Multikulti ist gescheitert", lautet die These, an der sich vorwiegend die sogenannte linksliberale Publizistik in der jüngeren Vergangenheit abgearbeitet hat. Vertreter dieser These mit und ohne Migrationshintergrund müssen Einladungen von Feuilletonredaktionen und Talkshows auf ihrem Schreibtisch sortieren. Während dieser Diskurs einerseits einen Popanz malt ("Multikulti"), andererseits Ausreden für vor allem sozialdemokratisches integrationspolitisches Nichtstun in der Vergangenheit liefert, begradigt und modernisiert die CDU in diesem Bereich eine bisherige Schwachstelle und versucht, sich auf die Höhe der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu bringen.
Rüttgers Waffe
Dafür müssen vor allem Bilder produziert, muss das Thema mit prominenten Gesichtern verbunden werden. Darum ist sich die Bundeskanzlerin nicht zu schade, "Integrations-" und "Islam-Gipfel" persönlich zu leiten und zu inszenieren und den stärksten Mann in ihrem Kabinett, Innenminister Schäuble, dabei einzubinden. Ihr Vorgänger Schröder profilierte sich hingegen noch mit Sprüchen, wie "Am Kragen packen und raus damit". So unterscheiden sich die öffentlichen Signale.
Eine führende Rolle bei diesem modernisierten CDU-Kurs reklamiert, nicht zu Unrecht, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Deren Chef Jürgen Rüttgers gibt gerne den "Arbeiterführer", um die SPD dieses Bildes zu enteignen. Er hat der Integrationspolitik erstmals mit Armin Laschet Ministerrang gegeben, während sie unter vormaligen roten und rot-grünen Landesregierungen nur von "Beauftragten" auf dem Niveau gutwilliger Frühstücksdirektoren verwaltet wurde.
Dieser Integrationsminister Laschet ist als öffentliche Person, trotz zahlreicher Missstände in seiner Ministeriumsführung, eine von Rüttgers´ stärksten Waffen. Er gibt der CDU in NRW ein der Globalisierung und Internationalisierung zugewandtes Gesicht. Laschet hat nun einen "Integrationsbericht" vorgelegt, der, wie darin zu lesen ist, keineswegs der erste dieser Art des Landes NRW ist, auch wenn dieser Eindruck entsteht.
Zu Recht wird der NRW-Landesregierung von der Opposition vorgeworfen, dass ihre Taten nicht ihren Worten entsprechen. Die Politik der Verhinderung von Einwanderung, die dazu führte, dass in NRW 2007 gerade noch 5.140 Asylbewerber ankamen, die Frauen ein angemessenes eigenständiges Aufenthaltsrecht verweigert und die letzten Zuschüsse für Frauen- und Mädchenberatungsstellen streicht, sollte eigentlich über die Bekämpfung von "Zwangsverheiratung" und "Ehrenmorden" schamvoll schweigen. Davon ist einer wie Minister Laschet aber weit entfernt.
Dennoch ist seine integrationspolitische Rhetorik nicht nur Geschwätz, sondern handfeste Politik. Sein Bericht verwendet den Begriff der "Menschen mit Zuwanderungsgeschichte". Davon gibt es unter den 18 Millionen Nordrhein-Westfalen 4,1 Millionen; nur 1,9 Millionen von ihnen sind auch AusländerInnen; 638.000 sind Eingebürgerte. Einbürgerungen sind in den vergangenen Jahren jedoch zurückgegangen und besonders misslungen ist die Anwerbung von "hochqualifizierten" Einwanderern. Gut Ausgebildete pflegen sich gründlich über gesellschaftliche Wirklichkeit zu informieren und ziehen offensichtlich andere Länder vor. Selbst landwirtschaftliche Hilfskräfte aus Polen finden in Belgien oder Großbritannien ein besseres Leben. Das ist gut für sie und gut für etwas größere deutsche Nachdenklichkeit.
Neue Rhetorik
Darum befleißigt sich Laschets Bericht im Gegensatz zur faktischen Politik der Abschottung und Abgrenzung einer Rhetorik der Anerkennung und des Respekts. NRW sei die "Kernregion der Einwanderung in Europa", eine Tatsache, die 2010 bei der Inszenierung Essens und des Ruhrgebietes als "Kulturhauptstadt Europas" eine zentrale Rolle spielen wird; verantwortliche Direktorin ist die Journalistin Asli Sevindim. Vom "Land der neuen Integrationschancen" ist die Rede, vom Unterschied zwischen Assimilation und Integration, vom niedrigen Durchschnittsalter der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte (33,4; Gesamt-Durchschnitt: 42,5).
Die Selbstständigenquote der Türken wird als gleich hoch mit der der Deutschen ebenso gelobt wie die wichtige ökonomische Funktion der Geldüberweisungen von MigrantInnen in ihre Heimatländer. In den Tagesmedien wurde bereits die Erkenntnis des Laschet-Berichtes hervorgehoben, dass die Eingebürgerten in Schule und Beruf besonders erfolgreich seien und den Durchschnitt der Herkunftsdeutschen bisweilen sogar übertreffen. Nur, wie gesagt, die Einbürgerungen gehen zurück. Und das Armutsrisiko ist besonders groß: 17,9 Prozent der Einwanderer sind erwerbslos, doppelt so viele wie im NRW-Durchschnitt; bei Türken sind es sogar 26,1 Prozent. 876.000 sind nur geringfügig beschäftigt, davon sind 660.000 Frauen. Das verfügbare Einkommen pro Person ist bei Türken halb so groß (545 Euro) wie im Landesschnitt (1.073 Euro). Wer würde sich in vergleichbarer Lage respektiert und integriert fühlen?
Hochqualifizierte lassen sich durch die neue Sprachregelung der CDU nicht nach Deutschland locken, aber die Eingewanderten, die schon hier sind, nehmen sie dankbar wahr. Denn sie verschiebt die Feldbegrenzungen des respektablen Diskurses, leistet eine Abgrenzung nach rechts, die selbst in manchen Metropolen (zum Beispiel Köln) bei der CDU noch aussteht. Darum sollte einer wie Laschet auch von der rot-rot-grünen Opposition nicht einfach als Blender abgetan werden. Er macht für seine Partei einen wichtigen und wirkungsvollen Job. Vergleichbar selbstbewusst positionierte Gesichter bei SPD und Linkspartei lassen auf sich warten. Und ob die Grünen Cem Özdemir wohl zum Parteichef wählen?
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