So ein Tag, so wunderschön wie heute

Sportplatz Alltag

Es kann gut sein, dass an den Weihnachtsfeiertagen irgendwo die Erde bebt, eine Flut ganze Dörfer vernichtet oder irgendein Politiker erschossen wird. Das werden die Fernsehnachrichten vermelden, denn so ganz umsonst sollen die Redakteure ja nicht den für sie ärgerlichen Feiertagsdienst absitzen. Aber auf eins werden wir am Ende der Tagesschau vergeblich warten: auf den Sportblock am Ende der Nachrichten. Sport findet nämlich an Weihnachten nicht statt. Also zumindest kein Profisport; keiner, für den die Menschen massenhaft ins Stadion pilgern.

Da Gesänge wie "So ein Tag, so wunderschön wie heute" so wunderbar kompatibel zur Erzählung von der Geburt des Heilands sind, mutet das christliche Nichtsportgebot zu Weihnachten wie eine vergebene Chance an. Auch dass Profiboxen an Ostern nicht stattfindet, mag nicht einleuchten, erfährt doch in diesem Sport der Begriff der Wiederauferstehung eine gewisse Illustrierung. Und über die nicht ergriffene Chance der Kirchen, dem Himmelfahrtsfest dank Formel 1 eine modernere Bedeutung zu verleihen, kann man sich einfach nur noch wundern.

Hört man sich bei den Kirchen um, scheint dort niemand so recht zu würdigen wissen, dass ausgerechnet der Sport aus Anlass eines hohen christlichen Festes seine sonst alltägliche Präsenz unterbricht, während alles andere, seien es Kinoprogramme, Unterhaltungssendungen, Gewalttaten und sogar Naturkatastrophen im Fernsehen wie selbstverständlich weiter gezeigt werden. Statt sich beim Sport für die außergewöhnliche und in einer säkularen Gesellschaft überhaupt nicht selbstverständliche Zurückhaltung zu bedanken, pflegen die christlichen Kirchen eher Forderungen an den Sport zu stellen, etwa, dass das Sporttreiben an normalen Sonntagen auch zu unterlassen sei.

Die Selbstverständlichkeit, mit der die organisierte Christenheit nicht nur das freundliche Entgegenkommen des Sports ignoriert, sondern weitergehende Forderungen stellt, überrascht umso mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit der gleichen Selbstverständlichkeit über religiöse Interessen nicht-christlicher Sportler hinweggegangen wird. Auf die überhaupt nicht mit den Erfordernissen des Spitzensports zusammengehenden Ernährungsanforderungen an moslemische Athleten während des Ramadans nimmt wie selbstverständlich kein Trainer und kein Funktionär Rücksicht. Wenn ein jüdischer Spitzensportler religiöse Bedenken anmeldet, an Jom Kippur anzutreten, wird ihm der sanfte Druck des Marktes, illustriert beispielsweise an der prekären Tabellensituation seines Vereins, beigebracht, und er kann entweder trotz seiner Religion seinen Sport ausüben oder trotz seines Sports seine Religion achten - für irgendeine Gruppe, der er sich verpflichtet fühlt, wird er immer einen Fehler machen.

Die kapitalistische Vergesellschaftung des Sports geht über vormoderne Relikte wie etwa religiöse Feiertage hinweg, könnte man solch gläubigen Profis erläuternd mitteilen, doch man hätte die ganze rationale Erklärung des Sports ohne das Christentum gemacht.

Der Sport, so offenbart sich weltweit, ist eine christliche Veranstaltung. Da kann man noch so viel über die christliche Leibfeindlichkeit sprechen, über die vermeintlich glasklare Abbildung der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Werte im Sport oder über archaische Rituale auf dem Platz und den Rängen. All das zeigt sich zwar im Sport wie in der übrigen Gesellschaft, aber nur, wenn gerade Alltag ist. Wenn die Christenheit jedoch den Jahrestag von Marias Niederkunft feiert, ruht der Sport. Und zwar nicht nur in christlich dominierten Gesellschaften - auch wenn von der deutschen doch so oft zu hören ist, sie sei christlich-jüdisch geprägt -, sondern weltweit. Um das jüdische Rosh Hashanah, um das islamische Opferfest oder um das buddhistische Vesakh hat sich nie jemals ein Terminplaner des Sports gekümmert. Aber an einem christlichen Feiertag, das ist beinah Gesetz, wird man keine Weltmeisterschaft, kein Champions-League-Finale und keinen Superbowl finden.

Das mag, wer will, für christliche Arroganz halten. Aber für Atheisten ist es auch irgendwie beruhigend, denn es zeigt doch, dass ausgerechnet im oft so gerne unterschätzten Sport noch Potenziale zur Säkularisierung der Gesellschaft stecken.


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