Es ist schon eine besondere Nachricht, wenn eine Firma mit etwa 2.000 Mitarbeitern einen Konzern übernehmen will, der bundesweit rund 25.000 Menschen beschäftigt. Aber war das Angebot der Solarworld AG, den Autobauer Opel aus den Armen des sinkenden Mutterkonzerns General Motors zu befreien, deshalb auch "zynisch", wie der hessische CDU-Dauerministerpräsident Roland Koch meint?
Zynisch sind da doch eher die Konzernlenker all jener Firmen, die in ihren Fabriken jahrzehntelang unbeirrt "mit Blech übergossene Kampfhunde" und "paramilitärische Fetische" (Niklas Maak in der Frankfurter Allgemeinen) vom Band laufen ließen - und nun nicht mehr wissen, wie es ohne Staatshilfe weitergehen soll. Sie hatten offenbar wirklich geglaubt, den spaßbremsenden Ökologen eine lange Nase drehen zu können.
Nun hat einer von denen den Spieß umgedreht. Der Hauptaktionär der Bonner Solarworld AG, Frank Asbeck, hatte es Anfang der neunziger Jahre in Bonn zwar nur kurze Zeit auf Mitgliederversammlungen der Grünen ausgehalten. Dem Maserati-Liebhaber war es dort offenbar intellektuell und kulturell zu eng. Asbeck wollte größere Räder drehen: Das Erbe seines Vaters, eines Maschinenbauers aus Hagen, erleichterte ihm den ökonomischen Start seines 1988 gegründeten Ingenieurbüros, mit dem er schnell auf Solartechnik setzte. 1999 machte er seine Firma Solarworld zur Aktiengesellschaft und mit ihr zu besten Börsenzeiten sehr viel Geld. Die strategische Führung des Unternehmens blieb in Asbecks Händen, die Firma rückte mit dem Kauf der Solarsparte des Shell-Konzerns 2006 in die Weltspitze auf.
Rheinschlösschen und Löwenzoo
Soweit ist die Geschichte des Unternehmers Asbeck eine von vielen. Neue Technologien und veränderte politische Rahmenbedingungen haben den Aufstieg von Firmen möglich gemacht. Gemessen an wirtschaftlichen Zahlen und gesellschaftlicher Bedeutung haben die "neuen Kleinen" den "alten Großen" noch nicht den Rang abgelaufen. Ist Asbecks Kaufangebot an Opel ein Zeichen, dass sich dies nun ändert?
Die Konkurrenz in den alten Energiekon-zernen lästert seit Jahren, der Profit der Solarfirmen verdanke sich in erster Linie den von Rot-Grün durchgesetzten staatlichen Subventionen. Da ist etwas dran: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war mit der strategischen Absicht verbunden, einem zukunftsorientierten Industriezweig einen leichteren Start zu verschaffen. Mittlerweile sind in dieser Branche bundesweit 215.000 Menschen beschäftigt, Asbecks Solarworld zählt zu den Schwergewichten - soll man dem Unternehmer vorwerfen, dass er den richtigen Riecher hatte?
RWE, Eon, EnBW und Vattenfall beschäftigen Legionen von Lobbyisten und können auf riesige Apparate zurückgreifen - und haben doch den Trend verschlafen, den das "Trüffelschwein" Asbeck rechtzeitig freigelegt hat. Jeder weiß, dass die fossilen Energieträger mittelfristig ersetzt werden müssen. Mittlerweile hat das zum Beispiel auch der RWE-Chef Jürgen Großmann verstanden, der nun versucht, seinen Konzern zu renovieren und die Sparte für erneuerbare Energien auszubauen.
Die alten großen Schiffe fahren aber hinterher. Asbeck hat zehn Jahre Vorsprung. Er nimmt Trends und Stimmungen intelligent auf - das zeigte sich auch bei der Opel-Offerte. Die berücksichtige nicht zuletzt den Volkszorn über die Milliarden-Hilfen für Banken und Konzerne: Selfmade-Unternehmer rettet deutsche Arbeitsplätze vor den Amerikanern und macht eine ökologisch überholte Branche ökonomisch zukunftssicher. Sowas kommt derzeit an.
