Das Filmfestival zum Abschied nehmen

Hofer Filmtage 2016: Ausgerechnet die 50. Ausgabe der Hofer Filmtage wurde durch den unerwarteten Tod des Festivalgründers und ewigen Leiters Heinz Badewitz im März geprägt. Ein Bericht.

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1988 bis 2016 - 18 mal Hofer Filmtage

Es ist nicht einfach, einen Einstieg in den Kosmos der Hofer Filmtage zu finden. Mein erstes Filmfestival war in Hof. Und die Hofer Filmtage sind das einzige Festival, das ich immer wieder mit einem sehr guten Freund besuche.
Auszubildende Anfang 20 waren wir, als wir von einem Filmfestival im bayerisch-sächsischen Grenzgebiet lasen. Wir fuhren hin im Herbst 1988, ohne genau zu wissen, ob das Festival überhaupt stattfindet oder wo. Wenig Geld hatten wir – zu wenig für ein Hotel, also nahmen wir ein Zelt mit. Da uns die Polizei das Zelten verbot, nächtigte Harald in einer Betonkrabbelröhre auf einem Spielplatz, ich in meinem alten Ford Fiesta. Ein echtes Abenteuer war das noch.
1989 und 1990 kam etwas dazwischen und wir blieben Hof fern, bevor wir es ab 1991 über zehn Jahre regelmäßig wagten. Drei Jahre nächtigten wir noch gemeinsam im Fahrzeug – mittlerweile im gebrauchten Fiat Panda – ZU ZWEIT im Fiat Panda. Das zum Schlafplatz umfunktionierte Vehikel war dann nachts auf dem Parkplatz der
Hofer Freiheitshalle abgestellt. Aber in einem Jahr ging es nur begrenzt, da Thomas Gottschalk zu "Wetten dass" in die Hofer Freiheitshalle einlud – das einzige nennenswerte Kulturangebot neben den Hofer Filmtagen. Jahre lang wurde die Halle aufwändig saniert und umgebaut.
Wir hatten keine Wasch- oder Duschgelegenheiten und müffelten wie mancher Obdachlose, nachdem wir mitten in der Nacht zum Schlafen kamen, um 7:00 Uhr am Morgen aufstanden, um nach Karten anzustehen.
Zwischenzeitlich verdienten wir das erste Geld und suchten eine preiswerte Unterkunft. Eine Pension im Osten von Hof wurde von einer alten Oma betrieben, die damit überfordert war. Das Haus befand sich im Umbau, der während unserer Jahre dort nie abgeschlossen wurde, und so lagerten abmontierte Deckenlampen auf Sofas und offene Wände warteten auf neuen Putz. Unsauber war es. In den Betten fanden wir fremde Schamhaare und dunkle undefinierbare Flecken, die wahrscheinlich Kaffee waren, aber nach etwas Anderem aussahen. Aber das Doppelbett mit Frühstück kostete nur DM 40,00; auf das Frühstück verzichteten wir nach den ersten Tagen aus hygienischen Gründen.
In den nächsten Jahren wechselten wir dann insgesamt drei mal dauerhaft das Domizil. Wirklich gemütlich war es nirgendwo. Die beiden nächsten Pensionen haben den Vorteil der teilweise unmittelbaren Nähe zu den
Abspielstätten; es ist dann im fortgeschrittenen Alter möglich, bei uninteressanten Filmen oder kartenlosem Status ein Nachmittagsschläfchen einzuschieben. Was uns dann jeweils wieder zum Ortswechsel animierte, war im ersten Fall eine schimpfende Zimmerwirtin, die wir nach unverhältnismäßig langer Fahrt durch Stau um 23:00 Uhr aus dem Bett klingeln mussen, obwohl sowohl im Hotel- und Gaststättenverzeichnis der Stadt Hof als auch am Eingangsschild stand, die Rezeption sei bis 23:30 besetzt. Die Duschen gaben nur mit Glück und Mühe warmes Wasser ab. H. sorge durch ein Versehen dafür, dass in einem Jahr die Dusche nicht richtig abgedreht war und das Wasser bis auf den Flur floss. Der Ärger der Zimmerwirtin war hier nachvollziehbar. Im nächsten Jahr wollten wir nicht wieder auftauchen wie die Bittsteller. Außerdem wurde das Haus – nicht wegen des Wasserschadens – renoviert und wir zogen um zu einem Wirt, bei dem wir uns immer fühlten als wolle er uns übers Ohr hauen. Bei Buchungen, die sich nicht über die gesamte Dauer der Hofer Filmtage zogen, berechnete er uns jeweils eine zusätzliche Nacht als Filmtage-Zuschlag. Dann mussten wir öfter feststellen, dass die Pension nicht voll mit Filmtagebesuchern ausbebucht war sondern teilweise mit Bauarbeitertrupps ergänzt war, die dort auf dem Weg in oder von der Tschechichen Republik waren. So hausten wir dort zum letzten mal 2004; seitdem waren wir nicht mehr gemeinsam in Hof – erst wieder 2009, 2011, 2013 und dieses Jahr.

