Filmklassiker neu gesehen: VAMPYROS LESBOS

Film und Kino Vampyros Lesbos von Jesus Franco Manera (Jess Franco), Deutschland / Spanien 1970, mit Susann Korda, Ewa Strömberg, Andrés Morales, Paul Müller und Dennis Price

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Zum ersten mal seit wahrscheinlich Jahrzehnten präsentierte uns das Frankfurter Filmmuseum an einem späten Samstag im Februar einen Schundfilmklassiker in einer leicht rotstichigen und ansonsten gut erhaltenen 35mm-Kopie: VAMPYROS LESBOS - ERBIN DES DRACULA

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Anwältin Linda Westinghouse hat seit einiger Zeit Tagträume und Visionen von einer geheimnisvollen jungen Frau. An einem Abend geht sie mit ihrem Freund Omar in einen Nachtclub und erlebt dort die Frau ihrer Träume bei einer lesbisch-erotischen Tanznummer. Sexuell und emotional von ihr angezogen begegnet sie ihr dann, als sie einen Auftrag im Zusammenhang mit einer Erbschaft erledigen soll und sie in ihrem Strandhaus in der türkischen Provinz heimsucht. Sie beginnen eine erotische Beziehung. Linda wird von der Erbin Draculas sexuell verführt und gebissen und landet vorüber gehend in einer psychiatrischen Klinik, bis sie sich der Herausforderung stellt und die Erbin Draculas vernichten kann.

Es gibt Leute, die den spanischen Regisseur Jesus Franco Manera alias Jess Franco für ein verkanntes Genie halten. Ich gehöre nicht dazu. Der Film, den wir in einer speziellen Reihe mit deutschen Nachkriegsproduktionen im Frankfurter Filmmuseum auf einer leicht rotstichigen 35mm-Kopie erleben dürfen, ist das, was manche Trash nennen: So schlecht, dass es schon wieder Spaß macht. Die Geschichte ist geklaut und sehr nachlässig geschrieben und entwickelt. Der Focus liegt auf der lesbisch erotischen Beziehung. Wenn die blonde Anwältin sexuell verführt wird, liegt die Darstellerin da wie ein nasser Lappen. Gruselelig gedachte Szenen sorgen im Kino durchgehend für Lachanfälle. Die Bildgestaltung konzentriert sich auf lange und ruckelige Schwenks durch die Landschaft und die Kulissen und oft gelingt es nicht einmal, die Schärfe auf den Personen im Bild bzw. auf bestimmten Objekten zu halten, wodurch Objekte im Hintergrund oder im Vordergrund scharf gefilmt und die Personen im Bild unscharf sind. Gibt es im Umfeld vieler minderbegabter Genrefilmer in Europa fähiges Personal hinter der Kamera, wodurch deren Filme aufgewertet werden, müssen wir hier darauf verzichten.
Immer wieder kehrende Elemente sind die Aufnahmen eines Bluttropfens auf einer Türscheibe, flatternde Falter, ein Skorpion sowie ein fliegender Drache, der aussieht wie ein Sonnenschirm. Man kann nur vermuten, dass sich dabei jemand etwas dachte, aber nicht, was; die Aufnahmen wirken völlig unmotiviert.

Die meisten Darsteller wirken völlig hilflos, als ob sie Regieanweisungen erhalten, die sie nicht verstehen und aus denen sie das Beste zu machen versuchen.
Geklaut ist natürlich beim Literatur- und Filmklassiker Dracula. Die Vampirin ist weiblich und vollzieht die lesbische Verführung, was 1970 noch skandalös gewesen sein mag, aber hier unfreiwillig komisch wirkt. Die Rollennamen bieten eine Ähnichkeit zu den Originalmotiven, die keine Interpretation zulässt. Linda Westinghaus klingt verdächtig nach dem Dracula-Opfer Lucy Westenraa und wie bei Dracula gibt es eine Doctor Seward.

Auch in anderen Machwerken dieses Regisseurs, in denen oft namhafte Mimen wie Christopher Lee, Oliver Reed oder Klaus Kinski mitwirken, wirkten sie in den günstigsten Fällen so, als ob sie sich vom Inszenierungsstil abmelden und ihr eigenes Ding durchziehen.

Allerdings sorgt die Landschaft für eine spezielle Atmosphäre. Das Strandhaus ist zugegebenermaßen sehr hübsch eingerichtet und die psychedelische Filmmusik der beiden Deutschen Sigi Schwab und Manfred Hübler ist genial.

Fazit. Wir dürfen zum ersten mal seit Jahrzenten einen Filmklassiker des Schunds auf der Leinwand erleben und haben einen unerwarteten Spaß dabei. Danke an das Deutsche Filmmuseum.

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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