Eine kleine Geschichte über das Impfen

#COVID19 / Corona … in mehreren Kapiteln.

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Zunächst einmal werde ich nicht dafür bezahlt und erhalte keine anderen Vorteile oder Belohnungen dafür, dass ich das schreibe. Sondern ich bin einfach verhältnismäßig froh darüber, dass ich in einem verhältnismäßig fortschrittlichen Land lebe, in dem die medizinische Versorgung gut ist und zahlreiche Krankheiten durch Impfungen wenig oder fast gar nicht mehr vorkommen. Impfungen ersparten mir einige schwere Krankheiten und die Unterlassung einer Impfung eben nicht.

„Schluckimpfung ist süß. Kinderlähmung ist grausam.“

Jüngere werden sich noch an kurzen Ansagen und Filmchen im Fernsehen und im Radio erinnern. Während meiner Grundschulzeit gab es in einer Parallelklasse ein Mädchen, das an Kinderlähmung erkrankt war. Sie konnte sich nur mit Krücken sehr langsam fortbewegen und an sehr schlechten Tagen mit dem Rollstuhl. Die Kinderlähmung ist so gut wie ausgestorben. Die Impfung wurde nicht einmal mit Spritzen und Nadeln verabreicht sondern als Flüssigkeit auf einem Stück Würfelzucker. Andere Impfungen z.B. gegen Masern oder Mumps wurden mit Injektionspistolen in den Oberarm verabreicht, was eher unangenehm und schmerzhaft war und kleine punktförmige Narben hinterließ.

Windpocken

Als Kind wurde ich so ziemlich gegen jede ansteckende Krankheit geimpft, die ein Junge bekommen kann – mit einer Ausnahme: Windpocken. Als Kind bekam ich die Windpocken nie. Kinder kommen fast immer problemlos mit Windpocken zurecht. Sie bekommen juckenden Ausschlag, der mit Salbe behandelt wird und nach einiger Zeit ist alles gut. In späteren Jahren können die Windpocken in seltenen Fällen allerdings als schmerzhafte Gürtelrose zurück kommen.

Im Spätherbst 2006 kam der Anruf einer befreundeten Familie mit zwei Söhnen, die damals 2 und 4 Jahre jung waren und die Windpocken aus dem Kindergarten mitgebracht hatten. „Martin, geh zum Arzt. Bei uns sind die Windpocken ausgebrochen.“ Also ging ich zum Hausarzt und der Hausarzt unternahm nichts außer dem Kommentar, ich solle mich nicht so anstellen, in meinem Alter bekäme man doch keine Windpocken mehr. Eine Woche später bekam ich juckenden Ausschlag und es ging mir sehr schlecht. Der Hausarzt nahm eine Blutprobe, vermutete darüber hinaus eine bakterielle Infektion und verschrieb mir ein Antibiotikum. Vom meiner ehemaligen Hausärztin davor – mittlerweile in Rente – hatte ich gelernt: Wenn es aus Nase oder Bronchen farbig herauskommt, ist das die bakterielle Entzündung und wir brauchen ein Antibiotikum. Wenn es farblos ist, sind es Viren und wir brauchen kein Antibiotikum. Der Hausarzt, bei dem ich war, verschrieb bei jeder Form von Erkältung Antibiotika. Das ist nicht gut für den Organismus und kann zu Resistenzen führen.

In der darauf folgenden Woche war die Arztpraxis geschlossen – Weihnachtsferien. Die Praxis, an die sich Patienten*innen vertretungsweise wenden sollten, war ebenfalls wegen Weihnachtsferien geschlossen und der damalige Hausarzt war als Urlaubsvertretung angegeben. In der Vertretungspraxis hätten sie wahrscheinlich auch keinen Zugang zu meinen Blutwerten gehabt, also was soll´s. Wegen der schlimmen Beschwerden von Juckreiz bis Husten, Erbrechen und Schüttelfrost konnte ich nachts kaum schlafen und war im Internet unterwegs, um mich ausführlich über Windpocken zu informieren. Ja, die Symptome von Windpocken bei Erwachsenen wurden alle so beschrieben wie meine Symptome. Ja, die Fotos von Windpocken-Ausschlag sahen alle so aus wie mein Ausschlag.