Vor den Filmen und dem Drumherum verliere ich noch einige Zeilen über die Organisation der Hofer Filmtage, die bei allem Wohlwollen nicht wirklich professionell ist. So wurde die Internetseite Jahre lang kaum gepflegt. Erst am Wochenende vor Festivalbeginn waren Spielplan und Filmbeschreibungen online. Wer von außerhalb anreist, ist sehr unflexibel in Anreise und Planung. Vorbestellungen im Internet sind utopisch und werden von niemandem erwartet, da dieses Stadium des Dillentantismus irgendwie zum gewissen Charme dazu gehört. Nun werden aber immer noch Karten verkauft, auf denen nur eine Filmnummer, der Wochentag und das Kino stehen – kein Filmtitel, keine Uhrzeit. Das alles änderte sich nicht seit unseren Anfängen. Lediglich ein Umbau des Central-Kinocenters in den späten 90er Jahren vom altmodischen und gemütlichen Kuschelkino im 70er-Jahre-Stil zum modernen sterilen Multiplex führte dazu, dass der Kartenverkauf von einem Kartenhäuschen im Eingangsbereich in einen Mehrzweck-Container in der Fußgängerzone verlegt wurde, wo die Schlangen der Kinogänger seitdem ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt sind. Oft sind Vorstellungen offiziell ausverkauft, weil Fachbesucher Karten vorbestellen, sich dann kurzfristig umorientieren und beispielsweise auf Filmparties gehen – und die ausverkauften Vorstellungen dann auch mal nur zu zwei Dritteln gefüllt sind. Bis einschließlich 2002 oder 2003 konnte man nur am frühen Morgen Karten für den jeweils aktuellen Tag erwerben; zwischendurch konnte man mit viel Glück und Durchhaltevermögen an zurückgegebene Karten kommen oder mit noch mehr Glück und noch mehr Durchhaltevermögen vor ausverkauften Kinos doch noch auf freie Plätze lauern. Erst seit den Jahren danach war es möglich, ab 18:00 Uhr Karten für Vorstellungen des darauffolgenden Tages zu erwerben. Karten für spätere Tage gibt es bisher nicht. Seit 2011 ist es tatsächlich so, dass von Anfang an Karten für das komplette Filmfestival gekauft werden können. Das ist für die Hofer Filmtage eine Entwicklung, der vergleichbar mit dem Sprung von Stummfilm auf Tonfilm oder mit dem ersten Farbfilm ist.
In den
Filmprogrammen sind keine Produktionsländer aufgeführt. Das erschwert zusätzlich die Auswahl an Filmen.

Die 47. Hofer Filmtage 2013 waren leider so schlecht, dass ich mir fest vornahm, zu den 50. Hofer Filmtagen zurück zu kehren und auf ein besonders gutes Festivalprogramm zu hoffen. Sollte das Programm dann wieder nicht überzeugen, wollte ich eine unbegrenzte Pause von den Hofer Filmtagen machen.

Im Jahr EINS nach Heinz

Nachdem wir 2013 zwei Beinahe-Unfälle mit einem Rechts-Überholer und einem LKW, der uns beim (links) Überholen fast an die Leitplanke drückte, hatten, bin ich nicht mehr bereit, mit dem Wagen zu fahren. Also nötige ich H., dieses Jahr mit dem Zug zu fahren. Die Fahrt dauert nicht länger als mit dem eigenen Vehikel auf der Autobahn, ist bequem und entspannt. Der Nachteil ist eine gewisse mangelnde Flexibilität; wir müssen mit dem Bus und nachts mit dem Taxi fahren. Der große Vorteil ist, dass wir nicht mehr selbst fahren müssen und so das vorzügliche fränkische Bier genießen können. Ich suche eine Regionalverbindung von Frankfurt nach Hof aus, die unter fünf Stunden dauert und wir müssen nur einmal umsteigen. Leider fällt diese Verbindung wegen Gleisbauarbeiten aus und ist über eine Teilstrecke mit Schienenersatzverkehr - also Bus - ausgestattet; nein Danke. Wir fahren mit Umsteigen in Würzburg, Bamberg und Lichtenfels und kommen knapp nach 15:00 Uhr an. Bis zur ersten Vorstellung haben wir ausreichend Zeit, um Karten zu besorgen und nach Wölbattendorf zu fahren und uns im dortigen Landgasthof einzuquartieren. Standen früher am Kartenhäuschen in der Fußgängerzone um 16:00 Uhr 50 Leute an, bin ich der Zweite in der Reihe und bekomme fast für alle gewünschten Filme Karten. Der Eröffnungsfilm des Festivals, der auch unser Eröffnungsfilm sein sollte, ist leider ausverkauft. Der nachfolgende Film ist zum Glück ausverkauft; so bleibt uns ein Tatort mit Komissarin Lena Odenthal erspart.

Landgasthof Wölbattendorf. Holzklasse. Auf dem Zimmer gibt es eine Duschkabine, bei der wir den Atem anhalten müssen, bis wir sicher sind, dass es warmes Wasser gibt, und keine Toilette. Dafür kostet die Übernachtung mit Frühstück nur € 25,00.

Die Hofer Filmtage feiern nicht nur die 50. Ausgabe sondern stehen auch im Zeichen des unerwarteten Ablebens von Heinz Badewitz, dem Gründer und bis 2015 ewigem Leiter des Festivals. Er hatte dieses Festival geprägt wie kein anderer Festivalleiter ein Filmfestival. Er hatte jedes Jahr höchstpersönlich alle Filme gesehen und für das Programm ausgesucht. Das hatte viele Jahre den Vorteil, dass er unseren Horizont mit interessanten Filmen aus teilweise unbekannten Filmländern erweiterte. Damit hatte er uns als Stammpublikum gewonnen, überwältigt, erobert. Das hatte in den späten Jahren - auch bedingt durch eine veränderte Förder- und Kulturpolitik und eine veränderte Kino- und Produktionslandschaft - den Nachteil, aus einem schwächeren Filmangebot schwächere Filme zu wählen. Der Nachteil ist leider auch, dass ein Alter von 74 Jahren ein Alter ist, in dem ein Mensch sterben kann, und Heinz Badewitz es zu Lebzeiten leider versäumt zu haben scheint, sich ernsthafte Gedanken um eine geeignete Nachfolge und die Zeit nach ihm zu machen.

