Das bisschen Oppositionsgeist

Kunst-Wahlkampf Isch persifliere: Der Narr am Hofe der parlamentarischen Demokratie ist bloß ein wenig subversiv, nicht wirklich anarchisch. Martin Krauß über das Phänomen Horst Schlämmer

Das beste Argument trägt der Kandidat selbst vor. „Schlechter als die anderen bin ich auch nicht“, sagt Horst Schlämmer, die Kunstfigur des Komikers Hape Kerkeling. Die Kunstfigur will Bundeskanzler werden. So geht der Plot des Films Isch kandidiere, der in dieser Woche in die Kinos kommt. 18 Prozent der Deutschen, ergab eine Umfrage, wären bereit, die HSP wählen, die Horst-Schlämmer-Partei.

Prompt wird vor der „Entpolitisierung der Politik“ gewarnt und die Frage gestellt, was die Parteien „eigentlich von ihren kabarettistischen Parasiten unterscheidet“ (Frankfurter Rundschau).

Die Antwort lautet: nichts. (Und das unangenehme Wort von den „Parasiten“ übergehen wir höflich). Dass Schlämmer wie Steinmeier, Westerwelle, Merkel, Trittin, Gysi oder Seehofer ist – das weiß jeder, der dieses Personal in Fernsehshows erlebt hat.

Die spannendere Frage lautet dagegen, warum fast 20 Prozent der Deutschen ihre politischen Interessen besser bei Horst Schlämmer aufgehoben sähen. Die Antwort: Schlämmer ist, was weder Claudia Roth noch Oskar Lafontaine sind – subversiv. In schloddrigen Klamotten, leicht sabbernd und mit Schnapphusten tritt er vor die Granden der Berliner Republik und verweigert ihnen jeglichen Respekt. In seinem Film sitzt er Cem Özdemir und Jürgen Rüttgers gegenüber: Nicht Hape Kerkeling, sondern die Figur eines stellvertretenden Chefredakteurs des fiktiven Grevenbroicher Tagblatts interviewt die Figur des Grünen-Chefs und die Figur des CDU-Ministerpräsidenten. Und legt so deren Figurenhaftigkeit offen.

Heißt das jetzt, wir sollten die HSP unterstützen? Weil Subversion Spaß macht und „die da oben“ sowieso immer eine Abfuhr verdient haben? Das ist zwar naheliegend, aber es entspräche der Logik des Protestwählers, der mit seinem Stimm- einen Denkzettel verteilen will. Und damit begingen wir gleich zwei Fehler. Zum einen kümmerte man sich nicht um etwaige reale Ziele der HSP, die sich nicht in der Ernennung Greven­broichs zur Bundeshauptstadt erschöpfen – en passant wird auch ein seriöses politisches Anliegen verballhornt, wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 2.500 Euro ab Geburt gefordert wird. Zum anderen bestärkt, wer die HSP zur Opposition erheben möchte, die Position derer, die sich so unverschämt selbst als „die Politik“ bezeichnen. Als sei die einzige Gegenposition zur herrschenden die Ignoranz.

Horst Schlämmer hat sich als Kunst­figur verselbständigt. Interviews zum Film wurden nicht mit dem Schauspieler Hape Kerkeling, sondern einzig mit der Figur Horst Schlämmer geführt. Das wird den Besucherzahlen gut tun. Aber das tatsächlich befreiende Lachen über Schlämmers Scherze bleibt folgenlos, weil die Möglichkeit, mit dem Erfinder der Figur über deren Konstruktion zu reden, abgeschnitten ist. So erklärt sich auch, warum Schlämmer vor allem der Unterhaltung dient und nicht der Kunst in einem kritischen Sinne. Zur Kunst gehört immer auch das Reden über Kunst.

Auch wenn sich mit der Figur von Hape Kerkeling kein emanzipatorisches Projekt verbindet: Die Leute lieben Horst Schlämmer, weil er ein wenig stänkert, weil er in einer Sphäre, die vielen fremd ist, so auftritt wie immer in seinem Kunstfigurleben: ungeniert. Das bisschen Oppositionsgeist, das Horst Schlämmer dabei verströmt, wird ins vermeintlich Unpolitische abgeschoben, dahin, wo es um nichts geht. Das führt leider dazu, dass der Narr am Hofe der parlamentarischen Demokratie sich seiner Kraft beraubt. Man kann Schlämmer nicht ernstnehmen, und das gilt dann auch für die Momente, in denen er die Wahrheit sagt: Über einen seiner Konkurrenten urteilte der selbst ernannte Kandidat: „Steinmeier, der is raus.“

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