Auf der Bettkante

Kitschroman Inge Kloepfers Biographie von Friede Springer

Wie geht es eigentlich in Liebesromanen weiter, wenn endlich die Lernschwester den Oberarzt zärtlich in den Arm genommen und geküsst hat? Oder die Magd den Großbauern? Oder die Bettelprinzess den Grafen?

Man kann das erfahren, wenn man sich zum Beispiel mit der Geschichte von dem Kindermädchen aus einfachem Hause, das den Großverleger heiratet, beschäftigt. Also mit dem Buch Friede Springer. Die Biographie, das die FAZ-Journalistin Inge Kloepfer kürzlich vorgelegt hat. Die literarische Qualität dieses Werks erschließt sich vielleicht aus einem längeren Zitat, mit dem Kloepfer schildert, wie Friede Riewerts den Axel Cäsar Springer erstmals kennenlernte: "Mitten im Gespräch hielt sie plötzlich inne. Mausi Springer hatte sich abgewandt und blickte nach oben. Friede sah, dass im ersten Stock auf der Treppe unbewegt der Hausherr stand. Einen Moment lang war es still in der Halle. Friede fragte sich, wie lange er dort schon gestanden haben mochte. Zu seinem beigefarbenen Sommeranzug trug er ein hellblaues Oberhemd aus Batist. In der rechten Hand hielt er einen ledernen Aktenkoffer. Dann stieg er mit leicht schlenderndem Gang die Treppe herunter. Friede erhob sich unwillkürlich, um ihn zu begrüßen. Er gab ihr die Hand und taxierte sie, von oben bis unten und wieder bis oben, so dass mit einemmal ihre Befangenheit zurückkehrte. Ohne ein Wort zu sagen, war er mit ein paar langen Schritten schon am Ende der grünen Eingangshalle angelangt. An der Tür blieb er unvermittelt stehen und drehte sich um. Sein Blick fiel noch einmal auf die blonde Friesin, er schaute sie an, eine Sekunde oder auch zwei - jedenfalls ein bisschen zu lange und zu durchdringend, als dass es sie nicht merkwürdig berührt hätte. Diesen Blick würde sie in ihrem Leben nie mehr vergessen. Dann verschwand er - so unvermittelt, wie er oben an der Treppe erschienen war."

Inge Kloepfer schreibt mehr als einen Kitschroman, sie schreibt nämlich auch seine Fortsetzung: Die Zwei fanden sich, küssten sich, liebten sich, versteckten sich und heirateten. Dann lebten sie Seit an Seit, kauften Schloss um Schloss, und Friede bemühte sich, dem großen Großverleger eine gar gute Gattin zu sein. Wenn Axel Cäsar zweifelte, sprach sie ihm Mut zu: "Du hast genug getan, du hast gegen den Kommunismus gekämpft. Er ist unrecht und wird zu Ende gehen." Diese Gewissheit besaß sie, weil sie brav die Bücher las, die Axel Cäsar ihr zu lesen gab, "denn sie wusste, dass sie sich ihm unterzuordnen hatte". Das heißt nicht, dass sie nicht viel gemeinsam erlebt hätten, sogar Alltäglichkeiten erlebten sie als Paar: "Sie frühstückten gemeinsam, Springer meist im Bett und Friede auf der Bettkante".

Autorin Inge Kloepfer ahnt, dass das Leben der Friede Springer, geborene Riewerts nicht zur Biografie taugt. Das Einstiegs- und das Ausstiegskapitel von Friedes Biografie bildet Axel Cäsars Tod. Schon in dieser Gliederung wird die Hauptperson zur Nebensächlichkeit erklärt. Das Buch hätte auch Springers fünfte Ehefrau. Die Biografie heißen können. Oder so wie das vierte Kapitel: Der Verleger und die Gärtnerstochter.

Axel Cäsar wird denn auch "Genialität" bescheinigt, und Friede existiert nur von seinen Gnaden: Sie "würde weiterhin von ihrer Volksschulbildung zehren müssen und von all dem, was Springer ihr vom Leben beibrachte. Sie lebte Springers Leben. Ein eigenes hatte sie nicht mehr. Sie war genauso geworden, wie er sie hatte haben wollen. Das war es, was er brauchte."