Als Übergangslösung wird das Programm von einem dreiköpfigen Kuratorium gestaltet und zusammen gestellt. Unter ihnen ist Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. Wenn die Spitzenofganisation der deutschen Filmwirtschaft für cinematographische Qualen wie die üblichen Schweiger-Schweighöfereien verantwortlich ist und deren Präsident hier das Programm leitet, dann ist dieses Trio zur Erneuerung des Festivals mit positiver Entwicklung bzw. zur Neuentdeckung alter Qualitäten wahrscheinlich nicht geeignet.

Donnerstag, 27. Oktober um 19:00 Uhr

Central 1 (275 Plätze): THE BIRTH OF A NATION - AUFSTAND ZUR FREIHEIT

USA, Originalfassung, englisch mit deutschen Untertiteln

Der Film erzählt – angesiedelt im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika 30 Jahre vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs – die wahre Geschichte von Nat Turner, einem gebildeten Sklaven und Prediger. Sein vom Bankrott bedrohter Besitzer Samuel Turner nimmt das Angebot an, Nats Fähigkeiten als Prediger einzusetzen, um beruhigend auf rebellische Sklaven einzuwirken. Als Nat im Zuge seiner Tätigkeit Zeuge unzähliger Grausamkeiten wird – gegen ihn selbst, seine Frau Cherry und befreundete Sklaven – zettelt er einen Aufstand an in der Hoffnung, sein Volk in die Freiheit zu führen.

Hauptdarsteller, Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Nate Parker gibt ein sehr undifferenziertes Portrait des Freiheitskämpfers und der Zeit ab. Nat Parker entdeckt die christliche Religion und entwickelt sich zum begabten Prediger, was von den Weißen gerne genutzt wird, um um auf den Plantagen für Ruhe und Ordnung zu sorgen. In diesem Zusammenhang greift der Regisseur zu einer sehr aufdringlichen religiösen Symbolik. Der Aufstand mit zahlreichen Morden an kompletten Farmerfamilien wird dann als Akt der Gerechtigkeit und Tat im Auftrag Gottes geschildert; die dazu eingespielte Filmmusik unterstreicht die Vorgänge als Heldentaten und wirkt äußerst deplaziert. Bei näherer Betrachtung unterscheidet den afroamerikanischen Freiheitskämpfer nicht sehr viel vom Gotteskrieger gleicher oder anderer Religionszugehörigkeit in den Jahren der Kreuzzüge oder des 21. Jahrhunderts.
Note = 3-

21:15 Uhr. Wir haben ausreichend Zeit, in einem so genannten Biersalon zu essen, den es bei unserem letzten Besuch 2013 noch nicht gab. Die Essensauswahl ist in Ordnung. Die Bierkarte sieht sehr viel versprechend aus. Dann sind die Käsespätzle ganz gut, aber nicht sensationell. Die Bierkarte hat neben diversen Fassbieren aus der Gegend auch eine umfangreiche Karte von Flaschenbieren. Wir probieren merkwürdige Sorten wie Mopsfidel und ein Erotikbier, das unangenehm schmeckt. Die Atmosphäre entspricht auch nicht einer urigen Bierknkeipe und wir hören Schwermetallmusik.
Die Gegend um das Scala-Kino war nie die Schönste. Der Straßenzug um die Wörthstraße besteht aus türkischen und russischen Gammellädchen, von denen inzwischen die meisten geschlossen sind. In der Nähe befindet sich der Busbahnhof vor einem großen Ex-Einkaufszentrum, das bereits in den 80er Jahren, bevor wir zum ersten mal in Hof waren, stillgelegt wurde. 2013 war rechts neben dem Kino noch ein gemütlches Cafe, das sich vermutlich in der schlechten Gegend auch nicht halten konnte. Nun haust dort eine Shisha-Bar, die den Straßenzug mit lautem Orientpop beschallt.
H. trifft im Foyer einen Bekannten, den er vor einigen Jahren in Hof traf und der im gleichen Landgasthof wie wir wohnt.

23:15 Uhr im Scala-Kino (401 Plätze): LAVENDER

Kanada, Originalfassung, englisch

Was ist ein Gespenst anderes als eine Erinnerung, die nicht vergessen werden will? Jane hat von jeher alte, verlassene Farmhäuser fotografiert. Es ist ein fast besessenes Hobby, aus dem jedoch eine erfolgreiche Karriere wurde. Doch eines Tages nimmt sie ein besonderes Haus auf … und alles verändert sich. Bei einem tragischen Unfall verliert sie das Gedächtnis. Plötzlich tauchen sonderbare Kästen vor ihrer Tür auf, die Hinweise auf die Vergangenheit bergen, an die sie sich nicht erinnert … und auch auf eine vergessene Familie, die sie vielleicht vor 20 Jahren umgebracht hat.
Mit Hilfe ihre Mannes, eines Onkels, zu dem sie länger nicht Kontakt hatte, und ihres Psychiaters versucht sie, die Vergangenheit zu erarbeiten, um herauszufinden, was vor 20 Jahren geschehen ist. Doch schon bald entdeckt sie, dass man manche Dinge besser definitiv vergessen sollte.

