine Intimrasur hat blutige Folgen und Niels klemmt sich in der Sitzbank der Sauna die Hoden ein, bis sie blau anlaufen. Der Genuss von Sex, Drogen, Alkohol und Roch´n´Roll wird auch noch mal derb.
KLASSEFESTEN ist von der Thematik her nicht ganz neu, unterhält insgesamt aber sehr gut. Nicht ganz uninspiriert vom ersten HANGOVER-Film kann der Film durch seine kalkulierte politische Unkorrektheit, die unbekümmerte Erzählweise, das richtige Tempo und die sehr gut aufgelegten Darsteller überzeugen.

Trotz des Potentials wurde KLASSEFESTEN nie in Deutschland veröffentlicht. Es gab keine Kinoaufführung und der Film ist in Deutschland nicht auf Blue-Ray oder DVD und auch nicht bei einem deutschen Streaming-Anbieter erhältlich. Wer ihn sehen möchte - so wie ich, muss ihn umständlich aus Großbritannien oder Dänemark importieren und mit englischen Untertiteln schauen.

Die deutsche Kopie: KLASSENTREFFEN 1.0 – DIE UNGLAUBLICHE REISE DER SILBERRÜCKEN

Deutschland 2017, von Til Schweiger, mit Til Schweiger, Samuel Finzi, Milan Peschel, Lilli Schweiger, Katharina Schüttler, Jeanette Hain, Stefanie Stappenbeck und Nils´ (Samuel Finzi´s) Hämorrhoiden

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30 Jahre sind vergangen, seit Andreas, Nils und Thomas ihr Abitur gemacht haben. Als nun die Einladung zum Klassentreffen kommt, stürzt das die Freunde in eine Krise, denn die großen Träume und Ziele der Jugend sind längst den Ernüchterungen des Erwachsenenlebens gewichen: Beziehungskrisen, widerspenstige Kinder, Stress im Job. Trotzdem wollen sie sich selbst - und mehr noch ihren ehemaligen Mitschülern - beweisen, was sie draufhaben. Also fährt das Trio bereits zwei Tage früher in das Luxushotel, in dem das Klassentreffen stattfinden soll. Dort wollen die Endvierziger es mächtig krachen lassen, ganz wie früher. Unglücklicherweise hat Thomas eine Anstandsdame dabei: Lili, die aufmüpfige Tochter seiner neuen Freundin Linda. Die 17-Jährige soll im Auftrag ihrer Mutter ein wachsames Auge auf den DJ und Frauenhelden haben. Als der Tag des Klassentreffens dann endlich gekommen ist, lassen Verwicklungen und Turbulenzen nicht lange auf sich warten. (Inhaltsangabe: Filmportal.de)


