Testosteron hat ausgedient

Sportplatz Kolumne

Abgang für Rudi Assauer. Über ein Jahrzehnt inszenierte er sich selbst als machohaften Paten von Gelsenkirchen. Nun war es seinen Spießgesellen in der Vereinsführung des FC Schalke 04 zuviel geworden. Obwohl: man sollte sich nicht zu früh freuen. Letztes Wochenende war schon zu lesen, dass er nun vielleicht "jungen Spielern dabei helfen" wolle "Profi zu werden". Das hätte denen gerade noch gefehlt.

Wie die meisten Stars der Branche schloss Assauer einen Pakt mit "der Boulevard-Presse". Im Klartext bedeutet das Bild. In früheren, aus Sicht von Assauer und seinesgleichen "besseren Zeiten" gehörten alle Organe des damaligen Kirch-Konzerns mit dazu. Denn Kirch sorgte dafür, dass Milch und Honig im deutschen Fußball flossen, so wie es sein Freund Murdoch in England besorgt. Die Pleite von Kirch läutete das Ende von Assauer mit ein.

Am schlimmsten schien es zunächst den Ruhrgebiets-Rivalen Borussia Dortmund erwischt zu haben. Im Gegensatz zum "Meister der Herzen" Schalke 04 im Jahr 2001 schafften die Dortmunder in den guten Kirch-Zeiten ein paar wirkliche Meisterschaften und 1997 sogar den Sieg in der europäischen Gelddruckmaschine "Champions League". Im Glauben an das Ende der Geschichte und das ewige Wachstum des Kapitalismus wagten sich die Dortmunder als Aktiengesellschaft an die Börse, gaben das eingenommene Kapital für ihren Stadionausbau und teure neue Spieler aus und wurden anschließend von allen folgenden Krisen voll erfasst: dem Platzen der Börsenblase, der Konjunkturflaute nach dem 11. September 2001, der Kirchpleite. Die lässlichen Pflichten an der Börse legten sich nun als Ring um ihren Hals. Sie mussten dreistellige Millionenschulden öffentlich gestehen. Ihre Führung, einst Sonnenkönige der Bundesliga, der Stadt und des Ruhrgebietes, wurde mit Schimpf und Schande gefeuert. Die NRW-SPD, längst selbst auf dem absteigenden Ast, konnte der Fußball-AG in ihrer einstigen Herzkammer nicht mehr helfen. Als der damalige Ministerpräsident, Wolfgang Clement, Landesbürgschaften in die Diskussion brachte, wurde er nicht nur mit Protest, sondern auch mit Hohn und Spott überschüttet.

Die Dortmunder Krise bot Assauer Deckung und Aufschub. Denn die ökonomische Lage war und ist in Gelsenkirchen eigentlich noch schlimmer als in Dortmund. Beide Städte sind Spitzenreiter der westdeutschen Erwerbslosenstatistiken, aber im Gegensatz zum Fußball der letzten 10 bis 15 Jahre führt hier immer Gelsenkirchen mit deutlichem Vorsprung vor Dortmund. In Gelsenkirchen, man glaubt es kaum, ist der Fußballkonzern Schalke 04 heute sogar der größte Arbeitgeber. Entsprechend behandelte der Fußballmanager die gewählten Oberbürgermeister (1999 bis 2004 CDU, ansonsten immer SPD); "bei Hofe" bedeutet nicht im Rathaus, sondern im Stadion.

An ihrem Stadion haben sich nicht nur die Dortmunder, sondern auch die Schalker verhoben, nur dass letztere es nicht an der Börse offen legen mussten. Bis heute halten sich Gerüchte, das Assauer zusammen mit seinem 2003 verstorbenen Freund, dem dubiosen FDP-Politiker Möllemann, dafür noch dubioseres arabisches Kapital akquiriert hat. Der Schuldenberg soll nun mit 120 Millionen Euro den Dortmunder bereits klar übertreffen. Möllemann ist, auf ebenfalls dubiose Weise, nämlich mittels eines Fallschirmsprungs bei dem sich der Schirm nicht öffnete, zu Tode gekommen. Den offiziellen Ermittlungen zufolge war es Selbstmord. Über Möllemann äußert sich Assauer nicht, nur dass er seine eigene FDP-Mitgliedschaft nach dessen Tod beendet habe. Offen bleibt, welchen Zweck sie hatte.

Schon lange hatte die Schalker Vereinsführung damals versucht, das Gespann loszuwerden. Zunächst wurde - kurz vor seinem Tod - Möllemann mit knapper Mehrheit als Aufsichtsratschef abgewählt. Dann sprach TV-Moderator Wontorra live auf dem Sender von Assauers Alkohol-Vorlieben, die dieser in Werbespots selbst vorspielt.

Mehrere "Weglob"-Angebote schlug Assauer aus. So haben die Vereinschefs ihn nun vor die Tür gesetzt. Sein Nachfolger, der ehemalige Spieler Andreas Müller, ist ein ruhigerer Typ. Das Modell Testosteron hat nun auch im Ruhrgebiet ausgedient; zuerst in Schwerindustrie und Politik, und jetzt sogar im Fußball.


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