Es sind höchstens 50 Zuschauer/innen im Riesenkino. Der Regisseur ist anwesend und stellt den Film vor. Er ist total aufgedreht und verspricht, sich zu betrinken und alle Fragen zu beantworten, wenn wir nur da bleiben.
Wir sind total übermüdet und schlafen während der Vorstellung mehrfach kurz ein. Das reicht, um den Anschluss zu verpassen und die Handlung nicht mehr vollständig zu verstehen. Sehr schade. Soweit ich es beurteilen kann, ist es ein sehr spannender und gut konstruierter Psychothriller, der hoffentlich regulär im Kino oder auf DVD erscheinen wird.
Der Regisseur redet noch eine halbe Stunde und ist nicht zu stoppen; es ist die letzte Vorstellung
1:30 Uhr. Busse fahren um diese Zeit nicht mehr. Wir sind gezwungen, im nahe gelegenen Hotel Strauß, dem zwischenzeitlichen Wohnzimmer der Fernseh- und Filmprominenz, nach der Telefonnummer des örtlichen Taxidienstleisters zu fragen. Vor der Tür rauchen Partygäste.
2:00 Uhr. Bettwärts dann.
Wenn im Nachbarzimmer jemand den Wasserhahn aufdreht, gluckert es bei mir in der Duschkabine. Jede Bewegung seitwärts verursacht ein lautes Knarren und Knirschen. Der nächtliche Toiletttengang verursacht wahrscheinlich überall Schlafunterbrechungen.
6:00 Uhr. Partygäste treffen ein und machen Radau. Erst nach Protest geben sie einigermaßen Ruhe.

Freitag, 29. Oktober

Wir kehren im ehemaligen Pressecafé ein. Früher gab es hier keine freien Plätze. Fernseh- und Filmprominenz besetzte alle Tische. In den frühen 00er Jahren besetzten die Laptopträger die Plätze. Heute sitzen wir gut verteilt zu siebt im Lokal. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Stadt und das Filmfestival in die Bedeutungslosigkeit absteigen.

12:00 Uhr im Scala: COMMENT J’AI RENCONTRÉ MON PÈRE / HOW I MET MY FATHER

Frankreich, Originalfassung, französisch mit englischen Untertiteln

Zum Schulbeginn läuft für den kleinen adoptierten Enguerrand nichts so wie bei anderen. Dabei hat er sich so auf die Schule gefreut. Der Großvater, André, lebt lieber im Altersheim als bei seinem Sohn. Eliot ist ein überbesorgter Vater, kommt mit seiner Rolle als Adoptivvater eher schlecht klar und nervt seinen Sohn mit unendlichen Ausführungen über dessen afrikanische Herkunft. Ava, die Mutter, ist die einzige, die wirklich arbeitet und die gesamte Familie ernährt. Noch komplizierter wird die Lage, als Enguerrand mit einem Unbekannten im Haus auftaucht, den er als seinen leiblichen Vater vorstellt. Seine Eltern lernen Kwabéna kennen, einen illegalen Einwanderer aus Afrika, der eigentlich nur nach England will. Für Ava ist er der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, für Eliot ein Rivale, den er jedoch als seinem Trumpf ausspielen will, um das Herz des Kindes zu erobern. Dieses Abenteuer könnte vielleicht die Familie enger zusammenschweißen …

Der Regisseur ist da und stellt den Film vor. Im Kino sind schätzungsweise 40 Kinogäste anwesend.
Das klingt wie eine übliche französische Wohlfühlkomödie, die in Deutschland einen Titel mit "Willkommen" oder "ziemlich" bekommen wird, also ziemlich doof. Doch die Überraschung ist groß und positiv. Das schwierige Thema Flucht und Migration ist mit leichter Hand inszeniert, humorvoll und dabei auch nachdenklich. Bleibt noch zu ergänzen, dass der Opa aus vorigen Altenwohnheimen heraus flog, weil er mit verschreibungspflichtigen Medikamenten handelt und gerne Prostituierte ins Heim holt.
Beim Verstecken und Transportieren des afrikanischen Flüchtlings wird zu vielen einfallsreichen und originellen Notlösungen gegriffen, die nicht immer politisch korrekt sind. Am Schluss wird es ein klein wenig seicht, als der Opa an einer Überdosis Viagra verstirbt und eine fingierte Beerdigung in England genutzt wird, um Kwabena nach England zu schmuggeln.
Insgesamt eine sehr positive Überraschung. Note = 2+

14:30 im Scala: I HAD NOWHERE TO GO

Dokumentarfilm, Deutschland, Originalfassung, englisch mit deutschen Untertiteln

Das 20. Jahrhundert hat Millionen Flüchtlinge, Exilierte, Staatenlose und Vertriebene hervorgebracht. Manche von ihnen lassen sich nieder und schlagen neue Wurzeln, andere reisen weiter, warten und träumen, irgendwann wieder nach Hause zurückkehren zu können. Hier haben wir eine Lebensgeschichte, Gedanken und Gefühle eines Vertriebenen aus erster Hand. Es ist der schmerzliche Bericht über die Erfahrungen in einem Arbeitslager der Nazis, fünf Jahre in einem Auffanglager und dann die ersten Jahre des jungen Immigranten aus Litauen in New York.

Die Opfer des Nationalsozialismus sterben langsam aus. Also ist es wichtig und unverzichtbar, zu hören, was sie zu sagen haben. Es gibt jede Menge zu erfahren.
Leider wird hier das Schlimmste daraus gemacht.
Als wir das Kino betreten beginnt der Film. Zu den Erzählungen des alten Mannes sehen wir mehrere Minuten lang eine schwarze Leinwand, deren Schwärze kurz durch eine rote Leinwand unterbrochen wird. Nur mit dem roten Restlicht sind wir in der Lage, Sitzplätze im spärlich besetzten Kino zu finden.
Mehrere Minuten schwarzes Bild. Eine Minute sehen wir Kartoffeln und Rüben in einem Topf kochen. Schwarzes Bild. Minuten lang. Wir sehen noch einmal die Kartoffeln und Runkelrüben im Topf. Das hat nicht das Geringste mit den Erzählungen des alten Mannes zu tun. Mehrere Minuten schwarz. Wir sehen einen Gorilla im Zoo, der sich zwischen den Zehen kratzt. Aha. Also doch kein verfilmtes Kochbuch. Schwarz. 30 Sekunden sehen wir eine Zwiebel, die über den Tisch kullert. Schwarz. Der Film dauert jetzt vorsichtig geschätzt 20 Minuten und besteht aus etwa 16 Minuten ohne Bildinhalt. Wir gehen. Auf den letzten Metern sehe ich wie Pellkartoffeln geschält und klein geschnitten werden. Ob ein Kartoffelsalat oder etwas Anderes zubereitet wird, erfahren wir nicht mehr.
Note = 6- Wer sucht so einen Unfug aus.
Eiskaffe im Eiscafé.

