Was wurde eigentlich aus Konstantin Altunin?

Kunstszene Während russische Kunst-Rebellen um ihre Freiheit fürchten, gehen die internationalen Art Shows weiter. Weder Medien noch Kunstbetrieb stehen für die Outlaws ein

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Ein Besucher blickt auf Putin und Medwedew in Damenunterwäsche vor der Beschlagnahmung des Werkes
Ein Besucher blickt auf Putin und Medwedew in Damenunterwäsche vor der Beschlagnahmung des Werkes

Foto: AFP/ Getty Images

Was wurde eigentlich aus Konstantin Altunin? Zur Erinnerung: Der russische Künstler setzte sich Ende August nach Frankreich ab, nachdem Behörden in einem St. Petersburger Privatmuseum vier seiner Gemälde beschlagnahmt hatten, wovon eines Präsident Putin und Regierungschef Medwedew als trautes Paar in Damenunterwäsche zeigte. Während die konfiszierten Werke mittlerweile vernichtet sein dürften, verläuft sich auch die Spur ihres Urhebers. Oder genauer: Sein Schicksal interessiert weder Medien noch Kunstbetrieb.

Eine Handvoll Blogger nimmt sich der Causa noch an und trägt Informationen zusammen. So bat Altunins Ehefrau im russischen sozialen Netzwerk VKontakte um finanzielle Hilfe und Rechtsbeistand. Ihr Mann sei nach der Flucht verzweifelt, sie selbst mit der gemeinsamen zweieinhalbjährigen Tochter von Armut bedroht. Zuletzt gab es aber auch Anzeichen für eine Besserung der Lage. Auf dem Verkaufsportal der Saatchi-Galerie lud Altunin am 29. September ein neues Werk hoch, Titel: Mother and Child. Auf Facebook postete er kürzlich ein Eiffelturm-Gemälde mit dem Zusatz: „Wir sind alle zusammen in Paris!“.

Exil oder Straflager

Woran sich Altunin schuldig gemacht hat, ist klar. Seine satirischen Bilder stellten die herrschende Klasse des Landes bloß, darunter den St. Petersburger Abgeordneten Vitali Milonow, der das jüngst von Putin abgesegnete Gesetz gegen „homosexuelle Propaganda“ ersann (er dürfte die Beschlagnahmung der Bilder auch angeordnet haben). Wie die russische Staatsmacht mit kritischen Äußerungen umgeht, hat sie schon bei „Pussy Riot“ gezeigt. Zwei der Punk-Aktivistinnen sitzen immer noch in Straflagern ein. 2010 entging Andrej Jerofejew, ehemaliger Kurator für zeitgenössische Kunst der Moskauer Tretjakow-Galerie, nur knapp einer mehrjährigen Lagerhaft, nachdem er eine Schau mit provokanten Werken organisierte.

Contemporary-Schick

Während Russlands Kunst-Rebellen in Furcht leben, läuft der internationale Kunstbetrieb unbeirrt weiter. Bis 20. Oktober ging die 5. Moskauer Biennale über die Bühne, ein vom staatlichen Kulturministerium organisiertes Event, auf dem man kremlkritische Positionen vergeblich suchte. Auch auf der Wiener Kunstmesse Viennafair rollte kürzlich der Rubel im Zeichen des Galerien-Schick. Die im Besitz des Moskauer Immobilienmagnaten Dmitry Aksenov befindliche Schau gilt als Tummelplatz einer vermögenden Klientel, die sich „arty“ Dekor für ihre weltweiten Domizile zulegt.

Zum größten Verdienst der Kunst zählt ihr Kratzen an der Oberfläche falscher Normen. Doch schmutzig machen – das zeigt das allgemeine Desinteresse am Fall Altunin – wollen sich heute nur noch wenige. Sollten am internationalen Kunstmarkt ausgerechnet Altunins Werke als anrüchige Wohn-Accessoires im Wert steigen, wäre der Zynismus des Kunstbetriebs vollständig offengelegt.

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