Mitte Januar war die Praxis wieder geöffnet und ich erfuhr meine Untersuchungsergebnisse. Ja, es waren wirklich Windpocken. Und meine Leberwerte seien katastrophal. Ob ich ein Alkoholproblem habe. Er schickte mich zu einem Leberspezialisten und gab mir eine Überweisung. In der Apotheke versorgte ich mich weiter mit Salben und Tinkturen gegen den Juckreiz meines Ausschlags. Der Apotheker hatte ein längeres Gespräch mit mir über den Verlauf und klärte mich auf, dass ich nach Wissen der Infektion noch gegen Windpocken hätte geimpft werden können; das wäre sinnvoll gewesen und hätte das Schlimmste verhindert. Der Arzt hätte das nur veranlassen müssen.

Der Leberspezialist, bei dem ich wegen meiner katastrophalen Leberwerte war, hätte der Sohn des Hausarztes sein können. Er war verwirrt. Ob mein Hausarzt ein Berufsanfänger sei? „Also noch mal von Anfang an. Sie hatten Windpocken? Da ist das aber normal. Mit fortgeschrittenem Alter verursachen die Windpocken zahlreiche Schäden an den inneren Organen, die wieder heilen können oder auch nicht. Das kann lebensgefährlich sein.“ Wir machten noch einen Schnelltest. Meine Leberwerte waren noch etwas auffällig aber wesentlich besser als bei der ersten Untersuchung. Da beschloss ich endgültig, den Hausarzt zu verlassen.

#COVID19 alias Corona

Unzählige Tiere und Pflanzen haben Gifte, Bakterien oder Viren im Körper, um Fressfeinde abzuwehren. Mit Viren und Bakterien leben diese Tiere in Symbiose; sie profitieren voneinander. Der Mensch muss überall in die Natur eindringen, alles kaputt machen und die Viecher herausholen, um sie zu verkaufen, zu fressen oder industriell zu verarbeiten. Dann geht mal ein Virus in einen anderen Organismus, der nicht so gut mit dem Virus zurechtkommt. So ein Pech. Wenn in der Natur dort dann alle Pflanzen und Tiere verkauft, gefressen oder industriell verarbeitet sind und alles kaputt ist, breitet sich der Mensch in ein anderes Gebiet aus und macht dort so weiter. Eigentlich ist der Mensch das Virus und die Natur bekommt Fieber.

Meine erste Impfung

Am 07. Juni habe ich meine erste Impfung im Frankfurter Impfzentrum. Bestimmt 20 Jahre war ich nicht in der Frankfurter Festhalle, einem beeindruckenden Bau. In den 90er Jahren war ich ein paar mal hier bei Konzerten. Die Atmosphäre ist toll, aber die Akkustik ist schlimm. An verschiedenen Stationen werden meine Daten registriert, ich werde befragt und beraten und nach etwa 1 ½ Stunden geimpft.

„Guten Tag, ich möchte mich endlich chippen lassen.“
„Ach, Sie arbeiten doch bestimmt lange genug mit Microsoft-Produkten, um zu wissen, dass sowas nicht funktionieren kann. Neue Microsoft-Produkte haben am Anfang immer Macken und funktionieren nicht richtig. Und in den ungünstigsten Situationen kommen Aktualisierungs-Download-Aufforderungen oder Fehlermeldungen. Dann wachen Sie nachts wegen so etwas auf. Also nein, so wird das nie ´was. Wenn es gut läuft, wächst Ihnen nach der zweiten Impfung ein USB-Anschluss an der Einstichstelle und dann kontrollieren wir Sie damit.“

Herrlich, ich muss sehr lachen.

Auf Nachfrage sind zu dieser Zeit etwa 500 Leute während der gesamten Öffnungszeit dort beschäftigt. Da ist es kein Wunder, dass es etwa vier mal so teuer ist wie die Impfung in der Arztpraxis, wo vielleicht drei Leute mit der Impfung beschäftigt sind.

Die Einstichstelle tut an den nächsten Tagen etwas weh, wenn ich daran stoße oder bestimmte Bewegungen mache. Zwei Tage bin ich ein bisschen müde.

Meine zweite Impfung

Am Nachmittag bzw. frühen Abend des 19. Juli geht es schneller. Meine Daten sind bereits registriert. Der Mann, der mit mir ein ausführliches Gespräch führt und mich über mögliche Impfreaktionen informiert, ist Anfang 60. Er hatte selbst starke Impfreaktionen und beschreibt sie wie eine Sommergrippe. Es ist scheinbar Zufall und hängt nicht vom Alter ab. Zum Glück kannte er sich gut genug aus, um zu wissen, dass es eine Impfreaktion war und nichts Schlimmeres. Er sagt, dass es bis zu einer gewissen Linie ein gutes Zeichen ist, denn der Körper aktiviert seine Abwehrkräfte.