16:45 Uhr im Central: NEITHER WOLF NOR DOG

USA, Originalfassung, englisch mit deutschen Untertiteln

Dan, ein Stammesältester der Lakota, bittet den weißen Autor Nerburn, ein Buch über sein Leben und die Geschichte seines Volkes zu schreiben. Doch Nerburn glaubt, dem Projekt nicht gewachsen zu sein, lehnt also nach einigem Zögern zunächst ab, ändert dann aber aufgrund bestimmter Begebenheiten seine Meinung. Nach einem chaotischen Fehlstart wird er von Dan und Grover schließlich auf eine Reise durch das heutige Amerika der Ureinwohner entführt. An bedeutenden Orten machen sie Halt, wo Dan und sein Gefährte Grover versuchen, Nerburn mit ihrer Lebensweise vertraut zu machen, ihn aber auch bitten, ihre Geschichte auf seine eigene Art zu erzählen, ohne den Klischees der Weißen zu verfallen, die, von Schuldgefühlen getrieben, dazu neigen, die Urbevölkerung zu glorifizieren. Das Echo des großen amerikanischen Genozids zieht sich dennoch durch die gesamte Geschichte.

Der Regisseur ist anwesend und berichtet davor und danach ausführlich über die Dreharbeiten und den 95jährigen Hauptdarsteller. Aus dem ernsten Thema hätte mehr werden können, doch die mangelnde finanzielle Ausstattung und der Gesundheitszustand des 95Jährigen setzen dem Produktionsstil enge Grenzen. Insgesamt sehenswert. Der Regisseur gibt an, vor 22 Jahren zum ersten mal bei den Hofer Filmtagen gewesen zu sein; hoffentlich dauere es nicht wieder 22 Jahre, bis er zum nächsten mal komme. Hmm. Die 72. Hofer Filmtage 2038 ...
Note = 3

19:15 im Central: I, DANIEL BLAKE / ICH, DANIEL BLAKE von Ken Loach

Großbritannien, Originalfassung, englisch mit deutschen Untertiteln

Daniel Blake ist ein geradliniger und anständiger, zeitlebens Steuern zahlender Durchschnittsengländer – bis seine Gesundheit ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Jetzt, im gesetzteren Alter, will ihm die willkürliche Staatsbürokratie den Bezug von Sozialhilfe verweigern. Schnell gerät er in einen Teufelskreis von Zuständigkeiten, Bestimmungen und Antragsformularen. Daniel Blake rechnet nicht damit, dass die geradezu kafkaeske Situation ihn fast in die Knie zwingen wird. Seine Wege kreuzen sich mit Katie und ihren beiden Kindern Daisy und Dylan. Sie raufen sich zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammen und erfahren neben den ständigen Seitenhieben der Behörden auch viel Solidarität – von ehemaligen Kollegen, sogar von Daniels schrägem Nachbar. Doch die bürokratischen Klippen des sogenannten Sozialstaates sind tückisch. Da wird Ohnmacht zur Wut – und so leicht geben Daniel und Katie ihre Träume und Hoffnungen nicht auf …

Ken Loach ist der Regisseur der schrumpfenden Arbeiterklasse, der Arbeitslosen, der Prekären, der Abgehängten. Für dieses Werk bekam Ken Loach erneut die Goldene Palme von Cannes.
Daniel Blake hatte einen Herzinfarkt. Seine Ärzte halten ihn noch für arbeitsunfähig. Eine Befragung bei einem privaten Dienstleister im Auftrag der Arbeitsverwaltung bringt genug Punkte, um als arbeitsfähig zu gelten. Also gibt es kein Krankengeld mehr. Arbeitslosengeld gibt es nicht, da er als arbeitsfähig gilt. Sozialhilfe gibt es auch nicht. Also hat Daniel Blake kein Einkommen. Widersprüche sind nur als Onlineverfahren möglich und mit Internet kennt sich Daniel Blake nicht aus. Katie dagegen musste mit ihrer Familie aus London nach Newcastle ziehen, weil sie sich die hohe Miete in London nicht leisten kann und keine Unterstützung bekommt. Sie kann im trüben nordenglischen Herbst die Heizung nicht bezahlen und spart sich das eigene Essen vom Mund ab, um genug Geld für die Kinder zu haben. Schließlich sieht sie sich gezwungen, sich zu prostituieren, um Geld zu verdienen.
Mit einfachen Mitteln ohne Mätzchen, dafür mit höchster erzählerirscher und dramaturgischer Klasse erzählt Ken Loach die Geschichte der einfachen Menschen und die Absurditäten eines neoliberal durchstrukturierten Asozialsystems. Die Dialoge glänzen mit trockenem Humor, bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Die Darsteller sind ausgezeichnet und spielen absolut glaubwürdig.
Herausragend. Note = 1+

23:15 Uhr im Scala: THE FIXER / BURN COUNTRY

USA, englische Originalfassung

Ein Fixer ist im Journalistenjargon jemand, der von ausländischen Journalisten dafür bezahlt wird, Informationen für neue Stories, speziell an Kriegsschauplätzen, zu finden. Osman hat seinen Job als Fixer für westliche Journalisten im Kriegsgebiet Afghanistan aufgegeben und arbeitet nun in einer kleinen kalifornischen Stadt als Kriminalreporter für ein dortiges Blatt. Er will seine neue Umgebung kennenlernen und freundet sich mit Lindsay und Sandra an. Doch als Lindsay unter seltsamen Umständen verschwindet und Osman ihn sucht, gerät er in den Sumpf der Kleinstadt. Die Dinge werden gefährlich, und in seinem Umfeld bekommt er eine ihm unbekannte Form von Gewalt zu spüren. Osman muss sich mit der schwierigen Realität seines neuen Lebens auseinandersetzen.

