Es gab eine Zeit, da meinte die Redewendung vom "Aprilwetter" mittlere Temperaturen zwischen 5 und 15 Grad und schnell wechselnde Wetterlagen. Zur Erinnerung: Man hatte bei Sonne seine Freunde noch nicht zum Fußballspielen zusammengerufen, da regnete es schon. Bei ein und demselben Fußballspiel wurde die erste Halbzeit in wärmender Frühlingssonne und die zweite im Schneesturm absolviert.
Zwar sagen alle Wissenschaftler, dass man von Einzelphänomenen wie etwa dem niederschlagsarmen April 2007 nicht auf einen globalen Klimawandel schließen dürfe. Den gebe es zwar, aber die Zusammenhänge seien viel komplizierter. Damit haben sie wohl Recht. Die meisten Menschen sind jedoch keine Wissenschaftler. Aber alle beobachten das Wetter und können feststellen: Der April war außergewöhnlich heiß und trocken. Darum glauben hierzulande die meisten Menschen, dass es tatsächlich einen Klimawandel gibt.
Die subjektive Beobachtung ist vermutlich entscheidender als all das bedruckte Papier und der ungeheure Redeschwall, der derzeit über die Medien auf das Publikum einprasselt. Vor allem letzterer hat mittlerweile eine Aufdringlichkeit erreicht, die ähnlich wie schlechte Fernsehwerbung fast schon reflexhaft zum Wegzappen veranlasst.
Dass die Grünen und der eine oder andere Umweltminister das Klima schützen wollen, daran hat man sich ja gewöhnt. Unvergessen etwa der grüne Wahlslogan von 1990: "Alle reden von der Wiedervereinigung - wir reden vom Wetter!". Er war wohl mitverantwortlich dafür, dass sie seinerzeit im Westen unter fünf Prozent blieben. Acht Jahre später verlachte man die Grünen für die Forderung von fünf DM als Verkaufspreis für den Liter Benzin. Nur mit Mühe gelangten sie danach auf sechs Prozent und konnten mit Autokanzler Schröder die Kohl-Regierung ablösen. Jetzt hingegen will sich niemand mehr im Klimaschutz übertreffen lassen. Schröders Niedersachsen-Nachfolger Sigmar Gabriel agiert nun als Umweltminister, Kanzlerin Merkel setzt das Thema auf die G8-Tagesordnung und selbst George W. Bush bezweifelt den Klimawandel öffentlich kaum noch. Über die Seriosität dieser Damen und Herren soll hier nicht spekuliert werden.
Verbunden mit diesem politischen Powerplay ist das Medienpowerplay. So ist es noch lustig, wenn der Kabarettist Jürgen Becker im WDR-Fernsehen einer Modellkuh ein 19-Prozent-Schild umhängt (für den Anteil der Landwirtschaft an der CO2-Produktion, beziehungsweise Methan, das als "CO2-Äquivalent" gerechnet wird) und ihr einen Katalysator ins Hinterteil schiebt. Mittlerweile hat aber jede Zeitung schon eine oder mehrere "Klima"-Titelgeschichten und -Beilagen gehabt. Prägnant tat das letzten Samstag die Süddeutsche, die einerseits eine Acht-Seiten-Beilage Im Zeichen des Umschwungs lieferte, und andererseits in der redaktionell getarnten Werbebeilage Mobiles Leben die "Cabrio-Saison" eröffnete, mit chicen Modellen rund um 200 g CO2/km (politisch gefordert werden heute höchstens 120 g). Bild, die Zeitung, die einst die "Benzinwut" gegen die Grünen mobilisierte, hat sich jetzt mit einigen Umweltverbänden unter dem Slogan Rettet unsere Erde! verbündet. Illner und Christiansen haben das Thema längst rauf und runter gequatscht, Polit-, Wissenschafts- und Ratgebermagazine haben es ebenfalls schon mehrmals durch.
Alle miteinander haben ein großes Problem, das sie nach Kräften verdrängen: Ihre Glaubwürdigkeit beim gemeinen Volk ist auf ein ähnliches Niveau gesunken, wie das der Politik. Vor einigen Wochen hat Jens Jessen in der Zeit exzellent herausgearbeitet, was die aktuellen in Deutschland geführten Moraldiskurse (vom Nichtrauchen über Klimaschutz bis zum gesunden Essen) gemeinsam haben: den Klassencharakter. Der gute Bürger wolle denen da unten Mores lehren, schon um sich selbst ein besseres Gewissen zu verschaffen.
Tatsächlich ist der bisherige Klimadiskurs unübersichtlich. Es gibt keinen einzelnen Verursacher des Bösen, es sind viele: Bau- und Autoindustrie, Stromkonzerne, Landwirtschaft, Verkehr, die USA, die EU, mit großem Rückstand aber schnell aufholend China, Indien, Brasilien. Kann da noch jeder "bei sich selbst anfangen"? Einerseits ja. Aber machen alle mit? Eindeutig nein. Da fragen sich gerade jene, die nicht nur andere, sondern auch individuell viel größere Sorgen haben, ob sie sich noch lange damit beschäftigen sollen. Selbst der putzige Knut, der doch mit seinem Kindchenschema menschliche Beschützerinstinkte weckt, und als Art tatsächlich vom Klimawandel bedroht ist, hat schon "Tötet Knut!"-Initiativen nach sich gezogen, sei es, dass sie vom Medien-Hype genervt sind oder ihn nur ironisch brechen wollen.
Auf ernstere Beispiele bezogen: wer will noch hinhören und -sehen, wenn wieder Tote aus dem Irak gemeldet werden? Nur wenn es strategisch erwünscht ist, wie im Sudan/Darfur, wo China auf Abstand gehalten werden soll, wird versucht unsere Aufmerksamkeit zu mobilisieren; ein Motiv, das auch der Klimadebatte innewohnt.
Und so droht ihr das Gleiche, wie schon vielen anderen Themen vor ihr: der Überdruss einer von Umerziehungsversuchen genervten Bevölkerung, möglicherweise auch noch ein "nach-mir-die-Sintflut"-Hedonismus, den nicht nur Gutverdiener, sondern auch Prolls entwickeln (oft fällt ja auch beides zusammen). Distinktion gewinnt man durch selbstbewusstes Anderssein. Wenn es medienvermittelter Mainstream sein soll, Hybridautos zu fahren, Strom zu sparen und Urlaub zuhause zu machen, dann wird das unvermeidlich die Contra-Trends mobilisieren: mit Trecker-ähnlichen SUVs durch die Innenstädte cruisen, Licht- und Lärmpartys veranstalten (so, wie es jetzt schon das Flatrate-Saufen gibt) und nicht zweimal, sondern fünfmal nach Mallorca fliegen oder besser noch in ein All-inclusive-Resort in der Dominikanischen Republik.
So könnte es kommen, wenn es Politik und Medien nicht gelingt, dem Diskurs eine glaubwürdige Richtung zu geben. Sicherer ist es wohl, wenn es in diesem Jahr wieder einen Sommer gibt wie 2003: unerträgliche Hitze nicht nur in Süd-, sondern auch in Mitteleuropa mit Zehntausenden zumeist älteren Hitzetoten. Das wird Eindruck machen und dem Diskurs "Nachhaltigkeit" verleihen. Doch soll man darauf hoffen?
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