"Ich habe da ein ganz mieses Gefühl"

SOLO - A STAR WARS STORY ... sagt Filmikone Han Solo bei mehreren Gelegenheiten der Original-STAR-WARS-Trilogie. Das ist auch mein erster Eindruck nach mehreren Minuten des neuen Films.

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Kurz zur Handlung:
Han will mit seiner Freundin von seinem Heimatplaneten und den dortigen chaotischen politischen Zuständen fliehen und sie werden von einnander getrennt. Han geht als Auszubildender und Soldat zu den imperialen Truppen, um Pilot zu werden, lernt dort die Gangsterbande um Tobias Becket (Woody Harrelson) kennen und bricht als verurteilter Deserteur mit Chewbacca aus dem Knast aus. Dann nehmen sie einen Raub- und Schmuggelaufträge an und trifft seine Freundin wieder, die nun die Freundin eines Verbrecherhäuptlings (Paul Bettany) ist.

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Han Solo ist eine ikonische Figur der populären Filmgeschichte. Der fast unbekannte Harrison Ford spielte ihn mit Charisma und lässigem Charme und wurde dadurch zum Weltstar. Diese Rolle zu übernehmen, ist eine undankbare Aufgabe und hat die Gefahr des Scheiterns. Es gibt genug junge und charismatische Schauspieler, die dem gewachsen gewesen wären. Gewählt wurde der Mittzwanziger Alden Ehrenreich, der versucht, den coolen Charme von Ford zu kopieren. Damit ist er absolut überfordert. Berichten zu Folge brauchte er bei den Dreharbeiten einen Schauspieltrainer.
Als weiterer Schwachpunkt kommt dazu, dass die beiden Regisseure Phil Lord und Christopher Miller aufgrund ihres Inszenierungsstils mit viel Improvisationen gefeuert und durch den routinierten Auftragsarbeiter und Oscar-Preisträger Ron Howard ersetzt wurden, der über die Hälfte der abgedrehten Szenen neu inszenierte. Die verantwortliche Produzentin bei Lucas-Film Kathleen Kennedy war sehr lange Stammproduzentin von Steven Spielberg und setzt auf Sicherheit und Kontinuität anstatt auf Kreativität. Unter ihr hätten junge und innovative Filmemacher wie der frühe George Lucas oder der junge Steven Spielberg selbst nie eine Chance gehabt. STAR WARS hätte so vielleicht nie das Licht der Leinwand erblickt. Ironischerweise spielte der junge Ron Howard, der vor seiner Regiekarriere Schauspieler war, eine Hauptrolle in George Lucas´ zweitem Langfilm AMERICAN GRAFITTY (1973); Harrison Ford spielte hier eine Nebenrolle.
Der Regiewechsel ist dem Film leider anzumerken. Genaue Unterschiede kann ich nicht benennen und Anschlussfehler entdecke ich nicht, aber ich spüre eine Unruhe im Erzählstil.
Der Film hat vier große Nachteile:
1. Hauptdarsteller Alden Ehrenreich: Im Vergleich zur natürlichen Lässigkeit von Harrison Ford in der Rolle hat er die Ausstrahlung eines Fahrkartenautomaten. Er wird von Woody Harrelson und Paul Bettany, Chewbacca (der finnische Ex-Basketballspieler Joonas Suotamo im Fellanzug) und sogar einem computeranimierten sprechendem Weltraumäffchen mit vier Armen an die Wand gespielt.
2. Hauptdarstellerin Emilia Clarke: Sie hat das Zeug zu starken Frauenfiguren. Wer die Serie GAME OF THRONES kennt, sieht sie gerne als Drachenkönigin. Im Kino scheitert sie aber nach ihrer Sarah Connor in TERMINATOR 5 erneut an einer starken Frauenrolle. Ihre Rolle, die geplante Befreiung aus Gefangenschaft und die uninteressante Liebesgeschichte erinnern an die Figur der Prinzessin Leia.
3. Die Auswechslung der Regisseure: s. oben
4. Die Filmmusik: Abgesehen von zwei hymnischen STAR-WARS-Melodien von Meister John Williams stammt die austauschbare Musik von einem anderen Komponisten, dessen Name ich mir nicht merkte, und die keine Atmosphäre erzeugt sondern eher nervt.

Woody Harrelson und Paul Bettany spielen ihre Rollen als undurchsichtiger Gauner bzw. als Verbrecheroberhaupt auf Autopilot. Es kommt mir so vor, als ob sie durch den Regiewechsel, die neu zu drehenden Szenen und das dadurch verursachte Chaos genervt sind und Dienst nach Vorschrift machen. Dabei wirkt Woody Harrelson als Schmuggler Tobias Becket eher wie der spätere Han Solo als Han Solo selbst.
Beim Nachdenken bleiben eigentlich nur der gemeinsame Ausbruch von Han und Chewbacca aus dem Knast und der spektakuläre Überfall auf einen fahrenden Güterzug in Erinnerung.
Darüber hinaus hatte die Filmfigur Han Solo durchaus ihre Geheimnisse, die zwar aufgedeckt werden können aber nicht unbedingt müssen. Ich muss nicht unbedingt wissen, wie Han zu seinem Nachnamen Solo kam. Und ich muss auch nicht wissen, wie schnell 12 Parsec sind.
Fazit: schwach.
Der Disney-Konzern versucht, möglichst viel Geld aus dem STAR-WARS-Universum zu holen. Das könnte das Publikum auf Dauer verärgern und zu Misserfolgen führen. Die 3D-Version bringt keine bemerkbaren Vorteile und ist unnötig, kostet aber Aufpreis.

Am Montag sah ich den Film in einem Multiplex einer führenden Kette. Ein Freund wollte mitkommen, sagte aber ab, weil er von der Arbeit und der Hitze (30°C) erschöpft war. Im großen Kino mit ca. 420 Plätzen saßen außer mir nur noch zwei Zuschauer. Aus Kostengründen wurde die Klimaanlage abgeschaltet. Zur Profitmaximierung gab es aber trotzdem eine 20-Minuten-Pause, um Fressalien und Getränke zu kaufen. Wir verließen alle drei nicht das Kino.

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Filmkritiker Hans Ulrich Pönack über SOLO - A STAR WARS STORY

SOLO A STAR WARS STORY

von Ron Howard sowie inoffiziel Phil Lord und Christopher Miller

mit Alden Ehrenreich, Woody Harrelson, Joonas Suotamo, Donald Glover, Emilia Clarke und Paul Bettany

STAR WARS, han Solo, Alden Ehrenreich, Harrison Ford, George Lucas, Kathleen Kennedy, Woody Harrelson, Lucasfilm
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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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