Nach knapp 40 Minuten bekomme ich „den zweiten Chip“. Alle sind wieder bestens mit den üblichen Verschwörungsmythen vertraut und gehen sehr ironisch damit um.

„Wie lange lasse ich das Pflaster drauf?“
„Bis der digitale Impfpass da ist. Im Pflaster ist der Verbindungschip zum Implantat.“

2:30 Uhr in der Nacht. Ich muss pieseln gehen, wie das in dem Alter so ist. Mir tut jede Zelle meines Körpers weh und ich kann nicht mehr einschlafen. Zum Glück arbeite ich an diesem Dienstag von zu Hause aus. Später kann ich mich nicht mehr konzentrieren und merke, dass es nichts mehr wird. In der Hausarztpraxis nehmen sie mich noch dazwischen und ich werde bis Freitag krank geschrieben. Am Mittwoch und Donnerstag kommen nach und nach etwas Husten, Schnupfen und Halsweh. Darauf hätte ich verzichten können, aber es ist nicht so schlimm. Es ist mir lieber als COVID mit Langzeitfolgen. Auch der Hausarzt sagt, es sei ein gutes Zeichen, da sich die Abwehrkräfte bemerkbar machen. Meine Nachbarn (Mitte 70 und Anfang 80) hatten nichts außer der schmerzenden Einstichstelle. Mein anderer Nachbar (Ende 30) dachte, dass er stirbt. Im Kollegen*innen-Umfeld hatten Drei gar nichts bis auf die schmerzende Einstichstelle. Zwei hatten Impfreaktionen und eine bekam Ausschlag; sie reagiert empfindlich auf intensives Eiweißessen und der Impfstoff basiert auf Eiweiß. In beiden Gruppen war jung und alt bunt gemischt.

Zwei Bekannte aus meinem Viertel starben letztes Jahr an COVID. Ein ehemaliger Kollege, der bereits in Rente war, hatte schon verschiedene andere Krankheiten. COVID gab ihm den Rest und er starb Anfang 2021 mit Ende 60 auf der Intensivstation. Ein Bekannter aus der Gegend nahm früher an Marathon und Triathlon teil. Letztes Jahr infizierte er sich mit COVID und wurde schwer krank. Heute kommt er zu Fuß an guten Tagen noch 100 Meter weit und sein Geruchs- und Geschmackstest sind noch eingeschränkt.

Lieber ein paar Impfreaktionen für ein paar Tage als COVID mit Langzeitfolgen. S. Kapitel zu den Windpocken.

Der digitale Impfpass

Nach ein paar Informationen aus verschiedenen Quellen erfahre ich, dass die Apotheken digitale Impfzertifikate ausstellen – oder auch nicht. Prinzipiell tun sie das, aber die Software dazu ist zwischenzeitlich gesperrt. Der Apotheker – der Gleiche wie damals bei den Windpocken – berichtet mir, dass der Chaos Computer Club eine Sicherheitslücke entdeckte und die Software aus Sicherheitsgründen hackte und sperrte. Einige Tage später habe ich meinen digitalen Impfpass oder die Vorstufe dazu. Dazu muss ich die beiden Grafiken, die aussehen wie altes Bildrauschen nach Sendeschluss mit dem Mobiltelefon einscannen und in einer App bearbeiten. Aber mit meinem Mobiltelefon telefoniere ich nur. Mobiles Internet ist mir zu teuer und zu kompliziert. Die Ausdrucke aus der Apotheke kopiere ich mir ein paar mal für verschiedene Rucksäcke und Jackentaschen. Auf digitale Methoden vertraue ich nicht besonders und sie sind mir zu kompliziert. Zweimal war ich mit diesen Ausdrucken im Kino (im sehr schlechten JUNGLE CRUISE nach einer Disney-Rummelplatz-Attraktion mit dem schauspielerisch minderbemittelten Ex-Wrestler Dwayne The Rock Johnson und in dem genialen dänischen Oscar-Gewinnerfilm DER RAUSCH mit Mads Mikkelsen, einem der besten aktiven Schauspieler des Universums). Der Ausdruck des digitalen Zertifikats wurde beide Male problemlos akzeptiert. Den gelben Impfpass zeigte ich im Multiplex zuerst vor und er wurde gar nicht richtig angesehen; ich hätte auch die Kopie eines Kreuzworträtsels auf gelbem Papier zeigen können.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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