Nichts liebt der arbeitende Mensch mehr als die Rituale des Wochenendes. Dazu zählen gemeinsame familiäre Mahlzeiten, die Gartenarbeit oder Autowäsche. Bisher gehörte für Millionen dazu der Fußball. Man setzte sich mit Kaffee oder Pils in den Garten, in der Schlussphase auch gern ins Freibad. Immer dabei: ein Radio, um die Schlusskonferenz der Spiele zu verfolgen. Danach wurde eingepackt, um zur Sportschau zuhause zu sein. Nach der Sportschau wiederum stand der Abend offen.
Nicht Millionen, aber immerhin Hunderttausende machen es etwas anders. Sie verschmähen Gartenarbeit, Autowäsche und Freibäder und gehen samstags ins Stadion. Es bleibt nur Zeit für ein nervöses Frühstück, dann ist Aufbruch. Die Heimfans treffen sich zum vorbereitenden Fachsimpeln, die Auswärtsfans verstopfen Autobahnen und Züge. Während es viele Heimfans nach dem Spiel schaffen zur Sportschau zuhause zu sein, sind die Auswärtsfans immerhin zu einer zumutbaren Zeit wieder zurück und können das Spiel in angemessener Bierruhe zuhause ohne Bevormundung durch das Fernsehen nachbereiten. Exkurs Bevormundung: Die echten Fans leiden erbärmlich unter der mittlerweile fast überall gebräuchlichen Zwangsbespaßung durch die überdrehten Stadionlautsprecher. Raum für eigene Fanchoreographien gibt es kaum noch. Erst wenn das Spiel endlich angepfiffen ist, kehrt Entspannung ein.
Wenn es nach der Deutschen Fußball-Liga (DFL), dem Zusammenschluss aller Vereine der 1. und 2. Bundesliga geht, müssen sich die oben beschriebenen Millionen ab 2009 umgewöhnen. Umgewöhnen? Nein, Gewohnheiten werden abgeschafft. Es soll insgesamt zehn verschiedene Anstoßtermine geben: zwei am Freitag, drei am Samstag, vier am Sonntag und einer am Montag. Der "Spieltag" dauert dann von Freitag 18 Uhr bis zum bei den Fans verhassten Montagabend um 22 Uhr. Gewohnheiten können schon deswegen nicht entstehen, weil acht Freitagabendspiele der 1. Liga am Samstagabend um 20.30 Uhr stattfinden sollen, und acht Sonntagnachmittagspiele ebenfalls auf den Abend verschoben werden. Nicht verstanden? Ist auch egal.
Durch jede Ritze dieses löchrigen Konzepts tropft der Angstschweiß und sabbert die Gier der Vereinsfunktionäre. 440 Millionen Euro Fernsehgeld sind ihnen nicht genug. Es müssen 500 sein. Die hat Deutschlands berühmtester Medienpleitier Leo Kirch versprochen (Freitag 42/07). Nun sollen möglichst viele Häppchen des "Spieltages" an möglichst viele Bieter einzeln versteigert werden - einzeln, damit auch das Bundeskartellamt besänftigt ist. Doch wer soll bieten? RTL und Sat.1 wissen mittlerweile, dass Fußball nicht mit Werbung refinanzierbar ist. Es wird zu lange gespielt und zu wenig Pause für Werbung gemacht; der Ball fliegt so unvorhersehbar durchs Bild, dass man auch keine Werbung ins Bild bringen kann - alles schon versucht. Außerdem ist die Ware schlicht zu teuer. Rupert Murdoch soll zahlen. Er hat sich mittlerweile mehr als 25 Prozent am Pay-TV-Sender Premiere gesichert, dem Sender, der Kirch einst ruiniert hat. Murdoch verdient viel Geld mit Fußball im Bezahlfernsehen, allerdings vor allem in England.
Er sollte sich die unterschiedlichen Kulturen und Ökonomien auf der Insel und hierzulande lieber genau ansehen. Merkel ist nicht Thatcher und für Blair und Schröder (mehr allerdings für ihre Parteien) ist vieles dumm gelaufen. Wird es Premiere-Abonnenten geben, die sich Freitag um 18 Uhr auf die Couch legen und erst Montagnacht wieder aufstehen? Kaum. Der deutsche Fußball ist zwar billiger, aber er funktioniert auch besser. Es gibt noch Fans, die sich mit "ihrem Verein" und "ihrer Mannschaft" identifizieren, weil sie sie auf bezahlbaren Stehplätzen unterstützen können. Es gibt hierzulande noch kaum Abramowitschs oder US-Milliardäre, die ihr dubios erworbenes Vermögen und ihr minderes gesellschaftliches Ansehen im Fußballgeschäft waschen, wenn auch erste Ansätze (Gazprom, SAP-Hopp) schon zu erkennen sind. Die Nationalmannschaften von Männern und Frauen sind erfolgreich und beliebt, ganz anders als in England. Die Kinder, Jungen und Mädchen, wollen Fußball spielen. Das verdankt der deutsche Fußball in erster Linie der Sportschau. Nun erwarten die Vereinsfunktionäre und Kirch, die ARD und die in ihren Gremien sitzenden Politiker seien blöd genug, für weniger Spiele am Samstagnachmittag mehr zu bezahlen.
Sie sollten es nicht tun. Es gibt das gesetzlich verankerte Recht auf Kurzberichterstattung: 90 Sekunden von jedem Spiel, das reicht für alle Tore, wie derzeit samstags mit zwei Spielen in der Tagesschau erprobt. Daraus könnte samstags und sonntags vor oder nach der Tagesschau ein 20- oder 30-minütiges Fußballmagazin mit allen Spielen und allen Toren werden, am besten werbefrei; mit den spätabendlichen Spielen ließen sich die quotenschwachen Tagesthemen aufwerten. Und das kostete nicht 90 Millionen wie derzeit die Rechte für die Sportschau, sondern: nichts.
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