Der Spiegel brachte das Thema unter dem Titel Klüngeln im Krieg und referierte dabei Forschungsergebnisse des Historikers Ingo Niebel. Denen zufolge erhielten die Neven DuMonts 1938 und 1941 wertvolle Kölner Grundstücke, zum Teil über den Gerling-Konzern, der als Zwischenhändler fungierte. Als Leidtragende werden die jüdischen Eigentümer Ottenheimer, Lippmann und Brandenstein genannt. Ottenheimer habe nach dem Zweiten Weltkrieg eine Abfindung von 10.000 DM erhalten. Auch die Witwe Brandenstein wurde seinerzeit entschädigt, im Rahmen einer "außergerichtlichen Einigung"; über die Höhe ist bisher nichts öffentlich bekannt. Das heutige "DuMont-Carré", ein Einkaufszentrum in bester Kölner Citylage, steht auf einem ehemaligen Brandenstein-Grundstück. Das Verblüffende dabei: Niebel ermittelte die Fakten aus öffentlich zugänglichen Quellen, nämlich alten offiziellen Adressbüchern. Was dagegen noch auf Offenlegung wartet, sind die dazu passenden Finanzamtsakten und die Firmenakten des Verlagshauses. In einer nachgeschobenen Erklärung nannte der Verlag am letzten Montag die aus seiner Sicht "marktgerechten" damaligen Kaufpreise, die an Gerling als Brandenstein-Gläubiger (255.000 Mark), beziehungsweise im Falle Ottenheimers an seinen amtsgerichtlich bestellten "Abwesenheitspfleger" entrichtet wurden (29.130 Mark).
Der sehr auf sein Image bedachte "heutige Seniorchef des Hauses, Prof. Alfred Neven DuMont" lässt seine Blätter Kölner Stadt-Anzeiger und Express seit der Spiegel-Veröffentlichung großflächig und unter Aufbietung prominenter Fürsprecher, wie dem ehemaligen israelischen Botschafter Avi Primor und der ehemaligen grünen OB-Kandidatin Anne Lütkes zurückschlagen. Großen Wert legt er auf die Feststellung, dass er "zur Machtergreifung der Nazis gerade einmal fünf Jahre alt" war.
Eher schlimmer als besser macht der Senior die Sache für sein Unternehmen aber mit Einlassungen, wie diesen: "Die Familienverlagschefs August und Kurt Neven DuMont waren bestrebt, wie viele andere bürgerliche Unternehmer, den Verlag über die Nazizeit zu retten. .... Wenn der Spiegel das Verlagshaus M. DuMont Schauberg in seiner damaligen Tätigkeit als publizistischen Erfüllungsgehilfen der Nazis bezeichnet, so liegt er nur dann richtig, wenn er sämtliche Titel von Publikationen im Deutschen Reich mit einbezieht. In der Tat war die Presse, wie jedermann weiß, ohne Ausnahme gleichgeschaltet, und Vorgänge wie beispielsweise die Bücherverbrennung wurden durch eine Vorlage des Reichspropagandaministeriums für alle deutschen Zeitungen zum Abdruck vorgelegt." 1937 sei Verleger Kurt Neven Du Mont "veranlasst" worden, "in die NSDAP einzutreten." Wikipedia berichtet in einer ausführlichen biographischen Notiz über ihn, er habe sich gegen Angriffe des rheinischen Ablegers des Völkischen Beobachters behaupten müssen, den Bestand des Verlagshauses aber bis Kriegsende sichern können, "nicht zuletzt auch deshalb, weil die ... Kölnische Zeitung der unmittelbaren Aufsicht des Reichspropagandaministeriums unterstand und als ein journalistisches Feigenblatt gegenüber dem Ausland den Anschein einer freien Presse im Dritten Reich aufrecht erhalten sollte."
Sohn Alfred legt heute Wert auf die Feststellung, "dass kein jüdischer Veräußerer der .... Grundstücke nach dem Krieg Wiedergutmachung von der Firma oder der Familie forderte oder direkt mit Forderungen an sie herantrat." Das sollte ihn nicht beruhigen, denn auch die Wertheim-Erben haben erst viele Jahrzehnte später gemerkt, wie sie seinerzeit von deutschen Kaufhauskonzernen über den Tisch gezogen worden sind. Sie haben erst vor wenigen Monaten einen Prozess gegen Karstadt gewonnen.
Darüber hinaus führt der Verleger ebenso wie seine Fürsprecher an, dass seine Familie mehrere jüdische Mitbürger während der Nazi-Zeit geschützt habe. Das bezweifelt jedoch niemand. Auch heute kümmert sich seine Ehefrau Hedwig in verantwortungsvoller Weise um diskriminierte Roma in Köln, während seine Blätter es gleichzeitig nicht lassen können, gegen Roma-Kinder in Köln zu hetzen. Immerhin: Als es dem Verleger zuviel wurde, schasste er auch mal einen Chefredakteur beim Express.
Dennoch: Im Zweifel kommt das Fressen vor der Moral. Ein Boulevardblatt, das mit Bild erfolgreich konkurriert, schmückt zwar nicht, spült aber Umsatz in den Verlag. Nach gleichem Prinzip funktionierte es in der Nazi-Zeit: einen "Verlag retten" hieß eben auch, Vermögen zuretten und zu vermehren. Das ging vor Widerstand leisten. Regierungen und Regime kommen und gehen, rheinische Zeitungsmonopole aber bleiben bestehen.
Die Neven DuMont-Immobiliengeschichte hat nicht nur diese historische, sondern auch eine aktuelle Dimension. Die Familie gehört zu den großen Mitgliedern des Oppenheim-Esch-Fond, der an jedem wichtigen Immobiliendeal im Kölner Stadtgebiet beteiligt und immer damit beschäftigt ist, öffentliches städtisches Geld in private Taschen zu schaufeln: Köln-Arena, Technisches Rathaus, Neue Messehallen. Wenn man so gut gemeinsam Geschäfte machen kann, muss man eben über ein paar dunkle Flecken der Geschichte hinwegsehen können.
2002 publizierten Lutz Hachmeister und Friedemann Siering die Aufsatzsammlung Die Herren Journalisten. Sie nahmen sich die heutigen deutschen Leitmedien, die Kölner Blätter gehörten nicht dazu, vor und untersuchten Kontinuitäten und Brüche nach der Nazi-Zeit. Die Kontinuitäten überwogen, auch und gerade beim Spiegel, der etliche ehemalige Nazis auf wichtigen Redaktionspositionen beschäftigte und bisher jede öffentliche Debatte darüber scheut. Das weiß auch Neven DuMont und das lässt ihn an der Gerechtigkeit dieser Welt (oder vielleicht nur an der Solidarität deutscher Großverlage?) verzweifeln.
Mit den Angriffen der Bild-Zeitung versucht er sich dagegen zu schmücken. Dass diese sich auf die Spiegel-Geschichte gesetzt hat, deutet er als Revanche für seine Kritik am - mittlerweile geplatzten - Kaufversuch des TV-Konzerns ProSiebenSat1 durch den Springer-Verlag. Über die Bild-Zeitung ist in der Tat viel Schlechtes zu sagen. In Köln allerdings nennt sie mehr lokale Skandale beim Namen als die Neven DuMont-Blätter. Auch wenn das alles nur relativ ist.
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