Wenn etwas an Asbecks Opel-Angebot zynisch war, dann vielleicht die Tatsache, dass der Mann seinen intellektuellen Vorsprung allzu brutal vor Augen führt. An Arroganz mangelt es ihm nicht. Wenn er an seinem Schlösschen am Bonner Rheinufer einen Bootssteg anlegt, interessieren ihn Bauvorschriften und Nachbarschaftsproteste nicht. Wenn sich Tierschützer an seiner Absicht stören, in der Bonner Rheinaue einen Löwenzoo anzulegen, lässt er die Boulevardpresse wissen, dass er die Tierschützer aus seinem Testament streichen werde. Aber sein Bauch hat ihn noch nie getäuscht. Keine seiner strategischen Entscheidungen, jedenfalls so weit sie bekannt sind, hat sich bisher als falsch herausgestellt.
Das gilt auch für jene Fälle, wo Asbeck doch nicht zum Zuge kam. Die Krise in der einstigen Hoffnungsbranche Medien, die vor allem eine Krise der "alten" Medienträger ist, hat den Solarunternehmer nicht abgeschreckt, vor gut einem Jahr einen TV-Sender kaufen zu wollen. Der Deal kam ebenso wenig zustande wie es nun bei Opel der Fall ist. Doch beide Versuche haben einen gemeinsamen Hintergrund.
Die Global Player, als welche sich die meisten Großkonzerne so gerne verstehen, haben in den vergangenen Jahren enorm auf die Kostenbremse getreten und dabei oft das weggespart, was für Luxus gehalten wird - zum Beispiel Abteilungen, die sich mit Visionen und Utopien beschäftigen. Ein Gehirn wird nicht gebraucht. Die Konzernorganisation lernt außer Kosteneffizienz fast nichts mehr, sie funktioniert nur noch. Den Anforderungen in einer Phase des weltweiten Umbruchs, in einer Situation, wo ein Produktionsregime von einem anderen abgelöst wird, wo alte Technologien an ihr Ende kommen und der Aufstieg neuer beginnt, sind diese Unternehmen dann kaum noch gewachsen.
Mobilitätsmodell ohne Zukunft
Das Dilemma findet seine Entsprechung in der Politik, wo die letzten beiden Bundesregierungen - die von Gerhard Schröder wie jene von Angela Merkel - umwelttechnologischen Fortschritt blockierten, um "das Alte" vor dem Untergang zu retten. Zweifellos sind Arbeitsplätze wichtig, zumal wenn im Autoland Deutschland Hunderttausende Menschen in der Branche beschäftigt sind. Aber ebenso sicher ist, dass das Autoverkehrsmodell der USA und Westeuropas keine Zukunft hat. Der ölgetriebene Individualverkehr ist nicht globalisierbar, ein neues Konzept muss her - die Menschen in China, Indien und anderswo haben einen Anspruch darauf.
Eine Automobilisierung würde allerdings selbst bei kompletter Solarausstattung schnell an Grenzen stoßen. Das wirft Fragen auf, die "neue" Unternehmer wie Asbeck hoffentlich bald zu beantworten wissen. Im Westen Deutschlands brächte den größten Effizienzgewinn schon heute ein rechnergesteuertes Schienensystem, das über alle Autobahnen gelegt dem Fahrer die Steuerung seines Fahrzeuges abnähme. Die "Freude am Fahren" wäre weg, es ginge nur noch um Transport von A nach B. Das wäre sicherer, effizienter, nervenschonender und auf Dauer billiger. Doch wie will Asbeck dann seinen Maserati noch richtig ausfahren? Es ist eben nicht nur einen Frage des Antriebes.
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