Es lohnt sich nicht mehr, ins Kino zu gehen

Film und Kino Meistens jedenfalls nicht. Sequels, Prequels, Neuverfilmungen und Action mit digitaler Reizüberflutung. Und dazu nervt ein unmanierliches Publikum.

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Ein kleiner Rückblick auf das bisherige Kinojahr, das nicht wirklich dazu animiert, hohen Eintritt zu zahlen, um blöde Filme mit einem blöden Publikum zu schauen. Als Gegensatz dazu sind kommunale Kinos und Fanprojekte zu unterstützen.

Die Comicverfilmungen zähle ich nicht.
Clevere Marketingstrategen versuchten Wonderwoman, eine Göttinnentochter im verzierten Domina-Kostüm, zusammen mit einer ambitionierten Regisseurin als feministische Superheldin für Mädels zu etablerien, was einen durchschlagenden Erfolg hatte. Dann gibt es innerhalb von 1 1/2 Jahrzehnten die zweite Wiederauflage von SPIDERMAN. Zwischendrin kommen die XYZ-Men. Intelligente Kinounterhaltung sieht anders aus.

FLUCH DER KARIBIK 5 - SALAZAR´S RACHE

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Der Einzige, der wirklich noch eine neue Folge des Piratenabenteuers braucht, scheint Hauptdarsteller Johnny Depp zu sein, der hoch verschuldet ist und der das Geld braucht und dessen Marktwert nach einigen falschen Rollenentscheidungen erheblich nachließ. Nun, nach allen negativen Kritiken, die ich las und hörte, ist Teil 5 weniger schlecht als erwartet, allerdings eine gute halbe Stunde zu lang. Wichtiger als eine originelle Geschichte sind die Familienmitglieder früherer Hauptpersonen, die sich in der Handlung tummeln. Der Spanier Javier Bardem spielt hier seine Bösewichtrolle als untoter Racheengel auf Autopilot und es ist ihm anzusehen, dass er keinen Spaß hat. Am Ende werden uns für Teil sechs dann die Rückkehr von Elisabeth Swann, dem wiederbelebten Will Turner und von Krakenmann Davey Jones angekündigt. Johnny Depp steigerte sein Rollenklischee des überschminkten neurotischen Piraten mit den Allüren einer betrunkenen Diva mittlerweile zur Selbstkarrikatur. Und ich kann mir gut vorstellen, dass in Teil sechs Christoph Waltz als Störtebecker-ähnlicher deutscher Pirat auf Autopilot den Kino-Ozean unsicher machen wird.

DIE MUMIE 2017

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Lieferten die Mumienfilme aus den 90er und 00er Jahren noch einen nostalgischen Charme durch die zeitliche Handlung in den 20er und 30er Jahren, entfällt dieser Vorteil durch die Handlung in der Jetztzeit. Der neue Mumien-Jäger und Gejagte ist ein Söldner, Kunsträuber und Idiot - eine Figur, wie sie nicht unsympatischer sein könnte - wird vom desorientiert wirkenden Tom Cruise gespielt, der sich der Dummheit der Filmfigur mühelos anpasst. Die Nebenfigur ist Dr. Jekyll, der hier schon die Fundamente eines neuen Dark Universe, eines Filmuniversums mit klassischen Horrofiguren, aufbauen soll. Russel Crowe ist in dieser Rolle zum Glück nicht als Actionstar zu bestaunen sondern plappert wichtige Sprüche als Wissenschaftler am Rand. Das ist auch gut so, denn Russel Crowe war schon in ROBIN HOOD zu alt und zu fett für die Rolle des Actionstars. Zwei der überbezahltesten und überschätztesten und langweiligsten Schauspieler der Gegenwart in den Hauptrollen machen keine Lust auf mehr davon. Die weibliche Hauptrolle übergehen wir einfach mal; an den Namen der Rolle und der Darstellerin dieses beweglichen Blondinenklisches erinnere ich micht nicht. Zwischenzeitlich war ich kurz weg gedöst, ohne etwas zu verpassen, und das waren die besten Momente des Films. DIE MUMIE war zum Glück weltweit ein Flop und so wird uns hoffentlich das geplante Dark Universe erspart bleiben.
Bereits knappe vier Monate nach dem Kinostart ist DIE MUMIE für das Heimkino erhältlich. Das motiviert auch nicht unbedingt zum Gang ins Multiplex.

TRANSFORMERS 5

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Mehr als den Trailer konnte und wollte ich mir nicht antun und schon der war eine neue Stufe von audiovisuellem und inhaltlichem Terror. Sir Anthony Hopkins spielt diesmal als aristokratischer Wissenschaftler mit. Er spielt mittlerweise in jedem
Müll mit und so ist seine Mitwirkung bei einem Film schon lange kein Qualitätsmerkmal mehr. Seine Gesichtsausdrücke in der Vorschau lassen erahnen, dass er entweder dringend die Gage braucht oder zu senil ist, um zu verstehen, wo er da eben mit spielt. Dreck.

