Henry Maske ist so alt wie ich: 42 und wenn nichts dazwischen kommt, im nächsten Jahr 43. Maske war bis vor zehn Jahren Weltmeister im Profiboxen, genauer: Halbschwergewichtsmeister des Verbandes IBF. Mit solchen Meriten kann ich nicht dienen, was selbstverständlich daran liegt, dass Maske ein besserer Sportler war. Es liegt aber auch daran, um mal etwas Positives über mich zu sagen, dass ich weiß, was ich mir noch zumuten kann.
Henry Maske plant nämlich ein Comeback im Boxring. Im Januar will er gegen den Amerikaner Virgil Hill boxen. Gegen den hatte er 1996 seinen angeblich letzten Kampf verloren. Andrea Bocelli und Sarah Brightman verschafften, wie sich sensible Gemüter vermutlich mit Schaudern erinnern, deutschen HNO-Ärzten mit ihrer Hymne Time to say goodbye so manch netten Extraverdienst.
Aus Gründen, zu denen ich als 42-Jähriger, der ebenfalls vor zehn Jahren 32 war, auch etwas sagen kann, haben weder Henry Maske noch Virgil Hill ihr Gewicht halten können - und werden nun wohl im eins höher angesetzten Cruisergewicht antreten. Boxerisch wäre dagegen nichts einzuwenden: Das eine wie das andere ist eine respektable Gewichtsklasse, in der es schon große Kämpfe zu sehen gab. Doch unter boxerischen Gesichtspunkten wird Maskes Ankündigung eines Comebacks ohnehin nicht diskutiert.
Der Fernsehsender RTL, der mit Maske einst das Boxen in Deutschland quasi neu erfand, will für Quote sorgen. Und zwar wieder mit Maske. An diesen erging eine Drei-Millionen-Euro-Offerte, die er nicht ablehnen wollte. Maskes Erwiderung auf die Kritiker - und das ist die gesamte deutsche Boxöffentlichkeit - fällt schwach aus: Er habe mehr Respekt verdient, jammert er in seinem Hausblatt Super-Illu, und 1996 habe er den Kampf gegen Hill schlecht geführt. Er schwätzt heute, als habe er zehn Jahre lang auf das Begleichen einer offenen Rechnung gewartet. Nur hat man davon zehn Jahre lang nichts bemerkt. Vielmehr präsentierte sich Maske, der zwischenzeitlich sein Geld mit dem Lizenznehmen von McDonald´s-Filialen verdiente, der Öffentlichkeit als sachkundiger Boxanalytiker, der zu wissen vorgab, was Boxer zu tun oder zu lassen haben. Zum Beispiel zu wissen, wann man abtreten sollte.
1995 - wenig mehr als zehn Jahre sind seither vergangen - fragte man die Deutschen repräsentativ, wer der größte Boxer aller Zeiten sei. Über 30 Prozent votierten für Maske. Mit deutlichem Abstand folgten Muhammad Ali und Max Schmeling. Boxfachlich war das natürlich damals schon Quatsch. Nicht nur, dass man, selbst wenn man nachts um drei aus dem Schlaf gerissen würde, auf Anhieb mindestens drei Dutzend bessere Boxer als Maske aufzählen könnte. Nein, er fiel auch dadurch auf, dass er zu seinen aktiven Zeiten in der Halbschwergewichtsszene seinen WM-Titel nie außerhalb Deutschlands verteidigte, und indem er großen Boxern wie Dariusz Michalczewski ständig aus dem Wege ging. Ein Weltmeister also, der nicht bereit war, an jedem Ort der Welt gegen jeden Boxer der Welt anzutreten.
Das hat damals niemanden gestört, und es wird auch heute Maskes Sender RTL nicht stören. Dieser hat, nachdem er das seriöse Boxen aus dem Programm genommen hat und nicht mehr mit kritischen Experten wie dem Kabarettisten Werner Schneyer reüssieren will, einfach mit dem Format "Promiboxen" weitergemacht. Da boxen Menschen gegeneinander, deren Prominenz durch den Namenszusatz Promi aufgepeppt werden muss, damit sie endlich mal am Samstagabend in einem großen deutschen Fernsehsender zu sehen sind. Nur mal als Gedächtnisübung für schlechten Geschmack: Diese Leute sind dort zuletzt angetreten: Dustin Semmelrogge, Daniel Lopes, Kelly Trump, Willi Herren, Samantha Fox, Carsten Spengemann, Detlef "D" Soost, Joey Kelly, Michaela Schaffrath, Claude-Oliver Rudolph.
Sieht man sich diese, na sagen wir´s halt - Promis - an, ahnt man, welchen Status RTL mittlerweile Henry Maske beimisst: Etwas berühmter als Willi Herren, etwas schöner als Claude-Oliver Rudolph, etwas seriöser als Carsten Spengemann.
Unmittelbar ökonomisch gesehen, handelt Henry Maske richtig. Drei Millionen Euro dafür, sich einen Abend lang mit einem ähnlichen alten Mann ein paar Schlagwechsel zu gönnen, klingt vernünftig. Als sozial kompetenter Mensch müsste er aber doch wissen, welches Eigentor er sich schießt: Sein Geld hat doch Maske immer mit seinem Image als Boxer mit Manieren verdient, dem man die Moral zutraute, für Geld nicht alles zu tun.
Wenn es nicht so ein schlechter Namenswitz wäre, könnte man jetzt schreiben: Der Maske ist gefallen.
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