Was ist neu bzw. anders: Die Handlung und sogar vollständige Szenen werden inhaltlich fast identisch übernommen, wobei das Tempo sehr schlecht gestaltet ist. Als neue Filmfigur, die nicht im dänischen Original enthalten ist, erweitert Til Schweiger das Trio mit der Tochter seiner Freundin zum Quartett, die sich selbst zur Wochenendsause im Luxushotel einlädt; es spielt Til Schweiger´s Tochter Lilli Scheiger. Neu sind auch das fragwürdige Frauenbild und die Schwulenfeindlichkeit.
Erneut sorgen Start- und Endtitel auf englisch für unfreiwilligen Humor – als ob sich im Ausland freiwillig jemand so etwas anschaut.
Es ist unfassbar. Der Film strotzt vor peinlichsten Klischees und ist frauenverachtend und schwulenfeindlich bis zum Geht-nicht-mehr. Wir lernen schon früh Nils´ Hämorrhoidenproblem kennen, das durch ständige Wiederholungen und Variationen nicht lustiger wird als beim ersten Dialog. Frauen werden hier durchgehend als notgeile Schlampen oder hysterische Zicken inszeniert und mehrfach über Tische oder andere Einrichtungsgegenstände geschleudert, wobei die Kameraperspektive gerne unter den Rock oder zwischen die Beine geht. Tommy´s (Til Schweiger) Ex-„Fuck-Buddy“ oder „Fuck-Body“ ist als Stalkerin inszeniert, die ihn mehrfach verfolgt und sexuell belästigt, von ihm bewusstlos in einen Wäscheschacht geworfen und fast überfahren wird. Selbst Schweigers untalentierter Tochter Lili kann man fast in die Ritze schauen, als ihre Filmfigur Lilli – sehr originell - besoffen im Bett liegt. Zwei ehemalige Lehrerinnen im reifen Alter sind angezogen wir Puffmütter. Andere Männer und besonders junge Männer werden permanent als Bedrohung für die eigene Ehe oder als homosexuelle Bedrohung für den eigenen Körper gesehen. Dann müssen wir eingeklemmte Genitalien in Großaufnahme und eine blutige Intimrasur ertragen, was im Gegensatz zum dänischen Original unangenehm und qualvoll und für niemanden außer Til Schweiger lustig ist. Wie unterhaltsam und handlungsfördernd eingeklemmte Genitalien sein können, sah ich im Sommer 2019 nochmal in Paul Verhoevens Meisterwerk TÜRKISCHE FRÜCHTE von 1973 mit dem kurz davor verstorbenen Rutger Hauer. Til Schweiger inszeniert seinen Tommy als prominenten und unwiderstehlichen Stecher und Frauenbeglücker, den alle sexuell verführen wollen, obwohl er monogam werden muss, während seine beiden Kumpels die Frau ausgespannt wurde bzw. die Ehe total kriselt und sie dabei im Vergleich zu Tommy herabgewürdigt werden. Seinen Tommy führt Schweiger dann mit der Kopulationsszene ein. Da ist es ja sehr apart, dass Schweigers Ex-Frau inzwischen über mehrere Til-Affären während ihrer Ehe berichtet. Merkwürdig ist, dass Tommy / Til Schweiger nie seinen Hut absetzt und sogar unter der Dusche und in der Sauna trägt, was mich eine Glatze vermuten lässt. Das ist alles so spießig und verklemmt, dass man sich an die Dirndl- und Lederhosenfilme der 70er Jahre oder die berüchtigten Report-Filme erinnert fühlt.
Dass Til Schweiger seine Filme gerne mit seinen untalentierten Familienmitgliedern und Kumpels besetzt, ist man ja inzwischen gewohnt. Es ist schon tragisch, dass Milan Peschel sich dem niedrigen Niveau so selbstverständlich anpasst und sich im wahrsten Sinn des Wortes zum Affen macht. Peschel ist anerkannter Theaterdarsteller und Theaterregisseur und bekam für seine Kinorolle als Krebskranker in HALT AUF FREIER STRECKE einen Bundesfilmpreis. Vermutlich um Gage zu verdienen, wirkte er bereits in mehreren peinlichen Filmen von und mit Matthias Schweighöfer mit. Ebenfalls bedauernswert ist der österreichische Filmstar Simon Schwarz als Moderations-Hampelmann bei der Klassenfeier; er spielte in mehreren österreichischen Brenner-Krimis mit Josef Hader mit und konnte als Co-Ermittler in den bayerischen Eberhofer-Krimis immerhin seine Würde bewahren.
Sehr negativ fallen die extrem aufdringlichen Produktplatzierungen auf, die alle als Sponsoren im Abspann aufgezählt sind, darunter ein Versicherungskonzern, für den Schweiger gemeinsam mit seiner Tochter Emma Tiger Werbung macht.

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Sehr anstrengend und teilweise unzumutbar ist die Montage. Til Schweiger ist selbst für den Endschnitt verantwortlich und zerlegt einfache Dialogszenen von zwei Minuten am Frühstückstisch oder an der Hotelrezeption in 60, 80 oder 100 Einstellungen von wenigen Sekunden oder Sekundenbruchteilen. Damit tut er weder uns noch seinen Darstellern*innen einen Gefallen, da ihre „Leistungen“ kaum betrachtet werden können. Dabei hätte ich einige Bilder, die ich lieber vergessen würde, wie die lila angeschwollenen Testikel von Nils (Samuel Finzi), gerne kürzer oder gar nicht gesehen. Eine hektische Montage kann bei Actionszenen oder zur Visualisierung einer Verunsicherung oder Paniksituation sehr sinnvoll sein, aber nicht bei ruhigen Dialogszenen; das ist das kontraproduktiv und nervig. Hier sieht man, was für ein miserabler Regisseur Til Schweiger ist und dass er keine Ahnung von Filmsprache hat. Entweder Schweiger passierten immer wieder Anschlussfehler oder andere Filmfehler, die er durch die Montage kaschieren möchte, oder er findet das gut so; in beiden Fällen ist er als Regisseur einfach nur unfähig. Besonders diese Montage und die penetrante Musikberieselung mit Schmusepop-Kakophonie machen den gesamten Film zu einer kinematografischen Nahtoderfahrung und neben anderen beschriebenen Mängeln zum schlechtesten Film des Jahrzehnts.
Ein Dialogsatz ist allerdings herausragend: „Pferden würde man den Gnadenschuss geben, wenn sie so werden wie wir.“ (oder so ungefähr). Das kann man auch auf Schweiger & Co. übertragen; sie bekommen für ihre Machwerke allerdings Filmförderung rektal verabreicht. Im Abspann finde ich insgesamt drei weitere Schweiger-Familienmitglieder, darunter seinen Sohn Valentin, der sich inzwischen vom Praktikanten bis zum Kamera-Assistenten hocharbeitete.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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