Wir schlafen erneut beide ein, was allerdings kein großer Verlust ist. Die Geschichte ist überwiegend uninteressant erzählt und die einzige Überraschung ist der allgemein überschätzte James Franco (SPIDERMAN, SPRINGBREAKERS) in einer Nebenrolle.
Note = 4

Samstag, 29. Oktober um 11:00 Uhr im City (181 Plätze)

Ein Kurzfilmprogramm mit Klassikern der 60er und 70er Jahre, die in Hof Premiere hatten

AUTORENNEN von Vlado Kristl, 10 min / SAME PLAYER SHOOTS AGAIN von Wim Wenders, 12 min / LETZTE WORTE von Werner Herzog, 13 min / FRANKENSTEIN AM RHEIN von Hans Noever, 47 min
Wir bekommen einen Eindruck vom Geist und Gründungsmythos der Hofer Filmtage, der über Allem schwebt. Aus historischen Gründen sind die Filme ganz interessant, anfangen kann ich damit nichts. Die zuvor anwesenden Wim Wenders und Werner Herzog sind nicht da sondern frieren am Fußballplatz. Die Bewertung entfällt.

13:45 Uhr im Classic (130 Plätze): Messer im Kopf von Reinhard Hauf

Deutschland 1978, deutsche Originalfassung

Polizeirazzia in einem Jugendzentrum, ein Mann wird angeschossen. Als er schließlich nach langer Bewusstlosigkeit erwacht, ist er ein Mann ohne Erinnerung, ohne Sprache. Wer ist dieser Mann? Ist er – wie seine Freunde behaupten – der weitabgewandte, in einem Forschungsinstitut still vor sich hin arbeitende Biogenetiker Hoffmann, 35, ein „Opfer des Polizeiterrors“? Oder ist er – wie Polizei und Presse erklären – ein gefährlicher „Terrorist“, dessen Beruf nur der Tarnung dient? Hoffmann kennt sich selbst nicht mehr. Unter den Augen einer ihn Tag und Nacht observierenden Polizei nimmt er den mühseligen Kampf gegen die körperlichen und psychischen Folgen seiner Verletzung auf. Er muss alles neu lernen: Sehen, Hören, Fühlen, Gehen, Sprechen. Er führt den seine Existenz entscheidenden Kampf um die Wahrheit, seine Vergangenheit und eine bestimmte Nacht.
Was geschah in dieser Nacht wirklich? Hat der Polizist – schießwütig – einem harmlosen Bürger eine Kugel durch den Kopf gejagt? Oder hat Hoffmann – gewalttätig – dem Polizisten Schurig zuerst ein Messer in den Bauch gestochen? Trotz seiner Krankheit gelingt es Hoffmann schließlich mit ihren Mitteln, sich aus dem Teufelskreis suggestiver Spekulationen zu befreien. Er spielt den Verrückten, verfolgt Schurig, den einzigen Menschen, der ihm helfen kann, und zieht die Konsequenz.

Die Hauptrollen spielen der sehr junge Bruno Ganz und Angela Winkler (Mutter Matzerath aus der Blechtrommel). Wir sehen auch den sehr jungen Heinz Hönig, der inzwischen ganz von der Bildfläche verschwunden zu sein scheint, sowie die verstorbenen Hans Christian Blech und Hans Brenner (Vater von Moritz Bleibtreu). Aus heutiger Sicht etwas altmodisch aber fesselnd erzählt erleben wir ein Geschichtsbild des Heißen Herbstes in den 70er jahren. Stark. So etwas wird heutzutage gar nicht mehr gedreht. Auch Darsteller/innen dieser Klasse gibt es eigentlich gar nicht mehr.

Wir sehen den Film in einer überwiegend sehr gut erhaltenen 35-mm-Fassung mit wenigen Abnutzungen. Das hat heutzutage Seltenheitswert. Eine gut erhaltene 35-mm-Kopie hat fast immer noch eine bessere Bildqualität als eine noch so gute Digitalprojektion.

17:30 im Scala: AM ABEND ALLER TAGE

Fernsehfilm von Dominik Graf
Deutschland, deutsche Originalfassung

Das Scala ist mal wieder ausverkauft, um einen Fernsehfilm zu sehen, der in einigen Monaten im ARD-Abendprogramm laufen wird. Die Moderatorin sagt den Film als "Das Leben der Anderen" an. Dominik kommentiert, dass er nicht sicher ist, ob er diesen Film gerne gedreht hätte. Die Moderatorin versinkt vor Scham fast unter der ersten Zuschauerreihe.
Dominik Graf ist der Gott der Fernsehunterhaltung und oft hier. 2014 war er sogar mit seinem aktuellen Fernsehfilm aus der Reihe Polizeiruf 110 in einer verlängerten Version da, der am Wochende davor in der 90-Minuten-Version in der ARD gelaufen war; das gilt dann als Programmhöhepunkt.

Philipp Keyser jagt im Auftrag anonymer Geschäftsleute ein verschollenes Gemälde. Es ist seine Chance, beruflich wieder auf die Beine zu kommen. Und so kennt er keine Skrupel, als er sich der jungen Malerin Alma bedienen muss, um sich dem Besitzer des Bildes nähern zu können. Die Suche nach dem Bild und die Nähe zu Alma ziehen Philipp in einen Strudel, in dem sich Liebe und Schuld auf gefährliche Weise vermischen und in dessen Zentrum ein Bild schimmert – das es vielleicht gar nicht gibt …

Die Fragerunde mit dem Publikum wird von einer anderen Moderatorin geleitet. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Versprecher der ersten Moderatorin ist nicht feststellbar.

