Am 22. Mai ist in Nordrhein-Westfalen Landtagswahl. Von vielen wird sie als "kleine Bundestagswahl" eingestuft, denn fast ein Viertel der deutschen Bevölkerung ist zur Wahl aufgerufen. Seit dem Niedergang der alten Industrien von Kohle und Stahl kämpft das Land um einen Strukturwandel. So weit es dabei um die Wiederherstellung von Vollbeschäftigung gehen soll, muss er als gescheitert bewertet werden. Zwar wurde in den siebziger Jahren eine Hochschullandschaft von großer Dichte geschaffen. Doch ist es nie gelungen, ein gesellschaftliches Umfeld zu schaffen, in dem AkademikerInnen sich gerne dauerhaft niederlassen.
Die sichtbarsten Spuren hat dieser Missstand in der nordrhein-westfälischen Medienlandschaft hinterlassen. Keine der bundesweiten Qualitätszeitungen wird im größten Bundesland produziert. Im Gegenteil: die Verbreitungsgebiete der Regionalblätter sind zwischen den wenigen Verlagshäusern genauestens abgegrenzt, so dass jedes Verlagshaus schalten und walten kann, wie es will. Das heißt vor allem: Personal und Kosten sparen. Denn mangels Konkurrenz ist es unnötig, qualitativ hochwertige Blätter zu produzieren. Das hat die Familien Brost und Funke (WAZ), Neven DuMont (Köln), Lensing-Wolff (Münster) und übrigens auch die SPD (Neue Westfälische in Bielefeld, Verkäuferin mehrerer Blätter an den WAZ-Konzern) reich, das Land aber publizistisch arm gemacht. Dieser Zustand dauert nun schon so viele Jahrzehnte an, dass dem Medium Zeitung insgesamt großer Schaden zugefügt wurde. Denn Statistiken des Zeitungsverlegerverbandes sagen aus, dass Menschen unter dreißig zur Hälfte überhaupt keine Tageszeitung mehr anrühren. Warum sollten sie? Es gibt ja genug andere Medien.
Vor wenigen Jahren sah es so aus, als wenn ein bedeutendes Verlagshaus aus München diese Marktlücke erkannt hätte. Die Süddeutsche Zeitung versuchte mit einem anspruchsvollen NRW-Teil, produziert von einer großzügig bemessenen Redaktionsmannschaft, auf dem Höhepunkt der Werbekonjunktur einen Angriff auf die NRW-Provinzverleger. Die wussten sich zu wehren. Die SZ wurde aus den bestehenden Vertriebsnetzen rausgeworfen und musste eine teure eigene Struktur aufbauen. Die Bemühungen fielen mit dem Platzen der Börsenblase, mit dem 11. September und dem Zusammenbruch des Anzeigengeschäfts zusammen. Auch bei der Süddeutschen zogen Sparkommissare ein und machten die NRW-Redaktion schnell wieder dicht.
Das schien das Signal für die taz zu sein. Als nahezu werbefreie Tageszeitung war sie vom Einbruch des Anzeigenmarkts kaum betroffen. Überlebenskämpfe ist sie gewohnt. Sie startete zunächst mit einem wöchentlichen NRW-Teil, der vor 16 Monaten auf tägliches Erscheinen ausgebaut wurde. Dabei konzentrierte man sich auf die Ballungsräume Ruhrgebiet und Köln, die jeweils zwei Regionalseiten bekamen; zwei weitere erscheinen NRW-weit.
Zum Geldeintreiben wurde eigens eine Entwicklungs-KG gegründet, die die vier Projekte Le Monde diplomatique (deutsche Ausgabe), taz-nord, taz-nrw und den Internetauftritt Digi taz entwickeln und den Einzahlern Steuervorteile bringen soll. Das erweist sich nun als problematisch. Den InvestorInnen wird die Identifikationsleistung abverlangt, sich zugleich für vier verschiedene Projekte einzusetzen. So blieben die Einnahmen deutlich hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück. Hinzu kommt, dass zwischen taz-nord und der Zentrale ein veritabler und im Ergebnis sehr teurer Arbeitskampf ausgebrochen war.
Das soll die taz-nrw nun mit entsprechend höheren Abo-Zugewinnen ausgleichen. Dabei ist zweifelhaft, ob das gelingt. In drei Monaten müssten sich tausend neue Abonnenten melden, so viele, wie die taz bis dato in einem Jahr und entgegen der bundesweiten Aboschwäche gewinnen konnte. Ein Kraftakt, der eine große und vereinte Anstrengung aller Beteiligten voraussetzen würde. Der Zusammenhalt droht jedoch durch interne Auseinandersetzungen strapaziert zu werden. Es gibt Chefs in Ruhr, Köln, NRW und Berlin. Wer hat den Hut auf? Wer hat den Durchblick? Wer versteht wie viel vom Blattmachen? Von Personalführung? Von Buchhaltung?
Dabei wünschen sich die LeserInnen in NRW doch nichts sehnlicher als eine anspruchsvolle, kritische und diskussionsfreudige Zeitung. Hier könnte die taz-nrw noch zulegen. Der verwinkelten Städtelandschaft im Ruhrgebiet wird die Berichterstattung bislang kaum gerecht. In der Metropole Köln fällt das etwas leichter. In deren bevölkerungsstarkem Umland sieht es schon wieder anders aus. Zu oft wird auf das Geschehen nur reagiert; selten werden die Themen von der taz-nrw gesetzt. Den MacherInnen ist das kaum vorzuwerfen. Das Team ist klein und ungewöhnlich bescheiden bezahlt. Etliche "freie" JournalistInnen verzichteten dankend auf eine feste Stelle. Wenn die taz es ernst meint mit dem größten Bundesland, dann muss sie jetzt eine Schippe drauflegen. Und da es genug privates Geld in unserer Republik gibt, sollte es mehr Leute geben, die ihr dabei helfen.
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