Freies Land - ein Abend mit Christian Alvart

Film und Kino Der deutsche Genreregisseur Christian Alvart war am 14. Januar im Frankfurter Filmmuseum und stellte seinen Film „FREIES LAND“ vor. Ein Bericht und eine Kritik.

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„FREIES LAND“ ist eine Neuverfilmung des spanischen Ausnahmethrillers „MÖRDERLAND – LA ISLA MINIMA“, in dem zwei unterschiedliche Polizisten aus der Großstadt zwei verschwundene Mädchen an der Küste suchen sollen. Der Vermisstenfall entwickelt sich zum Mordfall, als die Leichen der beiden Mädchen gefunden werden, und zum Serienmordfall, als es Indizien zu weiteren Verschwundenen und mutmaßlichen Mordopfern gibt. Als besonderes Spannungselement entwickelte Regisseur Alfredo Rodriguez die unsichere politische Stimmung 1980, wenige Jahre nach der Franco-Diktatur. Die Gegend und die Menschen sind arm. Arbeiter in der Landwirtschaft und in einer der wenigen Fabriken wehren sich gegen Ausbeutung.

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Der deutsche Regisseur Christian Alvart, der nach zwei Hollywoodfilmen auch Auftragsarbeiten mit Til Schweiger als TATORT-Kommissar über sich ergehen lassen musste, verfilmt nach „STEIG. NICHT. AUS.“, einer eingedeutschten Version von „ANRUFER UNBEKANNT“ („EL DESCONOCIDO“) zum zweiten mal einen spanischen Erfolgsfilm. In „FREIES LAND“ verlegt er die Geschichte vom schwülen Spätsommer in Spanien in den eiskalten Winter der mecklenburg-vorpommerschen Provinz und lässt sie wenige Jahre nach der deutschen Einigung spielen. Hier kommen die Frustration und die wirtschaftliche Verunsicherung der Nachwendezeit sehr gut zur Geltung. Alte Staatssicherheitsbedienstete spielen noch wichtige Rollen. Die einzige Fabrik in der Gegend wurde von einem westdeutschen Investor übernommen, der seinen Gewinn maximieren und den Arbeitern Lohnkürzungen zumuten will.

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Christian Alvart übernimmt zahlreiche Szenen und Handlungsabläufe fast identisch, was bereits beim Vorspann mit der sehr hohen Vogelperspektive der Landschaft anfängt, die im spanischen Original wir Querschnitte durch Gehirnwindungen oder Mikroskopaufnahmen von Pflanzenblättern aussehen. Auch Christian Alvart zeigt bei zahlreichen Gelegenheiten die Aufnahmen aus hoher Vogelperspektive. Er hat ein sehr gutes Gespür für Stimmungen, Architektur und Landschaften, das er sehr gut nutzt, und er macht sehr viel richtig. Alvart war auch der Chefkameramann und erzeugte bei seiner grau-braunen Optik eine durchgehende Stimmung der Verwahrlosung und des Verfalls; er wollte, dass alles rostig aussieht. An einigen Stellen im Film denke ich, dass er auch sehr gut in schwarz-weiß funktioniert hätte. Darauf spreche ich Christian Alvart an und er antwortet, dass er den Film nicht in schwarz-weiß dachte sondern in grau-braun-verrosteten Farben, was überzeugend klingt; er weiß, was er will.

Gedreht wurde aus logistischen und finanziellen Gründen in der Ukraine und hier ausschließlich in dekorierten Originalkulissen. In den ostdeutschen Gegenden sind nicht mehr durchgehend die Landschaften vorhanden, die es 1992 gab; diese Landschaften sind laut Alvart jetzt so in der Ukraine zu finden. Dort kosteten die Dreharbeiten auch nur knapp über 2 Millionen Euro und dafür sieht der Film wirklich sehr gut aus.

Als Minuspunkte muss ich die teilweise sehr nervige Filmmusik mit raunenden Männergesängen sowie eine Sexszene zwischen Polizist Patrick Stein und der Mutter der beiden Mordopfer aufführen, die sehr unglaubwürdig und überflüssig ist; in LA ISLA MINIMA gab es diese Erotikszene aus gutem Grund nicht.

Der Film ist insgesamt überraschend gut, sehenswert und überzeugend, reicht aber nicht an das spanische Meisterwerk heran.

„FREIES LAND“ hatte einen schweren Start. In der Startwoche ab 9. Januar lief er bundesweit nur in 13 Kinos, in Frankfurt gar nicht. In der zweiten Startwoche läuft er nach Kino-Zeit.de in tatsächlich 30 Kinos bundesweit; in Frankfurt zeigt ihn ein seit vorigem Donnerstag ein Programmkino mit ca. 80 Plätzen eine Woche lang. Da hätte der insgesamt gelungene Film mehr verdient.

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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