Die Abhängigkeit einer jungen Frau von einem alten, reichen und mächtigen Mann zu beschreiben, könnte ja die Aufgabe einer Biografie sein. Aber dass sich Friede Springer unterdrücken ließ, gilt ihrer Biografin als "ihre wahre Stärke": "Sie konnte sich bis an die Grenze der Selbstverleugnung zurücknehmen". Und während die Frau, von der das Buch doch angeblich handeln soll, meist plump beim Vornamen genannt wird, heißt ihr verstorbener Gatten immer Springer. Es fällt der Autorin gar nicht auf, dass das auch der Nachname ihrer Protagonistin ist.

So könnte man das Buch bis zu diesem Punkt für ein Missverständnis halten. Nicht eine Biografie von Friede Springer wäre es, sondern ein Abschnitt in der über seinen Tod 1985 hinaus wirkenden Biografie des großen Verlegers. Aber auch, wenn man das Buch so liest, wird man enttäuscht. Dass Springer und sein Verlag in der westdeutschen Republik umstritten waren, wird zwar nicht verschwiegen, aber doch auf eine Art dargestellt, die man bestenfalls originell nennen könnte: "Studenten, Intellektuelle, Politiker - alle meinten plötzlich, sich mit der Machtfülle des Verlegers aus Altona befassen zu müssen." Mehr über die Kritik findet sich nicht.

Da überraschen auch handwerkliche Mängel nicht. Im Vorwort, in dem Inge Kloepfer völlig überflüssigerweise "aus Gründen des Informantenschutzes" nicht allen Zuträgern namentlich danken will, erwähnt sie als Gesprächspartner immerhin die "Familie Riewerts". Dass Friede Springer aber eine geborene Riewerts ist, weiß der Leser zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Oder merkwürdige Einschätzungen werden präsentiert: Den Eltern Riewerts wird etwa bescheinigt, dass sie einfache Leute seien, doch man erfährt über sie: "Natürlich lasen sie die Welt und die Hör Zu und das eine oder andere Mal sogar die Bild-Zeitung." Es ist der gespreizte Versuch der Autorin, die sich entlang der Bild-Zeitung naserümpfend über "derlei Bedürfnisse der Masse" äußert, die Eltern der Friede Springer wie im Kitschroman als arm, aber anständig zu präsentieren. Dazu passt die altertümliche Sprache, die ganz dem Habitus der Protagonistin, die mit 30 schon aussah wie mit 65, angepasst ist: "Den Angestellten gegenüber gab sie sich zugeknöpft und manchmal sogar garstig."

Auch wenn man es nicht mehr vermuten möchte: Es gibt auch Stärken in dieser Biografie. Es sind all die, nicht gerade vielen Kapitel, die sich mit den Machtkämpfen im Hause Springer beschäftigen. Da zeigt sich, dass Inge Kloepfer eine Wirtschaftsjournalistin ist, die dieses Handwerk versteht - und definitiv nicht das der Biografin. Sie schildert, wie aufgrund unklarer Nachfolgeregelungen der Konzern auseinander zu fallen drohte, wie der Münchner Kirch- und der Essener WAZ-Konzern Begehrlichkeiten vortrugen und wie in dem mit den Mitteln des Aktienrechts geführten Kampf Friede Springer nicht nur eine Übernahme verhindern, sondern sogar schon verloren geglaubte Anteil zurückerwerben konnte. Diese Kapitel stellen, was die literarische Qualität angeht, einen Bruch mit dem übrigen Kitsch dar. Aber es sind halt nur wenige Kapitel, die sich, was ihren analytischen Gehalt angeht, nicht von dem Kitsch unterscheiden, in den sie eingebettet sind. Wäre Friede Springer eine spannende Person mit einem interessanten Leben, wir müssten länger auf ihre Biografie warten.

Inge Kloepfer: Friede Springer. Die Biographie. Hoffmann und Campe, Hamburg 2005, 320 S., 22 EUR


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