VALERIAN

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Luc Besson verfilmt mit europäischem Geld (200 Millionen €uro) und Hollywood-Darstellern/innen einen französischen Comic-Klassiker. 20 Jahre nach dem FÜNFTEn ELEMENT sehen wir erneut exotische außerirdische Lebensformen und einfallsreiche Welten. Leider überwiegt hier die digitale Reizüberflutung. Hatte Besson´s damalige Lebensgefährtin Milla Jovovich neben ihrem limitierten Schauspieltalent wenigstens noch Charisma und kindliche Spielfreude, bleibt von dieser Hauptdarstellerin nur ein süßer Schmollmund in einer Szene in Erinnerung. Der austauschbare Hauptdarsteller Dane de Haan ist überfordert und hat die Ausstrahlung eines Fahrkartenautomaten. Inhaltlich ist der Stoff auch überladen und bringt eine unnötige Holocaust-Thematik in die Handlung. Immerhin ist die 3D-Optik diesmal ausnahmsweise gelungen. Im Cinema-Interview schwärmt Regisseur Luc Besson von seiner Jugend und dem damaligen Warten auf die neue VALERIAN-Ausgabe sowie das Blättern und Stöbern im neuen Heft. Hätte Besson doch daraus einen Film gemacht und dort einige Zeichentrick-Episoden eingebaut.

Nebenbei gab es noch einige computeranimierte Bildschirmschoner in Spielfilmlänge.

Und dann das Publikum

Das Kinopublikum kann nicht mehr einfach im Kino sitzen und den Film anschauen. Permanent quatschen sie und spielen mit ihren Telefonen. Sie telefonieren und tauschen Depp-Äpp-Nachrichten. Überall im Kino blinken Telefonbildschirme und um mich herum ertönen Blubb-, Pling- und Zwitschergeräusche für neue Eingangsnachrichten. Auf meine höflichen Bitten zuletzt in "ES" um Ruhe erhalte ich Rufe wie "Schwuchtel" und "Fo**e" und werde mit Popcorn beworfen. Im Hochsommer wurde im Kino geraucht. Die Kinoangestellten haben für ihren Mindestlohn keine Lust, sich mit dem Gesindel anzulegen. Ich erlebte es auch schon, dass Kinogäste Pizza und Knoblauch-Döner ins Kino schmuggelten und dort fraßen. Kein Horrorfilm und kein Gewaltgemetzel auf der Leinwand oder dem heimischen Bildschirm kann solche Gewaltfantasien bei mir verursachen wie das asoziale Verhalten solcher Leute.
Warum soll ich dafür Eintritt zahlen.

Ein Hoch auf die alternativen Kinobewegungen.

Inzwischen gehe ich immer seltener in Multiplexer sondern unterstütze alternative Kinobewegungen, die Klassiker, Raritäten und Kino aus dem Abseits zeigen, z.B.:
Das Frankfurter Filmusseum mit seiner Late-night-Kultkino-Reihe und zuletzt eine George-A.-Romero-Retro.

Das Frankfurter Arthouse Kino "Harmonie", das neben dem üblichen Kunstkinoangebot eine Reihe namens "Disharmonie" im Programm hat, in der z.B. Horrorklassiker wie Lucio Fulci´s HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER, der Klassiker DER EXORZIST oder der frühe dänisch deutsche Klassiker VAMPYR von 1930 laufen.

Das Frankfurter Studentenkino PUPILLE: Hier werden 35mm-Filmkopien aus Verleiher- und Sammlerbeständen gekauft, wenn nötig restauriert und vorgeführt. Hier bekommen wir italienische Schundfilme zu sehen. Hier lief im August bei großer Hitze DER MANN AUS HONG KONG, ein Martial-Arts-Drogenkrimi mit Jimmy Wang Yu als Drogenermittler aus Hong Kong, der in Australien ermittelt und es mit dem dortigen Drogenboss aufnimmt: Einmal-James-Bond George Lazenby (mit der deutschen Stimme von Harald Juhnke). Die Hauptrolle war für Bruce Lee geschrieben, der in der Zwischenzeit gestorben war.

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Die Thailänder wollten in den späten 70ern so etwas wie den Weißen Hai drehen, allerdings mit einem Krokodil. Den ersten thailändischen Blockbuster bekamen wir zu sehen. KROKODILE amüsiert mit fehlender Logik, unzähligen Anschlussfehlern und schlechten Tricks. Die Monsterkrokodile wechselten zwischen Normalgröße und Walgröße. Bei Nahaufnahmen sind die Scharniere im Maul des Krokodilkopfmodells zu sehen.

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Zuletzt reisten Besucher aus allen Teilen der Republik an, um ein Zombiefilmdoppel mit George A. Romero´s ZOMBIE - DAWN OF THE DEAD und dem frühen spanisch-italienischen Beitrag LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN. Hier bekommen wir Programmhinweise für die nächsten Attraktionen und individuelle numerierte Eintrittskarten. Großartig.

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Fotos: Eigene Aufnahmen. Veranstaltungshinweis Zombie-Doppel: Deliria Italiano

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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