Gestern am Wahlstand der SPD

Hessische Landtagswahl Während einer Fahrradtour am sonnigen Sonntag (27°C) kam ich an einem Stand der so genannten Sozialdemokratischen Partei in Frankfurt am Main vorbei.

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Eine Wahlkämpferin schleimte sich an mich als potentiellen Interessenten heran.

Ich sagte ihr gleich, dass ich seit 2005 sozialdemokratisch wähle, was sie sehr freute. „Ja, es wird ja auch Zeit, dass die Sozialdemokratie in den Parlamenten über die sechs bis acht Prozent hinaus kommt.“ – was sie dann sehr irritierte. Das war vor den ersten Prognosen und Hochrechnungen der Bayerischen Landtagswahl an diesem Abend, bei dem die SPD später bei unter 10% der gültigen abgegebenen Stimmen landen sollte.

„Ja, freuen Sie sich nicht zu früh. Dachten Sie, dass ich mit sozialdemokratisch die so genannte Sozialdemoktratische Partei meine. Die SPD ist die Partei von Agenda2010, Hartz-Reformen, Rentenkürzung, Sozialkürzung und Privatisierung und für mich das 180%ige Gegenteil von sozialdemokratisch.“

„Ja, aber die SPD ist doch für ein besseres Rentenniveau und einen besseren Mindestlohn und bezahlbaren Wohnraum und die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung.“

Darauf konnte ich dann entgegnen, dass alle diese Probleme von Rot-Grünen Regierungen unter einem SPD-Bundeskanzler und SPD-Ministern/innen angerichtet wurden und nicht von anderen Parteien und auch nicht von fremden Kolonialmächten oder Außerirdischen. Für Rentenkürzungen, den „besten Niedriglohnsektor Europas“, die Demontage des Sozialstaates und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen waren die Rot-Grünen Bundesregierungen mit dem SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Minister wie Walter Riester, Wolfgang Clement, Hans Eichel und Peer Steinbrück verantwortlich. S. dazu mein Beitrag Die SPD braucht die Re-Sozialdemokratisierung vom 14.02.2018.

Die Privatisierung von bundeseigenen, landeseigenen und kommunalen Wohnungseigentum wurde ab 1999 vorangetrieben. Die zweite Rot-Grüne Bundesregierung Schröder setzte die Gesetze um, die Verkäufe von sozialem öffentlichem Wohnraum an internationale Großinvestoren möglich machte.

Die Dame fand es dann ungerecht, dass die SPD nach fast 20 Jahren immer noch dafür verantwortlich gemacht wird. Ja, Ihre Partei wird dafür verantwortlich gemacht, weil sie dafür verantwortlich war und immer noch ist und eine echte Neuorientierung nicht statt findet.

Schließlich wollte sie mir tatsächlich den Diesel-Kompromiss verkaufen. Ja sicher. Ihre Bundesregierung verlangt keine Prozesse und Bestrafung der Verantwortlichen und keine Zulassungsbeschränkungen für mangelhafte Fahrzeuge und keine Klagemöglichkeiten für betrogene Kundinnen und Kunden sondern verhandelt mit Großbetrügern über ein verkaufsförderndes Investitionsprogramm und Ihre Parteiführung unterstützt das; bestimmt ist das sehr ermutigend für die Automobilindustrie.

An diesem Punkt war sie der Meinung, dass diese Unterhaltung ziellos oder sinnlos sei und da konnte ich ihr nicht unrecht geben und setzte meine Fahrt fort.

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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