Inspiriert ist der Film durch den Fall des Kunstsammlers Gurlit. Die Bildgestaltung ist durchaus ordentlich. In Erinnerung bleiben nach mehreren Tagen eigentlich nur der Hauptdarsteller Friedrich Mücke . Er kann was, wenn er will und wenn man ihn lässt, das architektonisch sehr interessante Haus mit Garten des Herrn Dutt und dessen Darsteller, der inzwischen 83jährige Ernst Jacobi, sowie eine Reihe zurückhaltender Erotikszenen.
Bei der Ausstattung wurden Sammlungs- und Museumsstücke echter Gemälte fotografiert und teilweise nachgestaltet.
Sehr irritierend ist, dass fast ständig geraucht wird. Auch in Räumen, in denen die Bilder gelagert werde, rauchen sie dauernd, was sicher nicht gut für die Bilder ist. Daher frage ich Dominik Graf bei der Fragerunde nach dem Film, ob das sehr logisch und realistisch ist. In seinen Filmen werde immer und überall geraucht, das müsse also auch hier so sein. Entweder opfert Dominik Graf hier die Logik einem Stilmittel, auf das er nicht verzichten möchte, oder das Drehbuch war einfach schlampig geschrieben. Na ja. Das Fernsehpublikum, dass sich im Frühjahr 2017 ohne Anstrengung berieseln lassen möchte, wird es schon nicht merken.

Direkt nach der Vorstellung, als sich das Kino lehrt, wird Dominik Graf interviewt und meint, es solle bei den Hofer Filmtagen alles so weiter gehen wie bisher. Im Hintergrund bin ich mit Mütze und rotem Jäckchen zu sehen, wie ich vorbei laufe.

20:00 Uhr. Wir essen in einem klassischen altbayerischen Restaurant mit edler Einrichtung und höheren Preisen. Während wir bereits sitzen und auf unser Essen warten, begrüßt der Oberkellner eine Gruppe von Stadthonoratioren. Das Separee ist leider besetzt. Das macht aber nichts, es sei ja kaum Fernsehgesinde da. Ich schlage vor, bis zum Beginn der nächsten Vorstellung hier zu bleiben und das gute Hofer Bier zu genießen. H. besteht aber darauf, umzuziehen. Erst will er mich in ein neues Lokal schleppen, in dem die Gäste auf mit Gras bepflanzten Holzpaletten sitzen; ich weigere mich. Dann einigen wir uns auf den Biersalon vom Donnerstagabend. Dort ist es total voll, viel zu warm und so laut, dass eine Unterhaltung unmöglich ist. Da gehe ich auch wieder raus. H. ist sauer und wir haben Streit und trennen uns vorübergehend.

22:30 im Scala: PATERSON von Jim Jarmusch

USA, Originalfassung, englisch mit deutschen Untertiteln

Der Film erzählt die Geschichte des Busfahrers Paterson, der genauso heißt wie der Ort, in dem er wohnt. Die Kleinstadt in New Jersey und ihre eigentümlichen Bewohner sind zudem die Inspiration für die Gedichte, die Paterson Tag für Tag in der Mittagspause auf der Parkbank verfasst. Während seine Freundin Laura ihn zur großen Dichterkarriere bewegen will, ist Paterson überaus zufrieden mit den kleinen Dingen des Lebens und der Poesie, die er im Alltäglichen findet.

Bei näherem Studium im Katalog klingt die Handlung ungefähr so interessant wie eine Ladung Buntwäsche, die sich in der Waschmaschine dreht. Erfahrungsgemäß werde ich auch wieder einschlafen, also beschließe ich, zu einem Ort zu fahren, der zum Schlafen einigermaßen geeignet ist - das Hotelbett.

Der Taxifahrer erzählt ein bischen von der Entwicklung. Es sind auch nach seiner Beobachtung weniger Filmtage-Gäste da als in den vorigen Jahren. Der harte Kern der Fachbesucher und Partygäste hält das Taxigewerbe aber in diesen Tagen aufrecht.
Vor Jahren hatte er einen Unfall mit Heinz Badewitz und seinem Fahrer und deren Jaguar-Limousine (!!!). Sein Fahrgast knallte mit dem Kopf gegen die Scheibe und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Badewitz´Fahrer war schuld und die Versicherung bezahlte. So lernte er "den Heinz" kennen. Er war sehr nett und besorgt. Ob es stimmt, weiß ich nicht. Jedenfalls ist die Zeit den Limousinen wohl vorbei.

Sonntag, 30. Okober. Winterzeit

Um 3:20 Uhr kommen H. und sein Kumpel von DER Filmparty zurück. Sie geben sich größte Mühe sehr leise zu sein, aber die Minuten bis zum Bett sind trotzdem sehr geräuschvoll. Der Andere ist am nächsten Morgen nicht mehr zu sehen. Er muss total verkatert sein.

Der Bus fährt nicht planmäßig sondern muss mit einem Zeitfenster von einer Stunde telefonisch bestellt werden. Das muss man auch wissen. Der Bus ist dann ein Kleintransporter. Der Busfahrer, den es aus dem Brandenburgischen hierher verschlug, ist so nett, uns bis an den Hauptbahnhof zu bringen. Mit uns im Bus und danach im Reginalexpress fährt ein Student der Ludwigsburger Filmhochschule, der in Hof seinen ersten Kurzfilm vorstellte. Er ist Jahrgang 1988; in diesem Jahr waren wir zum ersten mal bei den Hofer Filmtagen. Außerdem fährt im Nachbarwagon Schauspieler Friedrich Mücke aus Dominik Graf´s Fernsehspiel der Woche mit.

