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SPORTPLATZ Die Bubi Scholz Story

Bubi Scholz ist tot, in den dritten Programmen läuft oft der zweiteilige Spielfilm Die Bubi Scholz Story von Regisseur Roland Suso Richter mit Benno Fürmann und Götz George, und weshalb dies geschieht, kann man, wenn man will, auch so ausdrücken: »Kaum jemand hat die Wiedergeburt dieses geschlagenen und verfemten Volkes besser repräsentiert als dieser Berliner Junge, mit dessen Erfolgen sich alle identifizieren wollten.« So hat es die SFB-Videotext-Redaktion geschrieben, und mit dem geschlagenen und verfemten Volk, das scheint's nach seinem Tod wiedergeboren wurde, sind die Deutschen gemeint. Bubi Scholz hatte 1948 mit dem Boxen angefangen, drei Jahre nach Auschwitz.

Bubi Scholz war der Boxer des westdeutschen Wirtschaftswunders. So alt wie Helmut Kohl - beide wurden im April 1930 geboren. Scholz fing als Boxprofi im Ostberliner Biergarten Prater an, orientierte sich bald nach Westberlin, weil er mit den Ostgagen nichts anfangen wollte.

Auch er legte im Laufe seiner Karriere gut an Gewicht zu: Vom dürren Weltergewichtler, der im Prater kämpfte, fraß er sich bis zum Karriereende 1965 als Halbschwergewichtler hoch. In seiner Autobiografie Der Weg aus dem Nichts, die 1980 erschien, heißt es: »Von meiner Sorte und aus meiner Generation gibt es Hunderttausende in der Bundesrepublik. Wenn ich noch den Mut zum Größenwahn der ganz Jungen hätte, würde ich behaupten: Wir sind die Republik!«

Bubi Scholz boxte mit großem Erfolg bis 1955. Dann erkrankte er an Tuberkulose, galt als Einer, dessen Karriere vorbei ist, und kam zwei Jahre später, 1957, doch wieder zurück. Zwischenzeitlich hatte er geheiratet: Helga Scholz, geborene Druck, deren Eltern einen gutgehenden Frisiersalon besaßen und die ihn, den Schwiegersohn als Halodri ablehnten. 1958 wurde Scholz in seinem berühmtesten Kampf gegen den Franzosen Charles Humez Europameister im Mittelgewicht. Später, 1964, wurde er noch Europameister im Halbschwergewicht, und 1962 verlor er gegen den Amerikaner Harold Johnson einen WM-Kampf im Halbschwergewicht. In seiner Autobiografie schreibt er nicht ohne Häme, dass sein damaliger Gegner, der Ex-Weltmeister Harold Johnson nach dessen Karriere »Drummer einer zweitklassigen Bar-Combo« sei. Er selbst aber, so schreibt er es 1980, habe alles erreicht: »Es geht mir körperlich, materiell und in den menschlich-seelischen Etagen rundherum gut.«

Dass sich die Häme gegen Johnson rächen könnte, hätte Scholz vermutlich nie gedacht. Aber 1984 erschoss er in volltrunkenem Zustand seine Ehefrau. Mehrmals ballerte er durch die Tür der Gästetoilette, wo Frau Scholz sich aufhielt. »Fahrlässige Tötung«, nicht Mord, lautete der richterliche Befund, und Bubi Scholz musste für drei Jahre ins Gefängnis. Etwas mehr als zwei saß er ab, aber danach war er ein gebrochener Mann. Er bekam Depressionen, später auch Alzheimer. Sein Ruhm hatte noch ausgereicht, dafür zu sorgen, dass er nicht als Mörder oder Totschläger weggesperrt wurde. Wenn er aber Geburtstag hatte, kam nun nicht mehr der Regierende Bürgermeister, sondern nur noch Günter Pfitzmann zum Gratulieren. So sieht Abstieg aus.

1984 war sich die westdeutsche Gesellschaft darüber einig, dass Bubi Scholz ausrepräsentiert hatte. Den Aufstieg der Republik durfte er symbolisieren, mehr nicht. Er war ja einer ohne Vorgeschichte, einer, der zum Kriegsende 15 Jahre alt gewesen war. So einen suchten sich die Deutschen liebend gern als Symbol ihrer selbst aus. Wohlstand repräsentierte er, wenn er mit seinem Cabrio durch Berlin fuhr, und er war im Boxen das, was Ted Herold und Peter Kraus in der Musik waren: eine nicht so richtig wilde und ziemlich deutsche Übersetzung des weltweit so erfolgreichen American Way of Life. Nach seiner Box karriere wurde Bubi Scholz Werbekaufmann, freundete sich sehr eng mit der Industriellenfamilie Quandt an, auch der Playboy Gunther Sachs wurde sein Freund, die Westberliner Partygesellschaft um Harald Juhnke, Hans Rosenthal, Günter Pfitzmann, Rolf Eden und Gerhard Wendland sowieso.

Materiell ging es ihm auch nach den Knastjahren gut. Er hatte sein Vermögen rentabel angelegt, zu seinem Tod betrug das Erbe drei Millionen Mark.

Nur vorzeigbar war der Millionär nicht mehr. Dies lag vermutlich daran, dass die Gesellschaft ahnte, dass Scholz immer noch nicht aufgehört hatte, ihre Symbolfigur zu sein. Er führte den Deutschen vor, was die aus anderen Zusammenhängen schon kannten, bloß nicht mehr wissen wollten: eine Mordtat kann zwar moralisch diskreditieren, muss aber materiell nicht schaden. Am 21. August 2000 ist Bubi Scholz gestorben, und zwar nicht, wie es zunächst hieß, in dem er friedlich einen Herzschlag erlitt, sondern er erstickte an seinem Frühstücksbrötchen. Diese Symbolik wird jetzt aber nicht mehr beleuchtet.

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