Ein Lied geht um die Welt

Quote Die populäre Musik in Deutschland ist so populär, dass sie staatlich gefördert werden soll

Dem Deutschen Bundestag liegt ein Antrag von CDU und SPD vor, der, wie es im Titel heißt, "populäre Musik als wichtigen Bestandteil des kulturellen Lebens stärken" soll. Gemeint ist allerdings nicht populäre Musik im Sinne von "beliebt", auch nur kaum im Sinne von "Pop", sondern, da wär´ kaum einer drauf gekommen, sehr stark im Sinne von "deutsch".

Monika Griefahn, kulturpolitische Sprecherin der SPD und sehr stolz darauf, den Antrag mitinitiiert zu haben, erklärt ihr Anliegen am Beispiel des Jazz. Der, weiß Frau Griefahn, befindet sich "seinem Wesen nach genau zwischen klassischer E-Musik und populärer U-Musik", was vermutlich Jazzfreunde sogar dann überraschen dürfte, wenn man das besonders dämliche Wörtchen "genau" wegließe. Da das so sei, so Frau Griefahn, falle der Jazz "noch viel zu häufig in diesen Zwischenraum und damit durch das Raster der kulturpolitischen Förderinstrumente." Das Raster, so darf man sich den Metaphernsalat der führenden sozialdemokratischen Kulturpolitikerin wohl vorstellen, deckt den Zwischenraum ab, wie es sonst nur blecherne Gitter mit Lichtschächten über Kellerfenstern tun.

Der Antrag, auf den Frau Griefahn so stolz ist, bejubelt, dass die deutsche Musik so bedeutend sei, während die "angloamerikanische Musik" ihre größte Verbreitung in Deutschland in der "Mitte des 20. Jahrhunderts" gehabt habe - vermutlich ist der Zeitraum zwischen 1940 und 1960 gemeint, als so angloamerikanische Hits wie Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh´n deutsche Tanzsäle erschütterten. Doch dann kamen Elvis und die Beatles und haben die Angloamerikaner zurückgedrängt!

Die deutschen Kulturpolitiker haben ein Problem mit der Logik: Einerseits behaupten sie, das, was sie zu fördern vorgeben, sei immens populär, weswegen sich die Menschen über eine Förderung freuen würden. Andererseits sagen sie, dass es sich bei dem Objekt ihrer Förderbegierde um ein bedrohtes Pflänzlein handle, das unbedingt staatlichen Beistands bedürfte. Frau Griefahn greift zum Trick: Ja, sagt sie, die Konzerte deutscher Künstler seien ja voll, ihre CDs verkauften sich gut, und sogar "Echos" erhielten sie (ein Hinweis, der besonders viel über die Kompetenz der Kulturpolitikerin verrät, denn die Kategorien des Musikpreises "Echo" sind fast alle, außer Schlager/Volksmusik, in "national" und "international" unterteilt, und dass Madonna oder Eminem den Preis "Künstler/in national" kassierten, ist vorläufig kaum anzunehmen). Aber, sagt Frau Griefahn, im Radio liefe die deutsche Musik selten, das beweise eine "alte Ignoranz" gegenüber deutscher Musik. Noch vor wenigen Jahren stritt Frau Griefahn zusammen mit schützenswerten Kulturgütern wie Heinz Rudolf Kunze, Peter Maffay, Konstantin Wecker, Wolfgang Niedecken und Udo Lindenberg für die Quote, womit sie so scheiterte, wie ihre verbündeten Kulturgüter auf dem Musikmarkt zu scheitern pflegen - also ziemlich, aber leider nicht ganz. Nun will sie an einem "runden Tisch" die "Möglichkeiten einer Selbstverpflichtung" der Rundfunkanstalten eruieren.

Frau Griefahn und ihre Sangeskameraden haben sich entschlossen, gedemütigte Opfer sein zu wollen: Dass im deutschen Fernsehen mit Stefan Raabs Bundesvision Song Contest, mit Deutschland sucht den Superstar oder auch mit den diversen Popstar-Staffeln musikalischer Nachwuchs in einem Umfang gefördert wird, an den Dieter Thomas Heck nie heranreichte, sehen und hören die ja schon etwas betagteren Förderer nationaler Kultur nicht. Dass es mit Wir sind Helden, Juli, Söhne Mannheims oder Silbermond deutsche Erfolgsbands gibt, wollen sie schon gar nicht wahrhaben.

Sie ahnen, dass es zwar junge Deutsche sind, die da musizieren, aber die orientieren sich lieber am Weltmarkt, an internationalen Musiktrends, nehmen Einflüsse aus Amerika und Afrika auf, und mit staatlichen Fördertöpfen wollen sie nichts zu tun haben. Kurz: diese jungen Menschen verweigern sich sozialdemokratischen Volkshochschulen, die Griefahn, Kunze und ihren Sangesbrüdern doch als prototypische Förderstätten gelten.

"Zeitgenössische deutsche Popmusik hat es international ungleich schwerer als klassische Musik", heißt es im Bundestagsantrag, "obwohl sie ihr in Quantität und Qualität in Nichts (sic!) nachsteht". Wenn der Autor dieses Satzes nicht an Heinz Rudolf Kunze als Wanna-be-Goethe-und-Beethoven gedacht hat!

Schon Ende 2004 ließen SPD und Grüne den Bundestag fordern, die Radios sollten annähernd 35 Prozent deutschsprachige beziehungsweise in Deutschland produzierte Popmusik senden, im nun an den Bundestag gestellten Antrag wird wieder von einer "Kultur- und Kreativwirtschaft" schwadroniert, die "Exportschlager" hervorbringen müsse; vor zweieinhalb Jahren wurde die "GermanSounds AG - Das Deutsche Musikexportbüro" gegründet, und auch Frau Griefahn redet von "Exportförderung". Ob sie dabei an mehr als nur den Soldatensender Radio Kabul denkt, sagt sie nicht. Was aber dabei rauskommt, wenn von Juristen definierte Kulturbiotope staatlich geschützt werden, kann man sich leicht vorstellen: Carmen Nebel, Andy Borg und Florian Silbereisen. Und Heinz Rudolf Kunze natürlich.


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