Die Zeitumstellung bringt uns eine Stunde mehr Zeit. Wir fahren mit dem Regionalzug nach Nürnberg und von da aus mit dem ICE nach Frankfurt. Das Frühbucherangebot kostet mit Sitzplatzreservierung knappe 68 Euro. Neben uns im ICE sitzen zwei Redakteure des Hessischen Rundfunks, die aus München kommen und sich über die von ihnen produzierten Quizshows unterhalten. Nach einigen Minuten schalte ich auf Hörbuch um. Keine besonderen Vorkommnisse

Fazit:

Was für Entdeckungen machten wir früher hier. Schon vor unserer gemeinsamen Zeit wurden hier Filmemacher wie Brian de Palma, John Carpenter und David Cronenberg in Retrospektiven vorgestellt. David Lynch´s Debutfilm ERASERHEAD hatte hier Europapremiere, ebenfalls sein Meisterwerk BLUE VELVET wurde aufgeführt. George A. Romero´s war 1977 mit einer Retrospektive da und stellte ein Jahr später seinen Horrorfilmklassiker DAWN OF THE DEAD (ZOMBIE) vor. Wes Craven stellte seinen Klassiker NIGHTMARE ON ELM STREET vor; drei weitere Fortsetzungen folgten. Wir entdeckten Filmländer wie Australien, Neuseeland und Kanada. Zu unseren ersten Filmen gehörten die FRAUEN AM RANDE DES NERVENZUSAMMENBRUCHS von Pedro Almodovar mit dem ganz jungen Antonio Banderas; Spanien ist ein bedeutendes und produktives Filmland, das in Hof total unterrepräsentiert ist, genau wie die Filmländer Asiens. Vor 22 Jahren war ein junger unbekannter Filmemacher aus Neuseeland zur Retrospektive da, dessen wilde Horrorkomödien damals nur Genrefilmenthusiasten kannten. In seinem aktuellen Drama nach einem wahren Fall um zwei Mädchen, die nicht akzeptiert werden und die die Eltern der einen umbringen, spielt die 17jährige Kate Winslet ihre erste Rolle. Der Regisseur erzählt, dass sie demnächst ganz groß Karriere bei James Cameron machen wird. Auf die Frage, was als nächstes kommen wird, antwortet der Regisseur Peter Jackson "It´s to early, to talk about, but it will be something bigger." Ich habe irgendwo noch ein Autogramm des späteren Oscar-Preisträgers.
Der bedeutende US-Independent-Regisseur Jim Jarmusch stellte hier seinen ersten Kurzfilm vor. STRANGER THAN PARADISE. In Hof traf er auf einen Produzenten, der im die Langfilmversion ermöglichte, die dann auch in Hof gezeigt wurde.
Auf deutscher Seite erstaunten uns Filmemacher wie der Aktionskünstler Christoph Schlingensief mit seinen wilden Provokationsfilmen und Peter Kern. Sie sind inzwischen alle tot.
Es wäre dringend notwendig, sich um den internationalen und besonders um den deutschen Genrefilm zu kümmern. Hier gäbe es einige Entdeckungen zu machen. Aber Produzenten Sender und Gremen fehlt der Mut. Horrorkino findet im deutschen Kino fast gar nicht statt, Krimi und Thriller fast nur im Fernsehen.
Die Hofer hatten die Chance, sie hatten jede Chance, mich zurück zu gewinnen, mich wieder zum Staunen, zum Lachen, zum Weinen zu bringen, mich zu überwältigen, mich zu erobern. Es klappte nicht. So werde ich mich bis auf Weiteres von den Hofer Filmtagen verabschieden. Das Geld für Reise, Hotelkosten und Eintrittskarten, der Aufwand, die Zeit und der Stress sind zu viel. Zwei gute Filme, viel Durchschnitt und etwas Mist, das ZDF-Fernsehspiel der Woche und der Tatort sind zu wenig.

Aus dem Klassentreffens der Fernseh- und Filmprominenz sowie der Lobbyisten der deutschen Filmverbandsvertreter mus endlich ein Filmfestival von Filmfans für Filmfans werden.

Eine kleine Fotoschau aus einigen Jahren Hofer Filmtage:

Eingebetteter Medieninhalt2001: Das Imbissangebot einer lokalen Metzgerei

Eingebetteter Medieninhalt2001: Blick vom Balkon ins Scala-Kino

Eingebetteter Medieninhalt2001: Regisseur Detlev Buck, Darstellerin Anke Engelke und Andere nach der Filmvorführung

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Hofer Filmtage 2002: Blumensträuße lagern in einem Nebenraum

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Hofer Filmtage 2009: Außenansicht des Central-Kinocenters

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2009: Blumensträuße liegen in einer Ecke des City-Kinos

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2009: Stilleben mit Hut. Wir warten in einem Restaurant auf unser Essen.

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Hofer Filmtage 2013: Vor der letzten Vorstellung ruhe ich meine Augen aus.

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Hofer Filmtage 2016: Heinz-Badewitz-Figur als Werbung in einer Apotheke

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2016: Impression aus Wölbattendorf

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2016: Die Hofer Wörthstraße rund um das Scala/Regina-Kino

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Eingebetteter Medieninhalt2016: Der Busbahnhof vor dem stillgelegten Ex-Einkaufszentrum

Eingebetteter Medieninhalt2016: Das Central-Kino in der Altstadt, Außenansicht

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2016: Dominik Graf & Co. nach der Vorführung im Scala-Kino

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Danke, Heinz Badewitz für die guten Zeiten. Sie sollten die Stadt umbenennen.

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Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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