Ich bin geschüttelt, nicht gerührt

#JamesBond 007 Nach 16 Jahren verabschiedet sich Daniel Craig endgültig aus dem Geheimdienst Ihrer Majestät. Ich werde ihn nicht vermissen.

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Als Daniel Craig damals als nächster James Bond vorgestellt wurde, gab es viele Vorwürfe. Manche Leute wollten ihn nicht akzeptieren, weil er der erste dunkelblonde Bond wäre. Das fand ich damals ungerecht. Er sollte seine Chance bekommen und er bekam sie. Als Drogendealer im britischen Gangsterfilm LAYER CAKE (2004, nie regulär im deutschen Kino) konnte er mich überzeugen; diese Rolle war seine Eintrittskarte zum MI6.

CASINO ROYAL

Aber die Autoren und auch Daniel Craig verrieten die Marke James Bond 007 schon sehr früh. Sie machten aus dem charmanten, eleganten Mann von Welt mit dem lockeren Spruch auf den Lippen einen unzivilisierten Banausen und humorlosen Proleten. Auch Daniel Craig ist hier in die Verantwortung zu nehmen. Die Bond-Darsteller waren immer intensiv an der Entwicklung des Charakters beteiligt und Craig war Jahre lang Co-Produzent.

Seine Geheimdienstpartnerin Vesper Lynd (Eva Green) musste ihm erst beibringen, wie man(n) Abendgarderobe trägt. Etwas später beleidigt er Vesper im Dialog als blöde Kuh. Jeder kennt den sprichwörtlichen „Vodka-Martini – geschüttelt, nich gerührt“ aus 20 Bond-Filmen – ein Klassiker. Im Casino Royal bestellt Bond direkt nach dem „Blöde-Kuh“-Dialog an der Bar einen Vodka Martini. Der Barmann fragt:

„Geschüttelt oder gerührt?“
„Sehe ich aus, als ob mich das interessiert!“

Ich dachte, ich hätte mich verhört. Damit hatten mich Bond und Craig verloren.
Nach Vesper Lynd´s Tod in Venedig beerdigt Bond sie im Schlussdialog mit „M“ verbal:

„Der Job ist erledigt. Die Schlampe ist tot.“

Ich war entsetzt. Bond und Craig hatten mich verloren und seitdem nicht wieder gewonnen.

EIN QUANTUM TROST

konnte inhaltlich mit zivilisationskritischen Kommentaren überzeugen. Korruption, Parallelgesellschaft und die Privatisierung allgemeiner Daseinsvorsorge – hier Wasser – sind wichtige Themen, die in einem A-Film wie Bond gut zur Geltung kommen könnten, aber leider nicht konsequent auserzählt wurden. Insgesamt war der Film erzählerisch schwach.

SKYFALL

ließ den Neurosen-Garten von James Bond weiter erblühen und reicherte ihn mit einer total überladenen ödipalen Rachegeschichte an, an deren Ende „M“ in Bond´s Armen starb. Schauspielerisch kamen der brilliante Spanier Javier Bardem, der erst nach einer knappen Stunde kommt, und der britische Altstar Abert Finney nicht gut zur Geltung und sind verschenkt.

SPECTRE

reaktivierte schließlich die legendäre Verbrecherorganisation aus der Connery-Ära und ihren sinistren Chef Ernst Stavro Blofeld. Der österreichische Doppel-OSCAR-Preisträger Christoph Waltz spielte ihn auf Autopilot als Variation seines SS-Führers Landa. Man konnte ihm ansehen, dass er eigentlich keine Lust hatte, immer die gleiche Bösewicht-Rolle zu spielen, und es ist ihm nicht übel zu nehmen. Und ein konstruierter Familienkonflikt, in dem Bond und Blofeld mutmaßliche Adoptivbrüder sind, macht die Handlung zähflüssig.

KEINE ZEIT ZU STERBEN

schließlich beendet Daniel Craig´s Geheimdienstkarriere. Der Film ist leider eine gute halbe Stunde zu lange, hat teilweise ein misslungenes Tempo und kommt schwer in die Gänge. Bond-Gegner Lyutsifer kommt nach der Rückblende vor dem Vorspann erst nach einer guten Stunde zurück. Dabei ist dieser Bond-Gegner Lyutsifer (Rami Malek, BHEMIAN RAPSODY) einer der uninteressantesten und schwächsten Bond-Gegner aller Zeiten. Als Sohn einer von SPECTRE ermordeten Familie nimmt er Rache an SPECTRE und hätte eigentlich Bond´s Verbündeter werden können. Seine Motivation wird überhaupt nicht klar. Die Figur ist schlecht geschrieben und lahm gespielt. Auch Lyutsifer´s Scherge mit dem Computer-Auge ist verschenktes Potential.

Auch Christoph Waltz kommt als Ernst Stavro Blofeld noch kurz in der Psychiatrie-Hochsicherheitszelle vor, wo er doch eher wie Hannibal Lecter wirkt als wie ein James-Bond-Soziapath.

Dieser Craig-Bond hat bei Handlung, Schauspielern und Spannung durchaus seine Momente. Die Nano-Roboter als gezieltes Tötungswerkzeug sind eine infame und originelle Idee. Diese Idee wirkt im Verlauf dieser Pandemie, in der merkwürdige Leute denken, Bill Gates und alle möglichen Regierungen wollen sie mit Mikrochips impfen, kontrollieren und töten, unabsichtlich sehr makaber.

Die anderen Geheimdienst-Leute bleiben weit unter ihren Möglichkeiten. Anstatt mal wieder einen Blick ins Waffenlabor zu werfen, sehen wir „Q“ fast nur am Bildschirm sitzen, Festplatten analysieren und Beobachtungskameras auswerten.

Seine Lebensgefährtin Madeleine Swann, Tochter des SPECTRE-Agenten Mr. White, verdächtigt Bond am Anfang des Verrats und verlässt sie auf hässliche Weise; das hätte es früher nie gegeben. Über die weitere private Beziehung und das Finale spoilere ich nicht, keine Sorge. Aber ich mache mir doch Gedanken, wie sie James Bond in der Zukunft glaubwürdig am Leben erhalten wollen.

Zahlreiche Modernisierungen waren sinnvoll und richtig. Bond-Girls zu Bond-Ladies und zu starken Frauenfiguren zu machen, war richtig und diese Entwicklung begann bereits bei Pierce Brosnan, den die neue Geheimdienstchefin „M“ als „anachronistischen frauenfeindlichen Dinosaurier“ titulierte. Die Entfernung sehenswerter Randfiguren wie Miss Moneypenny und „Q“ war damals ein Fehler und ihre Rückkehr und Modernisierung war gelungen. Einige nostalgische Zitate aus früheren Bond-Zeiten waren ein bischen wenig, um den Mythos Bond zu erhalten – wenn sie überhaupt erkannt wurden. Dafür wurden zu viele James-Bond-Traditionen verraten. Und so war der Höhepunkt dieses James-Bond-Films für mich der Abspann mit dem unvergesslichen Bond-Song „We have all the time in the world“ von John Barry und Louis Armstrong aus „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ von 1969. Übrigens ist der Qualitätsabfall der Bond-Filme auch sehr gut bei der Filmmusik zu erkennen: Nachdem der langjährige Stammkomponist John Barry in den späten 80er Jahren abgelöst wurde und keine Bond-Aufträge mehr bekommen hatte, entwickelte sich die Filmmusik später in Richtung akkustische Körperverletzung – teilweise leider auch hier.

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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