Drüberreden

Schwule Fußballer Die Aufregung um ein Interview, in dem anonym ein Fußballer über Homosexualität spricht, trägt genau dazu bei, wogegen sie sich zu wenden scheint: der Stigmatisierung
Welche Sexualität da vor den Ball tritt, gehört zu den Standardsituationen von medialer Kommunikation
Welche Sexualität da vor den Ball tritt, gehört zu den Standardsituationen von medialer Kommunikation

Foto: Dennis Charlet/AFP/Getty Images

Ein schwuler Fußballer spricht: „Je mehr geredet wird, desto höher ist auch der Druck auf mich.“ Das hat der Mann anonym in einem rasch diskutierten Interview mit fluter.de gesagt, dem Onlinemagazin der Bundeszentrale für politische Bildung.

Auch wenn der Spieler es nicht möchte: Weil er geredet hat, wird geredet. „Wir können nur das Signal geben, dass er keine Angst haben muss“, sagt Angela Merkel. Und Bayern-München-Boss Uli Hoeneß über ein Outing: „Der Fußball ist offen genug dafür.“ Bayern-Trainer Jupp Heynckes wiederum glaubt, dass Homosexualität ein „ganz sensibles Thema“ ist. Andere zweifeln derweil an der „Authentizität“ des Gesprächs. Und 11Freunde-Chefredakteur Philipp Köster hält die Authentizität des Interviews für „zweifelhaft“ – allerdings ohne, dass er mit dem Interviewer oder wenigstens mit dessen Redaktion geredet hätte.

Dieses Gerede, ob sich schwule Profis outen sollen, ob sie Scheinehen führen, bei welchem Verein sie wohl kicken und ob sie es wirklich sind, die sich in einem kleinen Onlinedienst äußern, ist genau der Grund, warum sich niemand outet. Es ist der Diskurs, der die Hürde, über die ein schwuler Profi nicht hinüberkommt, wachsen lässt. Das betrifft nicht nur die Fanforen und das Kurvengeschwätz, wo „Schwuler“ ein Schimpfwort ist, ein Synonym für Weichei, Memme oder sonst jemand, der im angeblich harten Männersport nichts verloren hat. Es gilt auch für solch dubiose Einrichtungen wie „Fußballexpertentum“, „große Politik“ oder „Qualitätspresse“. Dass es nichts bringt, jemandem, der Schiss hat, zu sagen, er brauche keinen Schiss zu haben, weiß jeder Bademeister, der ein Kind auffordert, endlich ins Wasser zu springen.

Die Leute reden viel

Nur wenn die Bundeskanzlerin und der Bayernpräsident das sagen, klingt es nicht lächerlich. (Das heißt, ein wenig schon, wenn man bedenkt, dass die Bundeskanzlerin gegen die Gleichstellung der Homoehe Politik macht). Und dass einer, der Angst hat, geoutet zu werden und dennoch seine Sicht Öffentlichkeit mitteilen möchte, von seinem Interviewer höchste Verschwiegenheit verlangt, gehört zu den Dingen, die im Journalismus genauso bekannt sein sollte wie die Sorgfaltspflicht, mit Leuten, denen man öffentlich etwas unterstellt, vorher darüber zu sprechen.

Wenn es um die Sache ginge – Schwule im Profifußball –, man wüsste eigentlich genug. Es gibt sie. Wie es sie in jeder denkbaren sozialen Gruppe gibt, ob Bundeskabinett, Bischofskonferenz oder eben Bayernkader. Es gibt namentlich bekannte, sogar einen aus der Bundesliga: Heinz Bonn, beinharter Verteidiger des Hamburger SV in den siebziger Jahren. 1991, lange nach Karriereende, wurde er in seiner Wohnung tot aufgefunden, ermordet von einem Stricher, den er zu sich bestellt hatte. Nach allem, was man weiß: Bonn ist nicht klargekommen mit dem enormen Druck, der auf ihm lastete.

Was die Debatte um die schwulen Fußballer lehren könnte, ist Folgendes: Homophobie gibt es nicht nur dort, wo „Scheißschwuler“ gerufen wird. So hätten es nur diejenigen gerne, die sich, weil sie selbst ja – woran sie selbst fest glauben – nichts gegen Schwule haben, ihre Guido-Schwesterwelle- und Klaus-Powereit-Scherzchen erzählen oder die, weil sie glauben, unter sich zu sein, auf Facebook oder Twitter Fußballernamen posten, von denen man „es“ ja ganz, ganz sicher wisse, schließlich kenne man einen, der einen Taxifahrer kennt, der den schon mal in so einen Club gefahren habe.

„Je mehr geredet wird, desto höher ist auch der Druck auf mich“, hat der schwule Profi im Interview gesagt. Er hat nicht „schlecht geredet“ gesagt. Nur geredet.

Martin Krauß ist freier Sportjournalist in Berlin

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