Klinsi steht fürs Weibliche

Sportplatz Kolumne

Starke Männer heißen eigentlich anders. Nicht Klinsi, Jogi oder Olli. Wer so verniedlicht daherkommt, dem nimmt man nicht so recht ab, dass er einer ist, der mit der Faust auf den Tisch haut, der den Saustall ausmistet und die Versager aussortiert. Wenn die neuen starken Männer im Deutschen Fußballbund diese Erwartungen erfüllen könnten, dann würde man den Jürgen Klinsmann auch nicht Klinsi, seinen Cotrainer Joachim Löw auch nicht Jogi und den Manager der Nationalelf, Oliver Bierhoff, auch nicht Olli rufen, sondern dann gäbe es andere, phonetisch ins Martialische gehende Kurznamen. Die Verpflichtung des Mannes, dessen Lächeln den an Plattitüden gewohnten Sportjournalisten wieder eine Ahnung vermittelt, was "verschmitzt" bedeuten könnte, entspricht nicht den Gepflogenheiten des Profifußballs. Ein intelligenter Softi, der für Innovationen steht, es mal mit Psychologie versucht und für sich Zeit reklamiert, wird, wenn überhaupt, verpflichtet, wenn es einer Mannschaft gerade gut geht. Ist aber ein Team in einer solch tiefen Krise, wie es die deutsche Nationalelf mit ihrem frühen Ausscheiden bei der Europameisterschaft gerade vorgeführt hat, dann würde bei einer Vereinsmannschaft ein anderer Trainer geholt. Dann käme ein richtiger Mann, der, wenn er hörte, dass Spieler seinen Nachnamen verniedlichen, sofort Straftraining anordnet.

Warum aber Klinsi? Warum einer, von dem nicht nur alle wissen und es stets und ständig aufsagen, dass er noch nie eine Mannschaft trainiert hat, sondern einer, der sogar von sich sagt, dass er nicht alles weiß und mit einem größeren Beraterstab das Training effizienter machen möchte? "In der Machowelt des Fußballs", schrieb der geschätzte Fußballexperte Christoph Biermann jüngst in 11Freunde, "gilt es immer noch als Schwäche, Nachfragen zu stellen, Erkundigungen einzuholen oder sonst wie den Eindruck entstehen zu lassen, etwas nicht immer schon gewusst zu haben." Es ist Quatsch zu sagen, dass die Abseitsregel das letzte Geheimnis des Mannes sei. Die wird in dem Land, das nicht nur die arg frühen Europameisterschaftsheimkehrer (männlich), sondern auch die Weltmeister (weiblich) hervorgebracht hat, von den Fußballbegeisterten beider Geschlechter beherrscht.

Das Männliche des Fußballsports zeigt sich woanders. Selbstverständlich hat man beim DFB, als es um die Besetzung des Bundestrainerpostens in Nachfolge von Rudi Völler ging, nicht an Tina Theune-Meyer gedacht, die mit grandiosem Erfolg die Frauenauswahl trainiert. Das wäre nicht durchsetzbar gewesen, weder bei Fans, noch bei Spielern, noch beim Publikum, noch bei der Sportpresse. Dass jahrelang das Frauenteam mit Gero Bisanz von einem Mann trainiert wurde, wie ja auch etliche Frauenbundesligisten von Männern trainiert werden, ist eine Überlegung, die gar nicht erst auftauchte. Dabei ist beinah allen Beteiligten klar, dass die bisherige Organisationsform des Fußballs, die den Trainer als harten Hund zum Mittelpunkt hat (und gerade mit Otto Rehhagel und der griechischen Nationalelf einen ihrer letzten Triumphe gefeiert hat), in der Krise ist. Wie tief die Krise ist, konnte man an jenem während der Fußball-EM aufgenommenen Foto sehen, als der DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder auf einem Plastikstuhl hockte und im Stile eines sizilianischen Paten seinem Personal beim Training zuschaute, ob alles zu seiner Zufriedenheit läuft. In den Vereinsmannschaften haben Vereinspatriarchen und Feldwebeltypen am Spielfeldrand schon lange ausgedient. Mit Karl-Heinz Wildmoser von 1860 München ist der letzte Präsident dieser Art erst jüngst verhaftet worden, und wenn sich ein Trainer mal wieder etwas autoritärer versucht, wie jüngst Felix Magath bei Bayern München, erntet er sofort den Widerspruch von selbstbewusster gewordenen Profikickern. Das alte Modell der herrischen Männer, die alles wissen, alles können und alles kontrollieren, lässt den deutschen Fußball nicht mal mehr zu den besten 16 Teams in Europa gehören (und wie lange das von Otto Rehhagel in Griechenland eingeführte deutsche Modell hält, war bei der 1:2-Niederlage seiner Mannschaft gegen Albanien zu besichtigen). Aber ein neues Modell, eine neue Organisationsform steht nicht bereit. Jürgen Klinsmann repräsentiert ja nicht eine erfolgreiche Art, den Fußball zu organisieren, sondern bringt lediglich das Wissen mit, wie in den USA andere Mannschaftssportarten organisiert werden: arbeitsteiliger, professioneller, die Kompetenz aller Beteiligten berücksichtigend. Der Mann, der von Allen Klinsi gerufen wird, steht also für eine kapitalistischere Organisation des Fußballsports. Und die ist, weil einfach alles Vorbürgerliche über Bord werfend, auch eine unmännlichere Organisation.


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